BFH: Beihilfeprüfung zur steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit von Servicekörperschaften
Der BFH hat dem EuGH verschiedene Fragen zur steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit im Kontext von sogenannten Servicekörperschaften und der Vereinbarkeit mit dem unionsrechtlichen Beihilfeverbot zur Vorabentscheidung vorgelegt (Beschluss vom 22.05.2025, V R 22/23).
Die hier streitige gesetzliche Regelung (§ 57 Abs. 3 AO) zum planmäßigen Zusammenwirken einer gemeinnützigen Organisation mit mindestens einer weiteren Körperschaft in ihrer aktuellen Ausgestaltung wurde erst mit dem Jahressteuergesetz 2020 vom 21.12.2020 neu geregelt.
Die Finanzverwaltung hat mit BMF-Schreiben vom 06.08.2021 zur Anwendung der Neuregelung Stellung genommen. Danach sei unter anderem ein sogenanntes „doppeltes Satzungserfordernis“ erforderlich, d. h. die Körperschaften, mit denen kooperiert wird, und die Art und Weise der Kooperation müssten in den Satzungen der Beteiligten bezeichnet werden.
Im Streitfall erbrachte eine im Jahr 2022 gegründete Service-GmbH entgeltliche Dienstleistungen im Bereich der Finanzbuchhaltung und des Rechnungswesens gegenüber einer Stiftung. Zuvor hatte die Stiftung diese Leistungen von einem Dritten bezogen. Im Gesellschaftsvertrag der Klägerin war neben ihren ausschließlich gemeinnützigen und mildtätigen Zwecken auch geregelt, dass sie diese durch planmäßiges Zusammenwirken mit der Stiftung in Form der Erbringung der zuvor genannten Dienstleistungen verwirklicht.
Die Stiftung verfolgte ausschließlich und unmittelbar dieselben steuerbegünstigten Zwecke wie die Klägerin und war als steuerbegünstigt anerkannt. Allerdings wurde in der Satzung der Stiftung das planmäßige Zusammenwirken (Kooperation) mit der Klägerin nicht erwähnt.
Nach Ansicht des Finanzamts der Klägerin waren die Voraussetzungen des doppelten Satzungserfordernis nicht erfüllt, da die Satzung der Stiftung keine entsprechende Regelung zur Kooperation enthielt. Dagegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch und Klage. Das Finanzgericht Hamburg gab der Klage statt (Urteil vom 26.09.2023, Az: 5 K 11/23). Die Kooperation müsse nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Norm nicht im Sinne eines doppelten Satzungserfordernisses in die Satzung der Stiftung aufgenommen werden. Dagegen legte das Finanzamt Revision beim BFH ein.
Zu der eigentlich streitigen Rechtsfrage des doppelten Satzungserfordernisses führt der BFH nur aus, mit den Beteiligten sei in der mündlichen Verhandlung erörtert worden, dass die Einwendungen des Finanzamts gegen das vorinstanzliche Urteil als nicht durchgreifend anzusehen sind. Aus diesem Grund stelle sich Frage, ob eine Bejahung der Voraussetzungen des § 57 Abs. 3 AO gegen das unionsrechtliche Beihilfeverbot verstoße.
Zur Klärung dieser Frage legt der BFH dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:
1) Stellt die Regelung betreffend Servicekörperschaften eine staatliche Beihilfe dar?
2) Steht es dem dafür erforderlichen selektiven Vorteil entgegen, dass die Servicekörperschaft den gemeinnützigkeitsrechtlichen Beschränkungen insbesondere im Hinblick auf Mittelverwendung und Vermögensbindung unterliegt?
3) Handelt es sich um eine sogenannte „Altbeihilfe“, die nicht dem beihilferechtlichen Durchführungsverbot unterliegen würde, weil die Regelung des § 57 Abs. 3 AO nur einer Regelung ähnelt, die schon vor dem Inkrafttreten des Vertrags über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft am 01.01.1958 vorgelegen hat?
Neue Beihilfen oder Vorhaben zur Umgestaltung bestehender Beihilfen müssen rechtzeitig der EU-Kommission gemeldet werden und dürfen erst nach der Genehmigung der EU-Kommission durchgeführt werden. Ein solches Notifizierungsverfahren wurde nach Auskunft des BMF im Streitfall nicht durchgeführt.
Sofern es sich bei der Norm des § 57 Abs. 3 nicht um eine Beihilfe handelt oder die Gesetzesänderung durch das JStG 2020 lediglich zu einer unwesentlichen Änderung einer Altbeihilfe geführt haben sollte, würde der BFH der Klägerin Recht geben und die Revision des Finanzamts als unbegründet zurückweisen. Demnach scheint der BFH, das von der Finanzverwaltung vertretene doppelte Satzungserfordernis abzulehnen.
Sofern der EuGH die Regelung hingegen als neue Beihilfe einordnet, folgt daraus ein Durchführungsverbot aufgrund der nicht erfolgten Notifikation. Das bedeutet, die Norm darf nicht mehr angewendet werden, so dass im Streitfall die formelle Satzungsmäßigkeit zu verneinen und die Revision des Finanzamts begründet wäre.
Da nach Auskunft des BMF bislang kein Genehmigungsverfahren durchgeführt wurde, könnte die Regelung einem Prüfverfahren durch die EU-Kommission unterzogen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist ausschließlich die EU-Kommission für die Beurteilung der Vereinbarkeit von staatlichen Beihilfemaßnahmen mit dem Gemeinsamen Markt zuständig. Nach Einleitung des Prüfverfahrens kann die EU-Kommission Deutschland verpflichten, die Regelung bis zu ihrer endgültigen Entscheidung auszusetzen (Aussetzungsanordnung).
Fundstelle: BFH-Urteil V R 22/23
News-Kategorie: Rechtsprechung
Veröffentlichungsdatum: 18.07.2025
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