Deutschland befindet sich in einem Transformationsprozess nie gekannten Ausmaßes. Sehen internationale Investoren dies als Chance für sich? Und wie schätzen sie die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland im EU-Vergleich ein? Das haben wir in unserer bereits zum vierten Mal durchgeführten Studie „Business Destination Germany“ analysiert. Hierzu haben wir erneut 350 CFOs der größten deutschen Tochtergesellschaften internationaler Konzerne aus den wichtigsten Investorenländern befragt, wie sie den Standort Deutschland bewerten.
Auch wenn sich immer mehr Unternehmen für große Greenfield-Investitionen entscheiden, Deutschland bei der überwiegenden Anzahl der Standortfaktoren den EU-Durchschnitt schlägt und sich langfristig gesehen Zuversicht zeigt: Die Ergebnisse der Befragung sind im Hinblick auf den kontinuierlichen Abwärtstrend, der seit dem Start der Studienreihe 2018 deutlich wird, aus deutscher Sicht bedenklich.
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Business Destination Germany 2024 - So bewerten internationale Investoren den Standort Deutschland.
Jetzt herunterladenAndreas Glunz
Bereichsvorstand International Business
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Langfristige Perspektive bleibt positiv: Investoren wollen sich am Transformationsprozess beteiligen
Positiv ist, dass mehr als jedes zweite der befragten Unternehmen (52 Prozent) Geschäftschancen aus den großen Transformationsaufgaben Deutschlands für sich erkennt. Dazu zählen insbesondere die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien, ganz grundsätzlich das Erreichen der Klimaneutralität in allen Sektoren und Lebensbereichen, die Digitalisierung von Wirtschaft, Verwaltung und Gesundheitswesen, die Bewältigung der Herausforderungen der alternden Gesellschaft sowie die Schaffung der Verteidigungsfähigkeit des Landes. Sie wollen deswegen in den kommenden fünf Jahren in Deutschland investieren: 37 Prozent der Unternehmen planen, ihre Präsenz auszubauen, lediglich sieben Prozent wollen sie verringern.
Klar ist auch: Im EU-Vergleich befindet sich Deutschland bei einem Großteil der Standortfaktoren weiterhin zumindest im oberen Mittelfeld. Die besten Bewertungen gab es für die zentrale logistische Lage (79 Prozent zählen Deutschland zu den Top 5 in der EU), den Lebensstandard (72 Prozent, ein Minus von neun Prozentpunkten gegenüber 2022) sowie die öffentliche Sicherheit (69 Prozent / minus elf Prozentpunkte).
Internationale Investoren erkennen Handlungsbedarf am Standort Deutschland
Eine wesentliche Erkenntnis: Deutschlands Attraktivität sinkt. Der ermittelte KPMG-Standort-Index, für den 23 Standortfaktoren bewertet werden, weist einen Wert von nur noch +1,2 auf der Skala von +10 (Spitze im EU-Vergleich) bis -10 (Schlusslicht im EU-Vergleich) auf. Dies entspricht einer Halbierung gegenüber der Vorgängerausgabe der Studie im Jahr 2022.
Erkennbar ist auch, dass sich die kontinuierlich negative Entwicklung seit der Erstausgabe der Studie 2018 nun verstärkt hat. Die Bewertungen wurden zwischen 2022 und 2024 deutlich schlechter als zwischen 2018 und 2022. Deutschland gehört in mehreren Kategorien nur noch zum EU-Mittelfeld – und liegt unter anderem beim Digitalisierungsgrad der öffentlichen Verwaltung, der Verfügbarkeit von Fachkräften oder der Förderung von Unternehmensansiedlungen bereits unter dem EU-Schnitt.
Als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt und zugleich das EU-Land mit der mit Abstand größten Wirtschaft und größten Bevölkerung sollte es hingegen der Anspruch Deutschlands sein, in allen relevanten Standortfaktoren im EU-Vergleich zumindest zur Führungsgruppe der Top 5 zu gehören.
Gegenwärtig schätzen 46 Prozent der befragten CFOs andere Länder und Regionen als wachstumsstärker ein als Deutschland. Sie erwägen daher in den kommenden fünf Jahren prioritär dort zu investieren.
Das sind die größten Investitionshemmnisse in den nächsten fünf Jahren
Prozentuale Nennung einzelner Aspekte in der Umfrage
Überbordende Bürokratie
Hohe Energiekosten
Mangelnde Digitalisierung
Deutliche Verschlechterung in mehreren Kategorien
Auffällig ist, dass Deutschlands Reputation offenbar zunehmend sogar in Bereichen schlechter wird, die für das erfolgreiche Standortmarketing bislang essenziell waren. Nur noch 43 Prozent sehen Deutschland beispielsweise unter den fünf besten EU-Standorten für Forschung und Entwicklung. Vor zwei Jahren standen noch 56 Prozent zu Buche. Weitere bemerkenswerte Negativ-Entwicklungen:
58% sagen, dass die politische Stabilität unter den Top 5 der EU liegt. Im Jahr 2022 waren es 80%. |
55% sehen die Arbeitsproduktivität unter den Top 5 der EU – ein Rückgang um 17 Prozentpunkte. |
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43% geben der logistischen/physischen Infrastruktur EU-weit eine Top-5-Bewertung. 59% waren es noch 2022. |
34% ordnen die Offenheit für ausländische Investoren in die EU-Top-5 ein – 16 Prozentpunkte weniger als 2022. |
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19% sagen, dass die Ausrichtung auf Investorenbedürfnisse unter den Top 5 der EU liegt. 2022 waren es 32%. |
14% rechnen die Förderungen für Ansiedlungen/Erweiterungen der Top 5 der EU zu. 24% standen 2022 zu Buche. |