BFG verneint Abgabenhinterziehung

Tax News 5/2024

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Durch einen Steuerberater vertretener Steuerpflichtiger muss bei komplexer Rechtslage richtige Einkunftsart nicht kennen

Ein Steuerpflichtiger erklärte liechtensteinische Einkünfte gegenüber der Steuerbehörde in Liechtenstein und legte dies dem österreichischen Finanzamt (FA) offen. Später nahm das FA eine Umqualifizierung der Einkünfte vor, was zu einer effektiven Besteuerung der liechtensteinischen Einkünfte in Österreich führte. Gemäß BFG ging der Steuerpflichtige davon aus, eine legale Gestaltungsmöglichkeit der Steuervermeidung zu wählen. Aufgrund der äußerst komplexen Steuerrechtsmaterie konnte er zudem die unrichtige Rechtsmeinung seines Steuerberaters zum konkreten Lebenssachverhalt nicht erkennen. Gleichermaßen traf den Steuerberater mangels Rechtsprechung zum Thema kein Vorsatzvorwurf (BFG 2.10.2023, RV/1100014/2020).

1. Sachverhalt: Drei potenziell mögliche Einkunftsarten

Der Beschwerdeführer (Bf.), ein Einzelunternehmer mit Ingenieurbüro in Dornbirn, bat das FA im Jahr 2004 um Rechtsauskunft zur beabsichtigten Begründung eines Ingenieurbüros in Liechtenstein, allenfalls unter Beteiligung einer weiteren Person im Weg einer Personengesellschaft. Der Bf. war durch einen Steuerberater vertreten.

Mit Rechtsauskunft aus dem Jahr 2004 verneinte das FA zunächst das Vorliegen selbständiger Einkünfte mangels ziviltechnikerähnlicher Tätigkeit: Die Liechtenstein-Einkünfte seien solche aus Gewerbebetrieb (§ 23 Einkommensteuergesetz) bzw. Gewinne nach Art. 7 Doppelbesteuerungsabkommen Liechtenstein (DBA). Aufgrund von in den Jahren 2004 bis 2006 absolvierten Universitätslehrgängen ging der Bf. dennoch vom Vorliegen von Einkünften aus selbständiger Tätigkeit für 2005 aus und gab mit einem Erläuterungsschreiben zur Einkommensteuererklärung 2005 deren Versteuerung in Liechtenstein bekannt. Diesem Schreiben wurde eine Kopie der liechtensteinischen Steuererklärung für 2005 beigelegt. Dementsprechend wurden vom FA – aufgrund der zum Zeitpunkt der erstmaligen Erlassung der Bescheide 2006 bis 2008 vorliegenden Unterlagen – die in Liechtenstein erzielten Einkünfte Art. 14 DBA (selbständige Arbeit) unterstellt und in Österreich unter Progressionsvorbehalt von der Einkommensteuer erklärungsgemäß ausgenommen.

Nach einer Betriebsprüfung im Jahr 2011 betreffend die Steuerperioden 2006 bis 2008 qualifizierte das FA die liechtensteinischen Einkünfte als in Österreich steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In den Steuerperioden 2009 bis 2011 war der Sachverhalt gleich gelagert. Alle für die steuerliche Beurteilung wesentlichen Fakten der strittigen Jahre 2009 bis 2011 waren dem FA daher spätestens seit der Betriebsprüfung im Jahr 2011 bekannt.

2. BFG zu ursprünglichen Veranlagungsperioden 2006 bis 2008: Nachfrage des Finanzamts geboten

Der Bf. erläuterte unter Zuhilfenahme eines Steuerberaters bereits in einem Begleitschreiben zur Steuererklärung 2005 die Sach- und Rechtslage. Nach Ansicht des BFG hatte der Bf. als Techniker nicht so detaillierte Kenntnisse des Steuerrechts, um die von ihm als liechtensteinischer Einzelunternehmer erzielten Einkünfte in nichtselbständige und in Österreich steuerpflichtige Einkünfte umqualifizieren zu können. Unabhängig davon kam es auch den die Veranlagung 2006 bis 2008 durchführenden Steuerexperten des FA nicht in den Sinn, die Einkunftsart durch Vorhalte abzuklären.

3. BFG zu Veranlagungsperioden 2009 bis 2011: Verjährungseintritt mangels Abgabenhinterziehung

Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, verjährt grundsätzlich nach fünf Jahren. Soweit eine Abgabe vorsätzlich hinterzogen ist, beträgt die Frist zehn Jahre (§ 207 Abs. 2 Bundesabgabenordnung). Die Bescheide für die Jahre 2009 bis 2011 im Jahr 2019 ergingen gemäß BFG außerhalb der Verjährungsfrist. Denn das BFG verneinte das Vorliegen einer Abgabenhinterziehung: Da dem FA aufgrund der Betriebsprüfung spätestens am 22.6.2011 bekannt war, dass die liechtensteinischen Einkünfte des Bf. steuerpflichtig sind, kann der Bf. nach den Ausführungen des BFG „durch die Nichtabgabe der Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2010 bis 2011 keine Abgabenverkürzung bewirken, da die Erklärungsfrist für 2010 erst mit Ablauf des 30.6.2011 geendet hat.“

Zusätzlich verneinte das BFG ein vorsätzliches Handeln zusammenfassend wie folgt:

  • Der Bf. wollte nach Ansicht des BFG eine legale Gestaltungsmöglichkeit der Steuervermeidung wählen.
  • Er hatte als Techniker keine Detailkenntnisse des Steuerrechts.
  • Er legte dem FA sowohl Sachverhalt als auch Deklarierung der Einkünfte in Liechtenstein offen.
  • Er unterlag einem Irrtum, weil er sich bei seinem Steuerberater erkundigte und auch diesem den vollständigen Sachverhalt offenlegte. Aufgrund der „äußerst komplexen Steuerrechtsmaterie“ war es ihm unmöglich zu erkennen, dass die Rechtsmeinung des Beraters unrichtig war. Wird eine Rechtsauskunft bei verlässlichen Fachleuten eingeholt, liegt in der Regel ein „entschuldbarer Verbotsirrtum“ vor.
  • Auch der Steuerberater handelte nicht vorsätzlich, weil „eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung vorliegt, zu der weder Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs noch einschlägige Literatur existiert.“ Laut BFG geht zudem ein Steuerberater einer erfolgreichen Steuerberatungskanzlei nicht das Risiko ein, seine Berufsbefugnis zu verlieren, um einem nicht allzu bedeutenden Klienten bei einer Steuerhinterziehung behilflich zu sein.
  • Das BFG war davon überzeugt, dass Bf. und Steuerberater „einen anderen Weg der legalen Steuervermeidung gewählt hätten“, wäre ihnen eine Abgabenverkürzung bekannt gewesen.

4. Fazit und Praxistipp

Ein Steuerpflichtiger, der bei komplexer Rechtslage einen Steuerberater konsultiert und diesem den wahren Lebenssachverhalt bekannt gibt, begeht keine vorsätzliche Abgabenhinterziehung. Er trägt dann nicht mehr das Risiko einer falschen Beurteilung seiner inländischen Steuerpflicht oder einer falschen Qualifikation von Einkunftsarten. Bei der Vorsatzfrage („subjektive Tatseite“) kann zu berücksichtigen sein, dass auch beim FA nach Offenlegung des wahren Sachverhalts offenbar keine abgabenrechtlichen Zweifel entstanden, weil es den Steuerpflichtigen damit auch nicht mit einem Vorhalt konfrontiert hat.

Praxistipp: Das BFG hat jüngst auch in anderen Fällen bei unklarer Rechtslage die Strafbarkeit wegen Abgabenhinterziehung verneint. Die praxisgerechte Aufbereitung dieser Fälle finden Sie hier: