Umsatzsteuer für Roamingleistungen: Kurzer Verjährungszeitraum von fünf Jahren aufgrund vertretbarer Rechtsansicht
Tax News 4/2024
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Wird die Steuerpflicht einer Leistung eines Unternehmens in der Fachwelt zunächst verneint, später aber durch höchstgerichtliche Rechtsprechung bejaht, gilt die historische Rechtslage aus subjektiver Sicht bis zur höchstgerichtlichen Klärung der abgabenrechtlichen Fragestellung als unklar. Solange gilt die Rechtsansicht hinsichtlich einer fehlenden Steuerbarkeit von Roamingleistungen im Inland auch als umsatzsteuerlich vertretbar. In diesem Fall ist eine vorsätzliche Abgabenverkürzung ausgeschlossen.
1. Sachverhalt: Roamingleistungen von ausländischen Telekommunikationsunternehmen
Die Beschwerdeführerin (Bf) betreibt ein Telekommunikationsunternehmen im Drittland und ermöglicht ihren Kunden das Telefonieren und die Inanspruchnahme von Internetdienstleistungen über mobile Geräte in Österreich. Dabei wird das inländische Mobilnetz österreichischer Mobilfunkunternehmen genutzt. Indem das ausländische Telekommunikationsunternehmen seinen Kunden während ihres Aufenthaltes in Österreich die Nutzung des inländischem Mobilnetzes ermöglicht, erbringt es eine Roamingleistung an seine Kunden. Über lange Zeit war es fraglich, ob diese Leistung ausländischer Telekommunikationsunternehmen in Österreich als umsatzsteuerbar zu behandeln ist.
Im verfahrensgegenständlichen Fall wurden die Jahresbescheide für die Umsatzsteuer der Jahre 2014 und 2015 erst am 3.2.2022 erlassen. Die Bf wendete in ihrer Beschwerde ein, dass diese Bescheide aufgrund eingetretener Festsetzungsverjährung als rechtswidrig zu qualifizieren seien.
Die Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben beträgt – anders als die allgemeine fünfjährige Frist – zehn Jahre (§ 207 Abs. 2 BAO). Die Abgabenbehörde ging von bedingtem Vorsatz und einer Verjährungsfrist von zehn Jahren aus. Daher sei hinsichtlich der Umsatzsteuer 2014 und 2015 noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Die Bf ging demgegenüber mangels subjektiver Vorwerfbarkeit von eingetretener Verjährung aus.
2. Vertretbare Rechtsansicht, kein Vorsatz
BFG 14.11.2023, RV/2100810/2022: Die umsatzsteuerliche Zweifelsfrage zur Steuerbarkeit von Roamingleistungen ausländischer Telekommunikationsunternehmen im Inland war bei Entstehen des Abgabenanspruchs 2014 und 2015 nicht höchstgerichtlich entschieden. Zunächst verneinte das BFG in Entscheidungen aus dem Jahr 2016 die Steuerbarkeit von Telekommunikationsdienstleistungen ausländischer Telekommunikationsunternehmer im Inland.
Erst die Judikatur des VwGH vom 13.9.2018, Ro 2016/15/0035, und des EuGH vom 15.4.2021, Rs C-593/19 SK Telecom Co Ltd, bejahte die Steuerbarkeit und Steuerpflicht dieser Leistungen im Inland endgültig. Ob die unklare Rechtslage erst mit dem EuGH-Urteil 2021 oder schon mit der innerstaatlich höchstgerichtlichen VwGH-Entscheidung bereinigt war, geht aus der Entscheidung des BFG nicht abschließend hervor: Einerseits lässt sich vertreten, dass der VwGH ein österreichisches Höchstgericht ist und aus dieser Perspektive schon im Jahr 2018 Rechtsklarheit herrschte. Andererseits hat das Auslegungsmonopol im Umsatzsteuerrecht der EuGH, der sich dann nach der VwGH-Entscheidung erneut und abschließend mit der Leistungsortfrage bei Telekommunikationsdienstleistungen zu befassen hatte. Aufgrund dieses Auslegungsmonopols des EuGH im Bereich der Umsatzsteuer erscheint die umsatzsteuerliche Rechtslage im Falle der Vorlage der Rechtsfrage an den EuGH erst mit der abschließenden Entscheidung des EuGH im Jahr 2021 endgültig geklärt.
Zusammenfassend hielt das BFG die maßgebliche Rechtslage für die verfahrensgegenständlichen Veranlagungsjahre 2014 und 2015 in subjektiver Hinsicht keineswegs für klar. Aufgrund des Vorliegens einer vertretbaren Rechtsansicht konnte keine vorsätzliche Begehung einer Abgabenverkürzung gegeben sein. Folglich kam die längere Verjährungsfrist nach § 207 Abs. 2 Satz 2 BAO nicht zur Anwendung.
3. Fazit für die Praxis
Solange aufgrund der dynamischen Entwicklung des Steuerrechts eine für Abgabepflichtige undeutliche Rechtslage besteht, schließt eine aus dieser Unklarheit erwachsende vertretbare Rechtsansicht eine vorsätzliche Abgabenverkürzung aus. Aufgrund des Auslegungsmonopols des EuGH im Bereich der Umsatzsteuer erscheinen Zweifelsfragen zur Umsatzsteuer nicht bereits durch ein Erkenntnis des österreichischen VwGH, sondern im Fall der Vorlage der Rechtsfrage an den EuGH erst mit Ergehen des EuGH-Urteils als final geklärt. Im Einklang mit dem hier besprochenen Erkenntnis des BFG sind Zweifel bei unklarer Rechtslage eher zugunsten des Abgabepflichtigen zu bewerten.