Aktuelle Änderungen im österreichischen DBA-Netzwerk

Tax News 4/2024

Tax News 4/2024

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Bergsteigergruppe bei Aufstieg

Österreich verfügt über ein breites Netz an Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Jüngst kam es zu einigen wesentlichen abkommensrechtlichen Änderungen – konkret zu einer Teilsuspendierung des DBA-Russland bzw DBA-Belarus. In den Erlässen vom 30.5.2024 betreffend die Suspendierung des DBA-Russland (2024-0.317.354) bzw. vom 27.6.2024 betreffend die Teilsuspendierung des DBA-Belarus (2024-0.459.298, BMF-AV Nr. 89/2024) hat das BMF nunmehr zu den daraus für österreichische Steuerpflichtige resultierenden Auswirkungen Stellung genommen. Zudem kam es zu einer Änderung des DBA-Chile aufgrund der Meistbegünstigungsklausel (reduzierte Quellensteuersätze für Zinsen und Lizenzgebühren). Für Unternehmen oder natürliche Personen, die Geschäftsbeziehungen in diesen Vertragsstaaten unterhalten, sind die Änderungen und die Folgen aufgrund der Änderung im jeweiligen DBA von relevanter Bedeutung.  

Suspendierung des DBA-Russland

Im Wege einer Verbalnote vom 8.8.2023 wurden durch Russland zahlreiche Bestimmungen des zwischen Österreich und Russland abgeschlossenen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung betreffend Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA) mit sofortiger Wirkung suspendiert. Mit Wirkung ab 7.12.2023 hat das österreichische Bundesministerium für Finanzen (BMF) die suspendierten Bestimmungen auch auf österreichischer Seite durch Kundmachung im Bundesgesetzblatt ausgesetzt (siehe dazu auch den Tax News Beitrag 11-12/2023 Suspendierung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Österreich und Russland). Somit besteht im Ergebnis für in Österreich bzw. Russland ansässige Steuerpflichtige, die ab diesem Zeitpunkt Einkünfte aus Quellen des jeweils anderen Landes erzielen, keine Abkommensberechtigung mehr.

Die Suspendierung betreffend die Kernpunkte des DBA wie die Bestimmungen zu Betriebstätten (Art. 5), Verteilungsnormen (Art. 6 bis Art. 22), Gleichbehandlung (Art. 24), Amtshilfe bei der Vollstreckung von Steuern (Art. 26.1), Beschränkung von Vergünstigungen (Art. 26.2) samt der dazugehörigen Protokollbestimmungen bleibt im Wesentlichen unverändert aufrecht. Dies hat zur Folge, dass die Vertragsstaaten Einkünfte uneingeschränkt nach den Regelungen ihres jeweiligen nationalen Rechts – und somit ohne allfällige Einschränkung durch die suspendierten Verteilungsnormen des DBA (Art. 6-22) – besteuern dürfen. Im Erlass des BMF vom 30.5.2024 (2024-0.317.354) hat das BMF nun eine Konkretisierung zu den Folgen der teilweisen Suspendierung des DBA Österreich-Russland für Steuerpflichtige veröffentlicht und darin auch seine Sichtweise hinsichtlich etwaiger Möglichkeiten zur unilateralen Beseitigung der dadurch resultierenden Doppelbesteuerung dargelegt. Die wesentlichen Aspekte dieses Erlasses für österreichische Steuerpflichtige können dabei wie folgt zusammengefasst werden:

  • Der Methodenartikel (Art. 23) zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung als auch die Regelung zum Verständigungsverfahren wurden zwar nicht ausgesetzt, jedoch finden beide Bestimmungen mangels Aufteilung des Besteuerungsrechts faktisch keine Anwendung mehr.
  • Der Informationsaustausch (Art. 26) ist nicht suspendiert. Jedoch hat Österreich bereits im März 2022 den Informationsaustausch sowohl auf Grundlage des DBA als auch auf Grundlage des multilateralen Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen ausgesetzt.
  • Nach der im Erlass von BMF vertretenen Auffassung soll zudem keine (automatische) unilaterale Entlastung von der Doppelbesteuerung auf Basis der VO zu § 48 BAO (BGBl II 2002/474) möglich sein, da dies indes erfordern würde, dass kein DBA zwischen Österreich und Russland besteht. Da das DBA mit Russland jedoch dem Grunde nach unverändert besteht (ledigliche Teilsuspendierung der Verteilungsnormen), wäre diese Tatbestandsvoraussetzung nach Ansicht des BMF nicht erfüllt. Diese Sichtweise erscheint insbesondere vor dem Hintergrund, als das DBA aufgrund der Suspendierung der Verteilungsnormen im Ergebnis keine Wirkung mehr entfaltet und somit eine eintretende Doppelbesteuerung für Steuerpflichtige nicht länger beseitigt, äußerst restriktiv.
  • Eine Entlastung von der Doppelbesteuerung könne daher im Ergebnis nur über einen auf § 48 Abs. 5 BAO gestützten Einzelantrag (im Wege der Anrechnungsmethode) erfolgen. Dieser liegt im Ermessen der zuständigen Behörde nach den Kriterien der Billigkeit und Zweckmäßigkeit, wobei eine maßgebliche Unbilligkeit nach Ansicht des BMF wiederum dann nicht vorliegen soll, wenn die in Russland erhobene Steuer im Verhältnis zur Gesamtsteuerlast des in Österreich ansässigen Steuerpflichtigen lediglich gering ausfällt (ohne diese Relation in Folge weiter zu konkretisieren).
  • Aufgrund der Vielzahl der zu erwartenden Einzelanträge nach § 48 Abs. 5 BAO wurde seitens des BMF im Erlass zudem die inhaltlichen Voraussetzungen derartiger Anträge konkretisiert bzw die Zuständigkeit für derartige unilaterale Entlastungsanträge an die zuständigen Finanzämter delegiert.

Unsere Expert:innen unterstützen Sie gerne bei der Prüfung konkreter Möglichkeiten zur Vermeidung einer allfälligen Doppelbesteuerung.

Teilweise Suspendierung des DBA-Belarus

Ähnlich zum Vorbild Russlands hat die Regierung der Republik Belarus die teilweise Suspendierung des DBA mit Österreich samt Protokoll durch Verbalnote vom 27.3.2024 mit Wirkung ab 1.6.2024 bis 31.12.2026 ausgesprochen. Als Reaktion darauf erfolgte seitens Österreichs mit Wirkung ab 28.6.2024 bis 31.12.2026 gleichermaßen die teilweise Suspendierung des DBA mit Belarus. Von der Suspendierung sind die Verteilungsnormen betreffend Dividenden (Art. 10), Zinsen (Art. 11) sowie Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen (Art. 13) betroffen. Im Erlass von 27.6.2024 (2024-0.459.298, BMF-AV Nr. 89/2024) hat das BMF nunmehr zu den Auswirkungen der teilweisen Suspendierung des DBA-Belarus für österreichische Steuerpflichtige Stellung genommen.

Konkret hat die Suspendierung der betroffenen Artikel zur Folge, dass die Vertragsstaaten mangels Vorliegens einer abkommensrechtlichen Aufteilung der Besteuerungsrechte nicht daran gehindert sind, die genannten Einkünfte nach jeweils nationalem Steuerecht uneingeschränkt zu besteuern (d. h. etwa einen höheren nach nationalem Recht vorgesehenen Quellensteuersatz zur Anwendung zu bringen). Mangels Anwendbarkeit des DBA in Bezug auf die genannten Verteilungsnormen ist Österreich als Ansässigkeitsstaat etwa nicht länger verpflichtet, eine in Belarus auf Dividenden (Art. 10) oder Zinsen (Art. 11) einbehaltene Quellensteuer in Österreich auf DBA-rechtlicher Grundlage anzurechnen bzw. unter Art. 13 fallende Veräußerungsgewinne zu befreien. Da dem Grunde nach weiterhin ein DBA besteht (wenngleich dieses in Bezug auf die genannten Einkunftsarten keine Wirkung entfaltet) soll nach Ansicht des BMF – analog der Sichtweise zur Suspendierung des DBA-Russland (siehe oben) – wiederum keine (automatische) unilaterale Entlastung von der Doppelbesteuerung auf Basis der VO zu § 48 BAO (BGBl. II 2002/474) im Rahmen der Veranlagung möglich sein, sondern eine aus der Teilsuspendierung resultierende Doppelbesteuerung allenfalls nur durch einen auf § 48 Abs. 5 BAO gestützten Einzelantrag auf unilaterale Entlastung möglich sein (Ermessensentscheidung des zuständigen Finanzamtes). Hierfür sollen die bereits im Erlass des BMF zum DBA-Russland dargelegten Grundsätze in analoger Anwendung maßgeblich sein.

Unsere Expert:innen unterstützen Sie gerne bei der Prüfung konkreter Möglichkeiten zur Vermeidung einer allfälligen Doppelbesteuerung.

Meistbegünstigungsklausel DBA-Chile

Mit Kundmachung vom 16.5.2024 erfolgte eine Änderung der Bestimmungen zu Zinsen (Art. 11.2) und Lizenzgebühren (Art. 12.2) des DBA zwischen der Republik Österreich und der Republik Chile. Die mit Wirksamkeit von 1.1.2017 rückwirkende Änderung erfolgte aufgrund der Geltendmachung der Meistbegünstigungsklausel, die in Z. 7 des Protokolls zum DBA-Chile vereinbart wurde. Im vorliegenden DBA-Chile (alte Fassung) sah Art. 11 Abs. 2 ein Quellenbesteuerungsrecht i. H. v. 5 Prozent bzw. 15 Prozent auf Zinsen vor. Art. 12 Abs. 2 räumte dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht auf Lizenzgebühren i. H. v. 5 Prozent bzw. 10 Prozent ein. Sofern Chile mit anderen OECD-Staat eine Quellensteuerbefreiung von Zinsen oder Lizenzgebühren oder die Anwendbarkeit eines niedrigeren als den für Österreich anwendbaren Quellensteuersatz vorsieht, greift die Meistbegünstigungsklausel. Dies hat zur Folge, dass die günstigeren Bestimmungen zu Art. 11 Abs. 2 und Art. 12 Abs. 2 (keine bzw. niedrigere Quellensteuer) auch für die Bestimmungen des DBA Österreich-Chile anwendbar sind. Die Meistbegünstigungsklausel ist ab dem Tag wirksam, ab dem Chile erstmals die günstigen Bestimmungen mit einem OECD-Staat anwendet, was nunmehr der Fall ist und die rückwirkende Anpassung des DBA-Chile zur Folge hat. Mit Wirksamkeit ab 1.1.2017 erfolgt daher eine Herabsetzung der Quellensteuer auf 4 Prozent bei Zinsen, die an Kredit- bzw. Finanzinstitute fließen (Art. 11 Abs. 2 lit. a), auf 5 Prozent bei Zinsen im Zusammenhang mit Anleihen oder Obligationen (Art. 11 Abs. 2 lit. b) bzw. auf 10 Prozent bei allen anderen Fällen (Art. 11 Abs. 2 lit. c). Lizenzgebühren für die Benützung oder für das Recht auf Benutzung gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Ausrüstung werden auf 2 Prozent (Art. 12 Abs. 2 lit. a) reduziert. In allen anderen Fällen erfolgt eine Herabsetzung des Quellensteuersatzes für Lizenzgebühren auf nunmehr 10 Prozent (Art. 12 Abs. 2 lit. b).