Vorlage des BFH an den EuGH: Sind Innenumsätze zwischen Mitgliedern einer Organschaft umsatzsteuerbar?

Tax News 03-04/2023

Umsatzsteuer

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Der BFH hat auf die Entscheidungen des EuGH vom 01.12.2022 zur Organschaftsregelung reagiert. Zum einen ändert der BFH seine Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung. Zum anderen legt er weitere Fragen an den EuGH vor. Konkret möchte der BFH wissen, ob Innenumsätze zwischen Mitgliedern einer Organschaft als nicht umsatzsteuerbar zu qualifizieren sind. Der BFH bezweifelt das. Weiters fragt der BFH an, ob Innenumsätze jedenfalls dann steuerbar sind, wenn der Leistungsempfänger nicht (oder nur teilweise) zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, da ansonsten die Gefahr von Steuerverlusten besteht. Aufgrund der vergleichbaren Rechtslage wird diese Entscheidung auch für Österreich spannend sein. 

Der deutsche Bundesfinanzhof (BFH) hat am 23. März 2023 zwei Entscheidungen betreffend Organschaft als Reaktion auf die EuGH Entscheidungen vom 01.12.2022 zur Rechtssache Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie (C-141/20) und Finanzamt T gegen S (C-269/20) veröffentlicht (für Details zu diesen Entscheidungen siehe unseren Newsletter 11-12/2022).

In der Nachfolgeentscheidung zur Rechtssache Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie (C-141/20) hat der BFH seine Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung geändert. Für das Bestehen einer Organschaft ist zwar weiter im Grundsatz erforderlich, dass dem Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft zusteht. Die finanzielle Eingliederung liegt nunmehr aber auch dann vor, wenn der Gesellschafter zwar über nur 50 % der Stimmrechte verfügt, die erforderliche Willensdurchsetzung bei der Organgesellschaft aber dadurch gesichert ist, dass er eine Mehrheitsbeteiligung am Kapital der Organgesellschaft hält und er den einzigen Geschäftsführer der Organgesellschaft stellt.

Aufgrund unklarer Aussagen des EuGH zur „Selbständigkeit“ von Organmitgliedern in der Rechtssache Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie (C-141/20) hat der BFH aber die Rechtssache Finanzamt T gegen S erneut dem EuGH vorgelegt.

Umsätze zwischen Mitgliedern einer Organschaft werden derzeit als nicht umsatzsteuerbar qualifiziert. Begründet wird dies mit der Unselbständigkeit der Organmitglieder. Dies entspricht auch der in Österreich vorherrschenden Rechtsansicht.

Der BFH ersucht mit den Vorlagefragen um Klärung, ob an der bisherigen Annahme der Nichtsteuerbarkeit von Innenumsätzen der Organschaft festgehalten werden kann. Der BFH stellt dabei fest, dass sich aus der bisherigen Rechtsprechung des EuGH keine eindeutige Antwort dazu ergibt und unterschiedliche Beurteilungen durch die Generalanwaltschaft in unterschiedlichen Verfahren vorliegen.

Der BFH zweifelt die Nichtsteuerbarkeit der Innenumsätze vor allem aufgrund der Aussage des EuGH aus dem Urteil „Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie“ an, in dem der EuGH feststellt, dass Mitglieder einer Organschaft selbständig wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben und daher nicht im Wege einer Typisierung aufgrund der bloßen Zugehörigkeit zu einer Organschaft als „nicht selbstständig“ eingestuft werden können.

Zudem dürfe die Organschaft nach der ständigen EuGH-Rechtsprechung nicht zu einer Gefahr von Steuerverlusten führen. Eine Gefahr von Steuerverlusten sieht der BFH jedoch, wenn ein Organmitglied als Empfänger des Innenumsatzes nicht zum (vollen) Vorsteuerabzug berechtigt ist. Daher möchte der BFH mit seiner zweiten Vorlagefrage wissen, ob Innenumsätze dann als umsatzsteuerbar zu qualifizieren sind, wenn der Leistungsempfänger nicht oder nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Anmerkungen und Ausblick

Die Frage der Steuerbarkeit von Innenumsätzen wurde in der VAT Expert Group der Europäischen Kommission am 31. Jänner 2023 angesprochen. Dem Protokoll der 32. Sitzung ist zu entnehmen, dass die EU Kommission weiterhin die Ansicht vertritt, dass von der Nichtsteuerbarkeit von Innenumsätzen auszugehen ist. Da die Umsatzsteuerrichtlinienwartung unmittelbar nach den EuGH Entscheidungen vom 01.12.2022 veröffentlicht wurde, sind darin noch keine Aussagen zu diesen Entscheidungen enthalten.

Der EuGH wird sich nun neuerlich mit einer grundlegenden Frage in Zusammenhang mit der Organschaft beschäftigen, die auch Auswirkungen auf Österreich haben kann. Es bleibt abzuwarten, wie sich der EuGH nun zu den beiden Vorlagefragen äußert und ob die in Österreich geltende Annahme der Nichtsteuerbarkeit von Innenumsätzen beibehalten werden kann. Eine Aufgabe der Sichtweise, dass Innenumsätze nicht steuerbar sind, hätte wohl weitreichende Konsequenzen vor allem für Finanz- und Versicherungsbranche. Dabei wird insbesondere relevant sein, ob eine derartige geänderte Sichtweise mit dem Wortlaut der österreichischen Gesetzesregelung zur Organschaft in Einklang zu bringen ist. 

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