Grenzüberschreitende Umgründungen neu – Begutachtungsentwurf zum EU-Umgründungsgesetz veröffentlicht

Tax News 01-02/2023

Bilanz- und Konzernsteuerrecht

  • 1000
Kletterer

Der am 20. Jänner 2023 veröffentlichte Ministerialentwurf eines Gesellschaftsrechtlichen Mobilitätsgesetzes (GesMobG), mit dem die Richtlinie (EU) 2019/2121 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen („EU-Mobilitätsrichtlinie“) in Form eines neuen EU-Umgründungsgesetzes (EU-UmgrG) in Österreich umgesetzt werden soll, enthält neben einer Überarbeitung der bewährten grenzüberschreitenden Verschmelzung die in der Praxis lange erwarteten gesetzlichen Grundlagen für grenzüberschreitende Umwandlungen (Sitzverlegungen) sowie jene für die grenzüberschreitende Spaltung.

Die EU-Mobilitätsrichtlinie und darauf aufbauend das EU-UmgrG erweitern damit die Möglichkeiten für grenzüberschreitende Umstrukturierungen und erleichtern es, grenzüberschreitend tätigen Unternehmen, ihre Strukturen auf geänderte Marktgegebenheiten und Rahmenbedingungen anzupassen.

Das EU-UmgrG enthält entsprechend der Richtlinienvorgaben die Regelungen für grenzüberschreitende Umwandlungen (Sitzverlegungen), Verschmelzungen und Spaltungen von Kapitalgesellschaften innerhalb des EU-/EWR-Raumes.

1.     Grenzüberschreitende Umwandlung

Die grenzüberschreitende Umwandlung ermöglicht einen Wechsel der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft eines Mitgliedsstaats bei gleichzeitiger Verlegung des Satzungssitzes (Wegzug) in die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft eines anderen Mitgliedsstaats. Die Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft wird beibehalten (§ 8 EU-UmgrG).

Dieser Vorgang war bereits als Sitzverlegung oder Formwechsel bekannt, die auf Basis von EuGH-Rechtsprechung zwar bereits zulässig, in der Vergangenheit jedoch mit teils erheblichen administrativen Herausforderungen und Unsicherheiten verbunden waren.

Das EU-UmgrG unterscheidet, wie die EU-Mobilitätsrichtlinie, die „Hinaus-Umwandlung“ (österreichische Kapitalgesellschaft verzieht in das EU-/ EWR-Ausland) und die „Herein-Umwandlung“ (EU-Kapitalgesellschaft zieht nach Österreich).

Praktisch relevant ist zunächst das Austrittsrecht gegen Barabfindung, welches widersprechenden Gesellschaftern im Rahmen der Hinaus-Umwandlung gegenüber der Gesellschaft oder einem anbietenden Dritten zusteht.

Ein Novum in sämtlichen Wegzugsfällen, so auch der Hinaus-Umwandlung, ist die obligatorische „Missbrauchskontrolle“. Laut den Materialien ist eine Prüfung anhand des Einzelfalls erforderlich, wobei Missbrauch insbesondere dann vorliegen soll, wenn die Umwandlung zur Umgehung der Rechte der Arbeitnehmer, von Sozialversicherungszahlungen, von Steuerpflichten, von Forderungen anderer Gläubiger oder zu kriminellen Zwecken benutzt wird. Es bleibt abzuwarten, wie die Firmenbuchpraxis mit der Missbrauchskontrolle umgehen wird.

Bei der zukünftigen Planung von Umgründungen ist auch die Verlängerung der schon von der grenzüberschreitenden Verschmelzung bekannten Gläubigerschutzfrist auf drei Monate für sämtliche Umgründungsarten zu berücksichtigen.

2.     Grenzüberschreitende Verschmelzung

Grenzüberschreitende Verschmelzungen waren auf Basis sekundärrechtlicher Regelungen und deren österreichischer Umsetzung im EU-Verschmelzungsgesetz (EU-VerschG) bereits bisher möglich und haben sich in der Praxis bewährt. Diese Regelungen wurden teilweise überarbeitet und an die Regelungssystematik angepasst. Das EU-UmgrG unterscheidet nun auch hier zwischen der „Hinaus-Verschmelzung“ und der „Herein-Verschmelzung“ (§ 27 Abs 4 und 5 EU-UmgrG).

Neuerungen betreffen ua die Möglichkeit von Gläubigern, Bemerkungen zum Verschmelzungsplan zu übermitteln, die auch der Anmeldung zum Firmenbuch beizulegen sind, sowie die verpflichtende „Missbrauchskontrolle“, die nun auch für die Verschmelzung zur Anwendung kommt.

3.     Grenzüberschreitende Spaltung

In Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie soll nun auch die grenzüberschreitende Spaltung von Kapitalgesellschaften innerhalb des EU-/EWR-Raumes generell ermöglicht werden (§§ 46 ff EU-UmgrG). Der Gesetzesentwurf beschränkt sich dabei – wie auch die EU-Mobilitätsrichtlinie – lediglich auf Spaltungen zur Neugründung, dh durch die Spaltung muss eine neue Kapitalgesellschaft gegründet werden. Eine bereits bestehende Kapitalgesellschaft kann somit nicht übernehmende Gesellschaft sein. Der Gesetzesentwurf geht damit leider nicht – anders als beispielsweise in Deutschland – über den sekundärrechtlichen Mindeststandard hinaus, was für die Praxis eine erhebliche Einschränkung bedeuten würde.

Im Einzelnen sind sowohl grenzüberschreitende Aufspaltungen zur Neugründung als auch grenzüberschreitende Abspaltungen zur Neugründung möglich; als weitere Unterart ist die grenzüberschreitende Ausgliederung zur Neugründung vorgehsehen (bei der er sich strukturell um eine Down-stream-Abspaltung handelt, bei der die Anteile an der neu gegründeten Gesellschaft der spaltenden Gesellschaft gewährt werden).

Der Entwurf unterscheidet hinsichtlich der anwendbaren Rechtsvorschriften in weiterer Folge wieder zwischen der „Hinaus-Spaltung“ und der „Herein-Spaltung“. Systembedingt sind insbesondere bei der „Hinaus-Spaltung“ detaillierte Regelungen vorgesehen, zB hinsichtlich Kapitalerhaltung, Gläubigerschutz, Gesellschafterschutz oder Arbeitnehmermitbestimmung. Die Regelungen zur „Herein-Spaltung“ verweisen weitgehend auf die innerstaatlichen Gründungsvorschriften für Kapitalgesellschaften.

Wie bei den anderen geregelten Umgründungsarten ist eine verpflichtende „Missbrauchskontrolle“ vorgesehen.

4.     Ausblick: Änderungen (Umgründungs-)Steuerrecht

Der Entwurf des GesMobG sieht lediglich gesellschaftsrechtliche Änderungen vor. Steuerrechtliche Begleitregelungen sind darin nicht enthalten; es ist allerdings zu erwarten, dass auch solche folgen werden.

Dies betrifft insb Art VI UmgrStG, welcher grenzüberschreitende Spaltungen bislang nicht adressiert. Vor allem gibt es darin keine expliziten steuerlichen Entstrickungs- und Verstrickungsregelungen; auch einzelne Anpassungen an die EU-Fusionsrichtlinie – die schon bisher grenzüberschreitende Spaltungen teilweise umfasst – wären wohl naheliegend.

Die „Herein-Umwandlung“ und die „Heraus-Umwandlung“ stellen im Übrigen keine vom UmgrStG umfasste Umgründung dar (es handelt sich insb nicht um eine Umwandlung iSd Art II UmgrStG). Vielmehr hätte eine solche wohl allenfalls eine Wegzugs- oder Zuzugsbesteuerung nach allgemeinem Ertragsteuerrecht zur Folge (§ 6 Z 6 EStG). Ob und inwieweit es idZ zu steuerlichen Änderungen kommen wird, bleibt abzuwarten.

Interessant wird schließlich sein, wie die „Missbrauchskontrolle“ aus steuerlicher Sicht künftig umgesetzt wird. Die Erläuterungen zum Ministerialentwurf halten dazu fest, das Gericht sei an einen Auskunftsbescheid iSd § 118 Abs 2 Z 5 BAO gebunden, sofern ein solcher vorgelegt wird. Die Gesellschaft sei zu dieser Vorlage zwar nicht verpflichtet, könne dadurch aber einen wichtigen Beitrag zur Vereinfachung der gerichtlichen Missbrauchsprüfung leisten.

Weitere Inhalte