Anwendung des Progressionsvorbehalts trotz DBA-rechtlicher Ansässigkeit im Ausland

Tax News 01-02/2023

Internationales Steuerrecht

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Bei der Veranlagung eines nach nationalem Recht in Österreich unbeschränkt Steuerpflichtigen, dessen Mittelpunkt der Lebensinteressen und DBA-rechtliche Ansässigkeit sich aber im Ausland befinden, dürfen jene Einkünfte, die nach dem anwendbaren DBA dem Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates unterliegen, im Rahmen des Progressionsvorbehaltes berücksichtigt werden. 

VwGH 07.09.2022, Ra 2021/13/0067

In dem diesem VwGH-Erkenntnis zu Grunde liegenden Sachverhalt verfügte eine Steuerpflichtige über Wohnsitze in Österreich und der Türkei. Nach nationalem österreichischem Recht war sie auf Grund des Wohnsitzes in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig; nach dem anwendbaren DBA war sie aber aufgrund des dortigen Mittelpunkts der Lebensinteressen in der Türkei ansässig. Der VwGH kam zu dem Schluss, dass Österreich bei der Ermittlung des Steuersatzes für die der Inlandsbesteuerung verbleibenden Einkünfte die DBA-rechtlich dem Ansässigkeitsstaat zugewiesenen Einkünfte im Rahmen des Progressionsvorbehaltes berücksichtigen darf.

Begründet wurde dies vom VwGH mit der bloßen Schrankenwirkung von DBA: Nach dem innerstaatlichen Recht unterliegen unbeschränkt Steuerpflichtige der Besteuerung ihres Welteinkommens, auf dessen Grundlage sich der anzuwendende Steuerersatz errechnet. Das DBA führt nur dazu, dass der Teil des Einkommens, der durch das DBA der Inlandsbesteuerung entzogen wird, aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden ist. Es schließt aber die Anwendung des Progressions­vorbehalts für den Quellenstaat Österreich nicht aus, sodass der auf Basis des Gesamteinkommens ermittelte Durchschnittsteuersatz auf das der Inlandsbesteuerung verbleibende Einkommen anzuwenden ist.

Die Verwaltungspraxis hatte für die Fallkonstellation nichtansässiger unbeschränkt Steuerpflichtiger bislang die Nichtanwendung des Progressionsvorbehalts zugelassen (EStR Rz 7595). Nach dem Entwurf des Einkommensteuerrichtlinien-Wartungserlasses 2023 soll im Gefolge der VwGH-Entscheidung aber bereits ab der Veranlagung für das Jahr 2022 auch in solchen Fällen die Berücksichtigung der nicht dem inländischen Besteuerungsrecht unterliegenden Einkünfte im Rahmen des Progressionsvorbehaltes zur Ermittlung des auf die dem inländischen Besteuerungsrecht zugewiesenen Einkünfte anwendbaren Steuersatzes erfolgen.

Demensprechend ist nunmehr für Zwecke der Ermittlung des auf die DBA-rechtlich dem inländischen Besteuerungsrecht zugewiesenen Einkünfte anwendbaren Steuersatzes ein unterjähriger DBA-rechtlicher Ansässigkeitswechsel irrelevant, wenn während des gesamten Veranlagungszeitraums durchgehend unbeschränkte Steuerpflicht besteht. Nur wenn in Österreich keine unbeschränkte Steuerpflicht besteht, zB mangels Wohnsitzes oder aufgrund der Anwendbarkeit der Zweitwohnsitzverordnung, sind hierfür (weiterhin) nur die DBA-rechtlich der Inlandsbesteuerung zugewiesenen Einkünfte relevant.

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