„Amount B“ – Verrechnungspreis-Support für Vertriebsgesellschaften durch standardisiertes Benchmarking?

Tax News 01-02/2023

Internationales Steuerrecht

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Etwas verborgen hinter der öffentlichen Aufmerksamkeit für die globale Mindestbesteuerung („Pillar Two“ bzw „GloBE“) und die Marktstaatenbesteuerung für die Global Big Players („Amount A“ unter „Pillar One“) entwickelt sich aktuell ein weiteres Thema zur Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung auf Ebene der OECD/G20: „Amount B“ soll – auch für kleinere und mittelständische Konzerne – ein Hilfsmittel zur Erstellung eines standardisierten, vereinfachten Fremdvergleichs für Vertriebseinheiten darstellen.

Internationale Steuerreform unter der Ägide von OECD/G20

Die OECD/G20 haben sich seit einigen Jahren dem gemeinsamen Kampf gegen unerwünschte Gewinnverkürzungen und Gewinnverlagerungen (Base Erosion and Profit Shifting, kurz: BEPS) verschrieben. Zu diesem Zweck wurde ein breiter internationaler Schulterschluss im Rahmen des sogenannten „Inclusive Framework on BEPS“, welchem bis dato mehr als 140 Staaten und Territorien angehören, erreicht. Thematisch wird die aktuelle BEPS-Agenda vor allem durch die geplante Umsetzung eines Zwei-Säulen-Modells dominiert. Während die zweite Säule („Pillar Two“) mit der geplanten Einführung einer globalen Mindestbesteuerung („GloBE“) – nicht zuletzt auch aufgrund der mittlerweile in der EU erzielten Einigkeit – bereits in das Bewusstsein der größeren österreichischen Unternehmensgruppen gelangt ist, scheint die erste Säule („Pillar One“) in der österreichischen Wirtschaft noch kaum Aufmerksamkeit zu erregen. Dies mag vor allem daran liegen, dass derzeit insbesondere „Amount A“ (dh die präsenzunabhängige Zuordnung von Steuersubstrat zu Marktstaaten) im Zentrum der Aufmerksamkeit von Pillar One steht und dieser neue Ansatz vorerst nur für die ganz großen Global Players (dh Konzerne mit mehr als 20 Milliarden Euro Umsatz und mehr als 10 % Profitabilität) gelten soll. Damit wäre derzeit (zumindest was die Umsatzschwelle anbelangt) wohl lediglich ein österreichischer Konzern von „Amount A“ betroffen. Allerdings wird in der laufenden Diskussion oft vernachlässigt, dass „Pillar One“ noch eine zweite Komponente, den sogenannten „Amount B“ vorsieht und dieser nach aktueller Konzeption völlig größenunabhängig zur Anwendung gelangen soll. Insoweit könnte daher „Amount B“ im Rahmen der ersten Säule („Pillar One“) sehr wohl auch für österreichische Konzerne relevant werden – im Extremfall bereits ab 2024.

Was ist „Amount B“?

Nach derzeitigem Stand (dh auf Basis des OECD Konsultationspapiers vom 8. Dezember 2022) soll „Amount B“ fremdübliche Vergütungsniveaus (zB Nettomargen ermittelt als EBIT/Umsatzerlöse) für einfache Konzernvertriebseinheiten festlegen. Die Grundidee von „Amount B“ besteht also darin, standardisierte Benchmarks konzerninterner Distributoren zu definieren und für die Fremdvergleichsprüfung („arm’s length test“) heranzuziehen. Davon erfasst werden sollen vor allem einfache Konzernvertriebsgesellschaften (dh Eigenhändler mit schlankem Funktions- und Risikoprofil, sogenannte Low bzw Limited Risk Distributors, kurz: LRDs) sowie unter Umständen auch bloße Kommissionäre und Handelsvertreter (Agenten). Zur Abgrenzung der betroffenen Vertriebseinheiten sieht die OECD eine ganze Reihe konkreter „scoping criteria“ vor, die zum Teil qualitativ (zB Ausschluss bestimmter Funktionen und Risiken) und zum anderen Teil quantitativ (zB maximal zulässige relative Größe von Kunden bzw Auslandsmärkten) anknüpfen. Im Einzelnen dürfte es hier aber noch einiges an Diskussionsbedarf geben. Dies gilt auch für weitere Scoping-Überlegungen etwa im Hinblick darauf, welche Branchen generell ausgeschlossen werden sollen (Anm.: nach aktueller Konzeption wäre der Vertrieb von Rohstoffen bzw digitaler Produkte / Software nicht umfasst) bzw ob nur Großhändler oder auch Einzelhändler einbezogen werden sollen (nach aktueller Konzeption wären nur Großhändler „in scope“).

Wie hoch ist „Amount B“?

Die Grundidee des „Amount B“ besteht darin, den betroffenen („in-scope“) Konzernvertriebseinheiten (wie auch den Finanzverwaltungen) vergleichsweise einfachen Zugang zu konkret anwendbaren Fremdvergleichsdaten zu gewähren. Zu diesem Zweck entwickelt die OECD derzeit eine eigene „pricing methodology“, welche letztlich darauf abzielt, konkrete Fremdvergleichswerte bzw entsprechende Bandbreiten zu ermitteln und allgemein zur Verfügung zu stellen. Gewonnen werden sollen diese Vergleichsdaten aus jenen Datenbanken, welche schon heute in der Verrechnungspreispraxis für Benchmarkingzwecke üblicher Weise zur Verwendung kommen (BvD Orbis Datenbank). Dabei versucht sich die OECD auch in einer Vereinheitlichung der für das Datenbankscreening relevanten Kriterien bzw Suchstrategie (zB des maßgebenden Schwellenwerts für das Unabhängigkeitsscreening; Anm.: hier ist aktuell abweichend von § 6 Z 6 EStG ein Unabhängigkeits-Grenzwert von 50 % vorgesehen). Sollte „Amount B“ tatsächlich in der geplanten Form vorangetrieben und implementiert werden, hätten die „in-scope“ Konzernvertriebseinheiten künftig einen deutlich vereinfachten Zugang zu steuerlich maßgebenden Fremdvergleichswerten.

Mögliche Auswirkungen auf die Praxis

Vor diesem Hintergrund erscheint es zunächst keineswegs übertrieben, „Amount B“ ein erhebliches Potenzial zur signifikanten Vereinfachung der steuerlichen Verrechnungspreispraxis (und damit der Tax Compliance) sowie der Erhöhung von Steuersicherheit durch Vermeidung von Besteuerungsstreitigkeiten zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltungen zuzuerkennen. Die tatsächliche Nutzung dieses Potenzials wird allerdings davon abhängen, wie viel von dieser Grundidee nach dem „Tauziehen“ im internationalen Verhandlungsprozess letztlich noch übrigbleibt. Denn wirklich relevant kann ein solches Standard-Angebot an Verrechnungspreis-Benchmarks für Vertriebseinheiten nur dann sein, wenn es international möglichst flächendeckend und einheitlich zur Verfügung steht. Ein „Fleckerlteppich“, wie er sich bei der Umsetzung des ersten BEPS-Projekts (2015) in den weltweiten Doppelbesteuerungsabkommen durch das jeweils bilateral länderbezogene An- und Abwählen einzelner Maßnahmen (im Multilateralen Instrument, kurz: MLI) letztlich ergeben hatte, wäre zweifellos nachteilig für die Durchsetzungskraft von „Amount B“. Andererseits bleibt zu hoffen, dass „Amount B“ keine notwendige (uU verbindlich vorgeschriebene) Pflichtübung für alle „in-scope“ Gesellschaften wird, sondern künftig als optionales Angebot („Safe Harbour“) für die Steuerpflichtigen zur Verfügung steht.

Was man aus Praxissicht vermutlich auf keinen Fall erwarten darf, ist eine umfassende Entspannung des Verrechnungspreisthemas im Zusammenhang mit konzerninternen Vertriebseinheiten. Denn selbst nach Umsetzung von „Amount B“ werden umfangreiche Dokumentationspflichten bestehen. Zusätzlich dürften sich die Diskussionen insbesondere auch darauf fokussieren, ob die jeweils betroffene Konzerngesellschaft nun tatsächlich „in-scope“ ist oder doch nicht. Weiters wird bei „in-scope“ Gesellschaften, welche ergebnis- bzw margenmäßig außerhalb des „Amount B“-Korridors zu liegen kommen, der – steuerrechtlich wohl jedenfalls zulässige – Freibeweis durch eigene Benchmarkstudien, interne Fremdvergleiche (zB Preisvergleiche) oder sonstige Verrechnungspreisanalysen (etwa in Verlustsituationen) Bedeutung erlangen.

Andererseits ist zu erwarten, dass einmal veröffentlichte Fremdvergleichswerte in der Konzern- und Betriebsprüfungspraxis wohl selbst dann eine gewisse Rolle als Orientierungshilfe spielen werden, wenn die konkret betroffene Konzerngesellschaft an sich (aufgrund ihres konkreten Funktions- und Risikoprofils) gar nicht „in-scope“ ist. Insofern ist zu befürchten, dass sich etwa auch der Druck auf jene vertriebsseitigen Verrechnungspreismodelle erhöhen wird, die aktuell (uU zurecht) aufgrund des stark eingeschränkten Funktions- und Risikoprofils keine umsatzbezogene Vergütung (zB in Gestalt einer EBIT-Marge) vorsehen, wie etwa Cost-Plus Vereinbarungen für bloße Sales Support Gesellschaften.

Angesichts des zeitlich immer noch ambitionierten Plans zur Umsetzung von „Amount B“ ist die Praxis jedenfalls gut beraten, die aktuellen Entwicklungen aufmerksam mitzuverfolgen. Im Rahmen des Dialogprozesses zwischen KSW und BMF haben wir jedenfalls – neben dem unmittelbar fachlichen und technischen Input – auch darauf verwiesen, dass die Konzernpraxis vor der tatsächlichen Umsetzung des „Amount B“ jedenfalls einen ausreichenden Anlaufzeitraum zur Implementierung benötigen wird und somit die geplante Anwendbarkeit bereits ab 2024 äußerst ambitioniert erscheint.

Zur Einordnung der Ergebnisse des von Seiten der OECD intendierten standardisierten Benchmarkings für Routinevertriebseinheiten, wurde die im Konsultationsdokument enthaltene Suchstrategie von KPMG nachgebildet. Die sich ergebenden Bandbreiten an EBIT-Margen unterscheiden sich dabei durchaus erheblich in Abhängigkeit von Branche und Region. Auch wenn die enthaltene Suchstrategie noch nicht als final anzusehen ist, liefern die Ergebnisse gute Anhaltspunkte für die mögliche künftige Ausgestaltung der sodann als fremdüblich zu erachteten „Amount B“-Bandbreiten für Routinevertriebsfunktionen. Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich bereits jetzt ein proaktiver Abgleich mit den in bestehenden VP-Modellen resultierenden Gewinnen / Margen.

Gerne unterstützt Sie ihr KPMG-Berater bei einer diesbezüglichen Erstanalyse.

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