Ausgabe von Gutscheinen an Mitarbeiter:innen kein Eigenverbrauch

Tax News 11-12/2022

Umsatzsteuer

Kletterer

Am 17. November 2022 wurde das EuGH Urteil zur Rechtssache GE Aircraft Engine Services (C-607/20) veröffentlicht. Der EuGH musste sich in dieser Rechtssache mit der Frage beschäftigen, ob die Ausgabe von Gutscheinen an Mitarbeiter:innen zu einer Eigenverbrauchsbesteuerung führt. Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass wenn der Vorteil, der sich für die Mitarbeiter:innen ergibt, von untergeordneter Bedeutung im Vergleich zu dem Vorteil, den das Unternehmen aufgrund der Ausgabe der Gutscheine erhält, ist, die Gutscheine nicht zur Eigenverbrauchsbesteuerung führen.

Die britische Gesellschaft GEAES ist im Bereich der Herstellung von Flugzeugtriebwerken tätig und Teil des GE Konzerns. Der GE Konzern führte ein Programm mit der Bezeichnung „Above & Beyond“  ein, mit dem Mitarbeiter:innen, die die besten Leistungen erbracht haben, ausgezeichnet und belohnt werden sollten. Die Nominierung für eine Auszeichnung iZd des „Above & Beyond“ Programms erfolgte durch andere Mitarbeiter:innen.

Das „Above & Beyond“ Programm bestand aus einem dreistufigem Prämiensystem: Die höchste Prämie bestand aus einer Barauszahlung, die mittlere Prämie war ein Gutschein und als niedrigste Prämie erhielten die Mitarbeiter:innen eine Urkunde. Im gegenständlichen Fall war ausschließlich die Ausgabe Gutscheine iZm der mittleren Prämie fraglich. Wurde ein/-e Mitarbeiter:in mit einer solchen Prämie ausgezeichnet, konnte er/sie sich einen Gutschein über eine Website aus einer Liste von Einzelhändlern aussuchen, bei denen der Gutschein eingelöst werden konnte. Der Websitebetreiber kaufte Gutscheine bei dem jeweiligen Einzelhändler und verkaufte die Gutscheine an den GE Konzern, der sie an die weiteren Konzerngesellschaften, uA GEAES, verkaufte.

Aufgrund der Ausgabe dieser Gutscheine wurden GEAES und weitere 19 Mitglieder des GE Konzerns von der britischen Steuerverwaltung zur Mehrwertsteuer veranlagt. Dabei vertrat die Steuerverwaltung die Ansicht, dass GEAES und die anderen Mitglieder des GE Konzerns auf den Wert dieser Gutscheine Mehrwertsteuer erklären müssten.

Fraglich war, ob die Gutscheine, die unentgeltlich als Belohnung iZd „Above & Beyond“ Programms an Mitarbeiter:innen verteilt wurden, unter die Eigenverbrauchsbesteuerung gem Art 26 Abs 1 lit b MwStSyst-RL zu subsumieren sind. Zweck dieser Norm ist die Gleichstellung von Waren und Dienstleistungen, die Unternehmer für den privaten Bedarf oder den privaten Bedarf des Personals verwenden und Waren und Dienstleistungen, die für Dritte gegen Entgelt erbracht werden. Eine Besteuerung des Eigenverbrauchs ist notwendig, wenn der Unternehmer den Vorsteuerabzug beim Erwerb der Waren geltend gemacht hat.

Um festzustellen, ob es sich bei der Ausgabe von Gutscheinen um den privaten Bedarf des Personals handelt oder ob die Ausgabe betrieblich veranlasst war, muss die Art und das Ziel des „Above & Beyond“ Programms untersucht werden. Das „Above & Beyond“ Programm wurde mit dem Ziel konzipiert, die Leistung der Mitarbeiter:innen zu steigern und damit zu einer besseren Rentabilität des Unternehmens beizutragen. Bei alleiniger Berücksichtigung der Verwendung der in Rede stehenden Einkaufsgutscheine, wäre davon auszugehen, dass die Gutscheine den privaten Bedarf der Mitarbeiter:innen befriedigen, obwohl der Arbeitgeber keinen Einfluss darauf hat, welche Gutscheine und daraus bedingt welche Waren sich die Mitarbeiter:innen aussuchen. Dennoch dürfte der Vorteil, der sich für die Mitarbeiter:innen ergab, gegenüber dem Vorteil, den GEAES durch die Ausgabe der Gutscheine erhielt nur von untergeordneter Bedeutung gewesen sein. Aufgrund dieser Abwägung zugunsten den unternehmerischen Bedürfnissen entschied der EuGH, dass die Gutscheine nicht für unternehmensfremde Zwecke ausgegeben wurden und daher nicht der Eigenverbrauchsbesteuerung gem Art 26 Abs 1 lit b MwStSyst-RL unterliegen.

Ausblick

Obwohl der EuGH in diesem Urteil festhält, dass die unentgeltliche Zuwendung von Gutscheinen an Mitarbeiter:innen im vorliegenden Fall nicht zur Eigenverbrauchsbesteuerung führt, stellt er keine klaren Kriterien auf, wann die unentgeltliche Ausgabe von Gutscheinen als für „nicht unternehmensfremde Zwecke“ gilt. Da der EuGH insbesondere auf die Art und das Ziel eines Belohnungsprogramms abstellt, dürfte der subjektive Wille des Unternehmers zur Einführung eines solchen Belohnungsprogrammes ausschlaggebend sein. Die Entscheidung, ob die Ausgabe von Gutscheinen der Eigenverbrauchsbesteuerung zu unterziehen ist oder nicht, ist demnach eine Einzelfallentscheidung, die nicht anhand von objektiven Kriterien getroffen werden kann. Diese subjektive Argumentation führt zu Rechtsunsicherheit bei Unternehmen.

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