Drastisch reduzierte russische Gaslieferungen, hohe Inflation und eine international rückläufige Konjunktur. Es herrschen krisenreiche und unsichere Zeiten, keine Frage. Doch Abgesänge sind trotz der aktuellen Herausforderungen weder angebracht noch hilfreich.

Vorlaufindikatoren weisen nach einem starken ersten Halbjahr bereits auf einen Rückgang der Wirtschaftsleistung hin, der für das vierte Quartal 2022 und das erste Quartal 2023 erwartet wird. Obwohl für 2022 noch rund 4 Prozent Wachstum angenommen werden, sind die Erwartungen für 2023 verhaltener – aktuelle Prognosen pendeln zwischen einer leichten Rezession für das Gesamtjahr, jedenfalls aber einer Wachstumsrate von deutlich unter einem Prozent.

Die Aussichten wären allerdings deutlich pessimistischer, wenn nicht eine Phalanx an staatlichen Unterstützungen aufgefahren würde, um den Folgen der COVID-19-Pandemie und den Nebenwirkungen der Inflation Herr zu werden.

Für die Krise gewappnet

Die Zahlen können sich sehen lassen. So wurde alleine für COVID-19-Hilfen in Österreich 15,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausgegeben. Viele Instrumente, wie etwa die Kurzarbeit, sind nach wie vor im Einsatz. Andere Maßnahmen zur Abmilderung der Folgen von Inflation und hohen Energiepreisen sind entweder schon umgesetzt oder befinden sich in Diskussion.

Durch diese Stützungen wird es möglich sein, in vielen Bereichen Härtefälle abzufedern und sozial nachhaltige Abmilderung zu erzielen. In Österreich haben wir dabei das Privileg und die glückliche Lage, uns das (noch) leisten zu können.

Was in der öffentlichen und politischen Diskussion oftmals fehlt, ist die Wertschätzung dieses Privilegs. So angespannt die Rahmenbedingungen auch sind – eine Perspektive mit Nullwachstum 2023 und anschließend langsamer Erholung, hinreichend fiskale „Feuerkraft“ zur Stützung der Kaufkraftverluste und ein intaktes Sozialversicherungssystem sind keine Selbstverständlichkeit.

Ein äußerst robuster Arbeitsmarkt ist – trotz der Rahmenbedingungen – ein wichtiges Beispiel dafür. So werden – trotz Rezessionserwartung – Arbeitslosenraten von 4,6 Prozent für 2022 und 2023 erwartet.

Selbst wenn sich das Szenario eines vollständigen Gaslieferstopps aus Russland manifestiert und in Folge die Rezession 2023 deutlich schwerwiegender wäre (Rezession von -3 bis -4 Prozent sind möglich), sind weder Private noch Unternehmer:innen sich selbst überlassen.

Ein Realitätscheck

Das Vermitteln von apokalyptischen Perspektiven ist demnach nicht nur verfrüht, sondern auch fehl am Platz. Es ist klar, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu spürbaren Auswirkungen führen werden. Es wird jedenfalls Wohlstands- bzw Vermögensverluste geben. Auch die Energiepreise werden so schnell nicht wieder zurückgehen (vor allem auch deshalb, weil – nachhaltig gedacht – Energie vor den Preisanstiegen viel zu billig war). Trotzdem müssen diesen Umständen bereits heute bei den Staatsausgaben Sorge getragen werden, um von der Gießkanne wegzukommen und zukünftig finanziellen Spielraum zu schaffen. So können die strukturellen Herausforderungen, wie beispielsweise der Fachkräftemangel oder Green Transition gemeistert werden.

Themen gibt es genug – vor allem aber auch Chancen. Es lohnt sich durchaus, in der aktuell sehr angespannten Situation die „bright sides“ nicht aus dem Blick zu ­verlieren.