BFG: Anforderungen an ein Sachverständigengutachten zum Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer bei vermieteten Gebäuden

Tax News 10/2022

Immobilien

Kletterer

Grundsätzlich beträgt der gesetzliche Abschreibungssatz für zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzten Gebäuden 1,5 %, was einer Nutzungsdauer von 66,67 Jahren entspricht. Mittels Sachverständigengutachten kann eine kürzere Nutzungsdauer nachgewiesen werden. Das Bundesfinanzgericht entschied nun erneut, dass an ein solches Gutachten strenge Anforderungen zu stellen sind. Insbesondere muss das Gutachten auf den Zeitpunkt der erstmaligen Vermietung Bezug nehmen und der Zusammenhang zwischen festgestellten Mängeln und der angesetzten Nutzugsdauer nachvollziehbar dargelegt werden. 

Die Nutzungsdauer eines Gebäudes, das zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dient, wird vom Einkommensteuergesetz grundsätzlich mit 66,67 vermutet. Dies entspricht einem Abschreibungssatz iHv 1,5 %. Eine für den Steuerpflichtigen vorteilhaftere kürzere Nutzungsdauer kann mit einem Gutachten über den technischen Bauzustand des Gebäudes erreicht werden. Das Bundesfinanzgericht äußerte sich in einer unlängst ergangenen Entscheidung (22.08.2022, RV/1100038/2020) zu den strengen Anforderungen, die an ein solches Gutachten zu stellen sind.

1. BFG vom 22.08.2022, RV/1100038/2020

Im gegenständlichen Fall vermietete die Beschwerdeführerin („Bf“) ab September 2016 ein Einfamilienhaus. Im Zusammenhang mit dieser Vermietung wurde durch die Bf bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf Basis eines Sachverständigengutachtens, erstellt im Juli 2018, eine Absetzung für Abnutzung in Höhe von 2 % der fiktiven Anschaffungskosten geltend gemacht. Das Finanzamt akzeptierte jedoch nur den in § 16 Abs 1 Z 8 lit d EStG normierten Abschreibungssatz iHv 1,5 % und erachtete das Gutachten als nicht zum Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer geeignet.

Das BFG teilte in seinem Erkenntnis die Ansicht des Finanzamts und begründete dies damit, dass sich bei dem im Juli 2018 erstellten Gutachten kein Rückbezug auf den Zeitpunkt der erstmaligen Vermietung, September 2016, fand, wodurch es als methodisch verfehlt anzusehen sei. Des Weiteren wurde beim Besichtigungstermin des Gutachters vor Ort keine Baustoff- oder Bauteilprüfung vorgenommen. Die Beurteilung beruhte somit nicht auf einer in die Tiefe gehenden Analyse, sondern weitestgehend offenbar auf optischen Wahrnehmungen. Es wurde auch nicht dargelegt, ob durch wirtschaftlich vertretbare Maßnahmen Mängel behoben werden könnten.  Durch Formulierungen wie „deutet hin“ oder „höchstwahrscheinlich“ wurde der zu allgemeine Eindruck des Gutachtens verstärkt.

Der vom VwGH in ständiger Rechtsprechung verlangte nachvollziehbare Bezug zwischen Befund und angesetzter Restnutzungsdauer war im beigebrachten Gutachten nach Ansicht des BFG somit nicht vorhanden, insbesondere da nicht erkennbar war, wie von den festgestellten Mängeln auf die konkrete Nutzungsdauer von maximal 50 Jahren geschlossen werden kann.

2. Geeignetes Gutachten zum Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer

Die Beweislast für die Widerlegung der gesetzlich normierten Nutzungsdauer (66,67 Jahre bzw. 40 Jahre) trifft den Steuerpflichtigen. Der Nachweis ist durch ein schlüssiges Sachverständigengutachten zu erbringen, an das strenge Anforderungen zu stellen sind. Ein vorgelegtes Gutachten unterliegt dabei der freien Beweiswürdigung der Finanzverwaltung.

Nach Ansicht des VwGH muss ein Gutachten jedenfalls auf den konkreten Bauzustand eingehen und ein nachvollziehbarer Bezug zwischen den festgestellten (Bau-)Mängel und Restnutzungsdauer laut Gutachten hergestellt werden. Außerdem muss das Gutachten bei der Beurteilung der Restnutzungsdauer auf den Zeitpunkt der erstmaligen Vermietung abstellen. Ein nachträglich erstelltes Gutachten, welches von der Restnutzungsdauer im Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens ausgeht, ist somit methodisch verfehlt. Wie der gegenständliche Fall zeigt ist auch entsprechend auf die Formulierung des Gutachters zu achten.

Um sicherzustellen, dass ein Gutachten zum Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer den von der Finanzverwaltung und Rechtsprechung geforderten Ansprüchen genügt empfiehlt es sich daher in jedem Fall, dieses im Vorfeld hinsichtlich seiner diesbezüglichen Eignung aus steuerrechtlicher Sicht genauer zu analysieren. Hierfür sowie für weitere Fragen zu diesem Thema steht Ihnen Ihr KPMG-Berater jederzeit gerne zur Verfügung.

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