BFG zu konkludenter Selbstanzeige und Schätzung: Selbst bei unvollständiger Schadensgutmachung vollständige Strafaufhebung denkbar
Tax News 07-09/2022
Finanzstrafrecht
Die nachträgliche Entrichtung einer verkürzten Abgabe kann im Einzelfall eine konkludente Selbstanzeige darstellen. Eine zu niedrige Schätzung und daher zu niedrige Nachzahlung des verkürzten Betrages kann im Zweifel vollständig strafaufhebend sein (BFG 15.09.2021, RV/5300007/2020).
1. Sachverhalt: Langjährige USt-Hinterziehung
Der Komplementär einer KG war ein „langjähriger und erfahrener, wenngleich wirtschaftlich glückloser Geschäftsmann“. Sowohl gegen ihn als auch die KG wurden in den vergangen Jahren Strafen bzw Verbandsgeldbußen verhängt.
Im Feber 2020 verhängte die Finanzstrafbehörde erneut eine Verbandsgeldbuße gegen die KG: Abgabenhinterziehung iZm mehreren UVA-Zeiträumen in den Jahren 2017 und 2018 (§ 33 Abs 2 lit a FinStrG). Da der Komplementär als verbandsverantwortlicher Gesellschafter unternehmerisch tätig sei, wisse er über die Verpflichtung betreffend Umsatzsteuer Bescheid. Darüber hinaus sei aufgrund der Vorstrafen iZm diversen Umsatzsteuerdelikten vorsätzliches (wissentliches) Vorgehen erwiesen.
2. BFG zu UVA 01/2018: Geschätzte, konkludente Selbstanzeige
Das BFG bejahte die grundsätzliche Möglichkeit einer konkludenten Selbstanzeige. Dabei ist im Einzelfall zu klären, ob die Voraussetzungen einer Selbstanzeige (§ 29 FinStrG) vorliegen. Das Gericht prüfte die einzelnen UVA-Zeiträume im Detail.
UVA 01/2018:
- Bis zum 15.3.2018: Weder UVA übermittelt noch Vorauszahlung (VZ) geleistet.
- 29.03.2018: Überweisung eines offensichtlich geschätzten Betrages iHv EUR 1.000 mit Verrechnungsweisung UVA 01/2018.
- 11.06.2018: Festsetzung geschätzter Zahllast iHv EUR 2.500 am Abgabenkonto.
- 22.09.2018: Festsetzung UVA 01/2018 iHv EUR 1.183,70 nach erfolgter Außenprüfung.
Die Zahlung vom 29.3.2018 iHv EUR 1.000 wurde seitens des BFG als konkludente Selbstanzeige gewertet: „Dieser Vorgang impliziert im Zweifel einen Willen zur Schadensgutmachung bzw zur Bereinigung der Situation, weshalb der Zahlung der Aspekt einer konkludenten Selbstanzeige im Sinne des § 29 FinStrG, auch zugunsten des belangten Verbandes, zugedeutet wird.“
Dass der Komplementär bei Entrichtung des Betrages iHv EUR 1.000,00 ernsthaft damit gerechnet hat, nicht die gesamte Zahllasthöhe abzudecken, konnte mit der für ein Finanzstrafverfahren erforderlichen Sicherheit NICHT nachgewiesen werden. Daher war nach der Rsp des BFG im Zweifel von einer vollständig strafaufhebenden Selbstanzeige auszugehen. Das anhängige Finanzstrafverfahren hinsichtlich der UVA 01/2018 war daher einzustellen. Dass der Differenzbetrag iHv EUR 183,70 weiterhin nicht beglichen war, erwies sich dabei als nicht schädlich.
3. Ergebnis: Geschätzte, konkludente Selbstanzeige möglich – Schriftsatz vorteilhaft
Durch die Zahlung eines geschätzten Abgabenbetrages mittels Verrechnungsweisung kann im Einzelfall Strafbefreiung erzielt werden. Trotz der grundsätzlichen Möglichkeit konkludenter Selbstanzeigen ist aus finanzstrafrechtlicher Vorsicht in der Praxis einem umfassenden Selbstanzeigenschriftsatz der Vorzug zu geben. Einige Vorteile:
- Ausdehnung „Schutzschirm“: Nennung eines größeren Personenkreises – sofern notwendig
- Verringerung Diskussionspotential: Klare Bezeichnung der gesetzlichen Anwendungsvoraussetzungen
- Wirksamkeit Schätzung: Darlegung und Erläuterung einer allfällig notwendigen Schätzung – Ansatz eines finanzstrafrechtlichen Sicherheitszuschlages
- Absicherung rechtzeitige Schadensgutmachung: Beantragung von Zahlungserleichterungen (Stundung, Ratenzahlung)
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