BFG bestätigt die Anwendbarkeit der COVID-19 Gebührenbefreiung auch auf privatwirtschaftliche Vereinbarungen

Tax News 07-09/2022

Immobilien

Kletterer

Nach Ansicht des BFG Wien entspricht es dem Sinn und Zweck des § 35 Abs 8 GebG, dass auch bei Rechtsgeschäften zwischen nicht-hoheitlichen Personen, die zur Bewältigung der COVID-19 Krisensituation abgeschlossen wurden, ein mittelbarer Zusammenhang mit Maßnahmen iSd § 3 Abs 1 Z 9 COVID-19-Fondsgesetz ausreichend ist, um die Gebührenbefreiung in Anspruch zu nehmen. Dabei ist der Nachweis zu führen, dass das konkrete Rechtsgeschäft zur Bewältigung der Krise geeignet ist. 

§ 35 Abs 8 GebG enthält eine (temporäre) Gebührenbefreiung für Schriften und Amtshandlungen, die mittelbar oder unmittelbar aufgrund der erforderlichen Maßnahmen iZm der Bewältigung der COVID-19 Krisensituation erfolgen, und für Rechtsgeschäfte, die zur Durchführung der Maßnahmen iZm der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation notwendig sind. Die Bestimmung wurde mehrfach geändert und auch der zeitliche Anwendungsbereich wurde ausgedehnt (derzeit bis 30. Juni 2022).

Im dem dem BFG-Urteil zugrunde liegenden Fall, wurde ein Mietvertrag über ein Hotel verlängert und die entsprechende Vereinbarung dem Finanzamt als Nachtrag zum bestehenden Mietvertrag angezeigt. In der Nachtragsvereinbarung wurde auf die Bestimmung des § 35 Abs 8 GebG verwiesen. Neben dem Nachtrag haben die Vertragsparteien auch eine Vereinbarung über einen teilweisen Mietverzicht, Mietreduktionen und Stundungen für Zeiträume die von COVID-19 bedingten Schließungen betroffen waren, geschlossen. Der Nachtrag zum Mietvertrag enthielt allerdings keine Bezugnahme auf diese Vereinbarung.

Die Finanzverwaltung hat vertreten, dass die Gebührenbefreiung des § 35 Abs 8 GebG nur dann anwendbar ist, wenn es sich um Rechtsgeschäfte handelt, die zur Durchführung der Maßnahmen iZm der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation notwendig sind und es sich bei diesen Maßnahmen um behördliche Maßnahmen handelt (zB Lazarett in der Messe Wien, Anmietung von Räumlichkeiten zur Durchführung von Testungen). Vereinbarungen von Privaten, wie insbesondere Nachträge zu Geschäftsraummietverträgen, die nach Reduktion oder Entfall des Mietentgeltes während einer Lockdown-Phase eine Verlängerung der Bestanddauer vorsehen, seien – als freiwillige privatrechtliche Vereinbarungen zwischen Mieter und Vermieter – nicht von der Gebührenbefreiung erfasst.

Diese Ansicht wird vom BFG nach Analyse der Gesetzwerdung/-abänderung und insbesondere der Begründung des Initiativantrags zum 3. COVID-19 Gesetz nicht geteilt. Das BFG weist darauf hin, dass § 35 Abs 8 GebG (gemeint wohl in dem für Rechtsgeschäfte maßgeblichen letzten Satz) keinen Zusammenhang mit behördlichen oder hoheitlichen Maßnahmen fordert, sondern es sich „nur“ um Rechtsgeschäfte handeln muss, die „zur Durchführung der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation notwendig sind“. Gerade das im Initiativantrag zum 3. COVID-19 Gesetz angeführte Beispiel der unter die Gebührenbefreiung fallenden Bürgschaft, mit welche die Liquidität der betroffenen Unternehmen iZm der COVID-19-Krisensituation sichergestellt werden soll, zeige, dass Rechtgeschäfte zwischen Privaten sehr wohl von § 35 Abs 8 GebG erfasst sein sollen.

Nach Ansicht des BFG ist es somit im Wortlaut der Bestimmung gedeckt und entspricht dem Sinn und Zweck der sich aus den erläuternden Bemerkungen ergibt, dass auch bei Rechtsgeschäften grundsätzlich ein mittelbarer Zusammenhang mit Maßnahmen iSd § 3 Abs 1 Z 8 des Covid-19 Fondsgesetz (dazu zählen ua Maßnahmen zur Liquiditätsstabilisierung von Unternehmen) ausreichend für die Anwendbarkeit der Befreiungsbestimmung ist. Allerdings ist es wesentlich, dass das konkrete Rechtsgeschäft zur Bewältigung der Krise geeignet sein muss (das Rechtsgeschäft muss „notwendig“ sein).

Im vorliegenden Fall wurde der Kausalzusammenhang der Laufzeitverlängerung mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation nach Ansicht des BFG nicht entsprechend unter Beweis gestellt. Der Nachtrag zum Mietvertrag enthielt keine Bezugnahme auf vereinbarte Mietverzichte, Mietreduktionen bzw Stundungen. Auch wurde keine diesbezügliche gesonderte Vereinbarung vorgelegt. Somit war aufgrund des maßgeblichen Urkundeninhalts nicht erkennbar, inwiefern die Laufzeitverlängerung zur Durchführung der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation „notwendig“ ist. Insofern nimmt das BFG eine Undeutlichkeit des Urkundeninhalts an und versagt die Steuerbefreiung unter Hinweis auf den „in dubio pro fisco“-Grundsatz des § 17 Abs 2 GebG.

Ergebnis

Grundsätzlich scheint eine Anwendbarkeit der Gebührenbefreiung des § 35 Abs 8 GebG auch für Vereinbarungen zwischen nicht-hoheitlichen Parteien möglich zu sein. Damit die Gebührenbefreiung in Anspruch genommen werden kann, ist ein (innerer) Zusammenhang des Rechtsgeschäfts (zB Nachtrag zu Mietvertrag) mit den wirtschaftlichen Belastungen der COVID-19 Zeit erforderlich. Sollte dieser Zusammenhang nicht in der Urkunde selbst ersichtlich sein, dann sollten frühzeitig im Verfahren entsprechende sonstige Unterlagen (Korrespondenz, Verhandlungsmitschriften und dgl) zur Glaubhaftmachung vorgelegt werden.

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