Quellensteuer bei grenzüberschreitender Überlassung von Software – Schwenk in österreichischer Verwaltungspraxis

Tax News 05-06/2022

Internationales Steuerrecht

Kletterer

Das österreichische BMF hat in einer jüngst veröffentlichten EAS-Auskunft (EAS 3436) eine inhaltliche Kehrtwende in Bezug auf Quellensteuerverpflichtungen bei grenzüberschreitenden Softwareüberlassungen vollzogen. Demnach soll die Überlassung von (Applikations-)Software – dh Software zur bloß bestimmungsgemäßen eigenbetrieblichen Nutzung in Unternehmen – nicht länger als „Ausrüstung“ im Sinne des Lizenzgebührenartikels einschlägiger Doppelbesteuerungsabkommen gelten und sich – nach geänderter Rechtsauffassung des österreichischen BMF – nunmehr ausschließlich auf körperliche Wirtschaftsgüter beschränken. Dies kann für österreichische Unternehmen insbesondere in Outbound-Fällen zu negativen steuerlichen Konsequenzen führen (ausländischer Quellensteuerabzug ohne Anrechnungsmöglichkeit in Österreich), weshalb Doppelbesteuerungskonflikte vorprogrammiert scheinen. 

1. Bisherige Rechtsauffassung des österreichischen BMF

Das österreichische BMF brachte seine Rechtsauffassung iZm grenzüberschreitender Softwarenutzung und damit einhergehenden Quellensteuerverpflichtungen bereits in zahlreichen früheren EAS-Auskünften zum Ausdruck (vgl insbesondere EAS 971, 980, 1499, 3393 und 3397).

Dabei wurde stets die Ansicht vertreten, dass es sich bei Vergütungen für die grenzüberschreitende Überlassung von Software an Unternehmen bzw Kunden zum Einsatz in deren eigenen EDV-Anlagen – dh zur bloß bestimmungsgemäßen Verwendung der Software im eigenen Unternehmen (ohne darüberhinausgehende Nutzungs-/Verwertungsrechte) – aus abkommensrechtlicher Sicht an sich um keine Lizenzgebühren im Sinne von Artikel 12 OECD-MA handelt (vgl OECD-MK, Tz 14 zu Art 12 OECD-MA). Lediglich dann, wenn das zugrundeliegende Doppelbesteuerungsabkommen bei der Umschreibung des Lizenzgebührenbegriffs noch dem alten OECD-MA (vor 1992) folgt und insofern auch die Überlassung von gewerblichen, kaufmännischen oder wissenschaftlichen „Ausrüstungen“ umfasst, waren nach bisheriger Ansicht des österreichischen BMF auch Softwareüberlassungen zur bloß eigenbetrieblichen Nutzung im Unternehmen („Applikationssoftware“) aus abkommensrechtlicher Sicht ggf. einer Quellenbesteuerung für Lizenzgebühren zu unterziehen. Denn nach bisheriger Meinung des BMF konnte der Ausdruck „Ausrüstungen“ nicht auf körperliche Wirtschaftsgüter beschränkt werden und erstreckte sich demzufolge auch auf immaterielle Wirtschaftsgüter (zB Software).

2. Abkehr des österreichischen BMF von bisheriger Verwaltungspraxis (EAS 3436)

In der jüngst veröffentlichten EAS 3436 (Bereitstellung von IT-Dienstleistungen im Verhältnis zu China) vollzog das österreichische BMF in diesem Kontext eine bemerkenswerte Kehrtwende. Gestützt auf eine Änderung des UN-MK (veröffentlicht im Mai 2018) wird nunmehr die Ansicht vertreten, dass Immaterialgüter („intellectual property“) in einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen (Art 12 nach OECD-MA vor 1992) nicht länger vom Begriff der „Ausrüstung“ erfasst sein sollen. Vor diesem Hintergrund kann nach Ansicht des BMF auch nicht länger davon ausgegangen werden, dass im Bereich der „klassischen“ Softwareüberlassung über externe Datenträger oder im Bereich der Software-as-a-Service (SaaS) von der Benutzung einer „Ausrüstung“ auszugehen ist. Denn bei Software handle es sich um ein immaterielles Wirtschaftsgut, das gemäß den Ausführungen des UN-MK gerade nicht vom Begriff der „Ausrüstung“ erfasst sein soll (EAS 3436 mit Verweis auf Rz 19 UN-MK zu Art 12 UN-MA 2021). Die bisher in zahlreichen EAS-Auskünften vertretene Sichtweise des BMF, wonach überlassene „Applikationssoftware“ DBA-rechtlich als „Ausrüstung“ zu qualifizieren war und folglich in einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen einen Quellensteuerabzug rechtfertigte, wird somit von Seiten des BMF nicht länger aufrechterhalten.

Diese Sichtweise soll nach nunmehriger Auffassung des österreichischen BMF auch bei Bereitstellung und Wartung von IT-Infrastruktur (wie zB Server) über eine Cloud (Infrastructure-as-a-Service) gelten. Zwar wird die IT-Infrastruktur idR dem Grunde nach als „Ausrüstung“ zu qualifizieren sein. Jedoch wäre nach Ansicht des BMF für eine abkommensrechtliche Einstufung als „Ausrüstung“ zusätzlich erforderlich, dass der Nutzer eine Verfügungsmacht über den Server erlangt, was oftmals nicht der Fall sein wird. Infolgedessen wären die für die Zurverfügungstellung von IT-Infrastruktur (zB Server) geleisteten Zahlungen nach nunmehriger Ansicht des österreichischen BMF im Regelfall abkommensrechtlich als Dienstleistungsentgelte (Art 7) einzustufen und somit nicht (länger) vom Lizenzgebührenartikel (Art 12) erfasst.

Ein Mitgrund für diesen – wohl auch fiskalisch motivierten – Schwenk des österreichischen BMF könnte möglicherweise darin liegen, dass Österreich Einkünfte aus der Überlassung von „Applikationssoftware“ (zum bloß bestimmungsgemäßen Gebrauch im Unternehmen) spätestens seit Wartung der Einkommensteuerrichtlinien im Jahr 2021 bereits nach innerstaatlichem Recht nicht länger einer Quellen-/Abzugsbesteuerung unterwirft. Ein etwaiges DBA-rechtlich zugestandenes Besteuerungsrecht könnte somit aufgrund der nunmehrigen Klarstellung in den EStR 2000 (Rz 8000) mangels innerstaatlichem Besteuerungsanspruch (ohnehin) nicht länger aufrechterhalten werden. Man könnte somit mutmaßen, dass als Abtausch hierfür dann eben zumindest in vergleichbaren Outbound-Fällen keine Anrechnung ausländischer Quellensteuer (mehr) in Österreich erfolgen soll.

3. Bedeutung für die Praxis

Aufgrund der Tatsache, dass die Überlassung von (Applikations-)Software (Software-as-a-Service, SaaS) – dh Software zur bloß eigenbetrieblichen Nutzung – nach Ansicht des österreichischen BMF abkommensrechtlich nicht länger als „Ausrüstung“ einzustufen ist, können sich für österreichische Unternehmen insbesondere in Outbound-Fällen negative steuerliche Konsequenzen ergeben. Dies insbesondere dann, wenn das zugrunde liegende Doppelbesteuerungsabkommen dem OECD-MA vor 1992 folgt und demzufolge eine „Ausrüstungsklausel“ im Lizenzgebührenartikel enthält. Denn diesfalls besteht wohl ein signifikantes Risiko, dass derartige Softwareüberlassungen von Seiten des DBA-Partnerstaats nach wie vor unter den Lizenzgebührenartikel subsumiert und folglich einer entsprechenden Quellenbesteuerung unterworfen werden. Gestützt auf die im gegenständlichen EAS 3436 zum Ausdruck gebrachte Sichtweise würde Österreich in derartigen Fällen als Ansässigkeitsstaat jedoch keine Anrechnung der ausländischen Quellensteuer (mehr) zulassen.

Doppelbesteuerungskonflikte scheinen somit in Anbetracht der vollzogenen inhaltlichen Kehrtwende des österreichischen BMF vorprogrammiert und werden vielfach nur im Wege zeitintensiver und aus Sicht des Steuerpflichtigen mit erheblichem Mehraufwand verbundener Verständigungs- oder Schiedsverfahren zu lösen sein. Aus Unternehmenssicht ist daher einerseits im Rahmen künftiger Steuererklärungen erhöhte Sorgfalt bei der Anrechnung ausländischer Quellensteuern iZm grenzüberschreitenden Softwareüberlassungen geboten. Andererseits sollten österreichische Unternehmen in einem vorgelagerten Schritt zudem eine erhöhte Sensibilität in Bezug auf geplante bzw tatsächliche ausländische Quellensteuerabzüge an den Tag legen – uU kann hier (gerade im Konzern) unter Verweis auf die einschlägigen Passagen des überarbeiteten UN-MK versucht werden, eine unmittelbare Quellensteuerentlastung zu erwirken.

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