VwGH erneut zu ausländischen Kapitaleinkünften: Auch die Zahlung Schweizer Abzugssteuer in Höhe von 35 % schließt Vorsatz nicht aus

Tax News 02-03/2022

Finanzstrafrecht

Kletterer

Der VwGH bestätigt mit seiner jüngsten Entscheidung seine Rechtsprechung von Anfang Dezember 2021, wonach für das Vorliegen von Vorsatz eine Nachweisführung anhand der allgemeinen Lebenser-fahrung und von Denkgesetzen ausreichend ist. Auch die Entrichtung einer Abzugssteuer auf Kapital-einkünfte im Ausland steht dem Vorsatz nicht entgegen, selbst wenn die ausländische Steuer über dem österr KESt-Niveau liegt (VwGH 17.12.2021, Ra 2019/13/0038).

1. Sachverhalt: Jahrzehntelange Kapitalveranlagung in der Schweiz

Ein Steuerpflichtiger veranlagte seit den 1980ern-Jahren in der Schweiz seine Ersparnisse. Erzielte Kapitalerträge wurden in Österreich nicht erklärt. In der Schweiz unterlagen diese Erträge der Abzugssteuer.

Im Jahr 2012 erstattete der Steuerpflichtige Selbstanzeige für die Jahre 2003 bis 2012. Das Finanzamt erließ in der Folge ESt-Bescheide für diese Jahre. Nach Ansicht des Finanzamtes handelte es sich um hinterzogene Abgaben. Die Verjährungsfrist betrug daher 10 Jahre. Der Steuerpflichtige verneinte das Vorliegen von Vorsatz: Einerseits verfüge er über keine juristische und steuerrechtliche Vorbildung, andererseits habe er in der Schweiz Steuern iHv 35 % geleistet.

2. BFG 10.12.2018, RV/7101706/2013: Vorsatz aufgrund Medienberichterstattung und Vorbildung

Das BFG schloss einen Rechtsirrtum aus und begründete das Vorliegen von Vorsatz wie folgt:

  • Der Steuerpflichtige ist HAK-Absolvent und arbeitete zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn für 5 Jahre als Buchhalter. Rudimentäre Kenntnisse über das österreichische und schweizerische Abgabenrecht seien daher anzunehmen.
  • Durch die intensive Berichterstattung seit der Steueramnestie 1982 sei die österreichische Bevölkerung über die Steuerpflicht von ausländischen Kapitaleinkünfte in Österreich informiert gewesen.
  • Sukzessiver Transfer der Geldmittel in die Schweiz und eine jahrzehntelange Veranlagung in der Schweiz.

3. VwGH 17.12.2021, Ra 2019/13/0038: Beweiswürdigung nicht zu beanstanden

Eine vom Steuerpflichtigen erhobene außerordentliche Revision wurde vom VwGH zurückgewiesen: Ein Begründungsmangel sei nicht gegeben. Die Beweiswürdigung stehe im Einklang mit den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung. Das Erkenntnis verstoße auch nicht gegen den Zweifelsgrundsatz und die Unschuldsvermutung.

Darüber hinaus liege keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn lediglich auf eine in diesem Zusammenhang bestehende uneinheitliche Rechtsprechung des UFS/BFG hingewiesen wird. Der VwGH hielt auch fest, dass es keine höchstgerichtliche Rechtsprechung gebe, wonach eine verfehlte Anwendung eines DBA den Vorwurf vorsätzlichen Vorgehens gem § 207 Abs 2 BAO pauschal ausschließe.

4. Auf den Punkt gebracht

Bereits in seiner Entscheidung vom 09.12.2021, Ra 2021/13/0040, bejahte der VwGH die vorsätzliche Hinterziehung bei ausländischen Kapitaleinkünften anhand von Denkgesetzen und allgemeiner Lebenserfahrung (siehe Tax News 01/2022).

Während in der genannten Entscheidung die mediale Berichterstattung ab dem Jahr 2004 (EuGH-Entscheidung Rechtssache Lenz) ausschlaggebend war, ist nach der jüngsten Entscheidung bereits die Berichterstattung ab den frühen 1980er-Jahren für die Beurteilung des Vorsatzes relevant. Darüber hinaus schließt die Entrichtung einer Abzugssteuer im Ausland Vorsatz nicht aus, selbst wenn der Steuersatz über der österr KESt liegt.

Die jüngste VwGH-Entscheidung verschlechtert somit die Verteidigungssituation eines irrenden Steuerpflichtigen mit ausländischen Kapitaleinkünften nochmals. Umso wichtiger ist es im konkreten Einzelfall belastbares Beweismaterial beizubringen und den Fokus auf den finanzstrafrechtlichen Zweifelsgrundsatz und die Unschuldsvermutung zu legen, um den Vorsatzvorwurf erschüttern zu können.

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