BFG zur Definition des Hauptwohnsitzes bei Anwendung der Hauptwohnsitzbefreiung: Mittelpunkt der Lebensinteressen ist maßgeblich

Tax News 02-03/2022

Immobilien

Kletterer

Das BFG (28.09.2021, RV/7101281/2017) sprach in Zusammenhang mit der Anwendung der Hauptwohnsitzbefreiung (erneut) aus, dass bei mehreren inländischen Wohnsitzen jener Wohnsitz als Hauptwohnsitz iSd § 30 Abs 2 EStG anzusehen ist, zu dem die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen. 

Sachverhalt: Beschwerdeführerin mit mehreren inländischen Wohnsitzen

Die Beschwerdeführerin veräußerte den Hälfteanteil ihrer Eigentumswohnung in Wien rund 10 Jahre nach Anschaffung und machte dafür die Hauptwohnsitzbefreiung geltend. Generell sieht die Hauptwohnsitzbefreiung eine Befreiung von der Immobilienertragsteuer für die Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden vor, die für einen bestimmten Zeitraum als Hauptwohnsitz gedient haben.

Die Eigentumswohnung wurde von der Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern bewohnt, allerdings ab dem Schuleintritt der älteren Tochter bzw dem Krippeneintritt der jüngeren Tochter nur während der Wochenenden, der schulfreien Zeit und an Feiertagen. Unter der Woche bewohnte die Familie eine kleine Mietwohnung, die sich in unmittelbarer Nähe zum Arbeitsplatz des Ehepaares und der Schul- und Betreuungsplätze befand. Aufgrund langer täglicher Arbeitszeiten des Ehepaares musste eine logistische Lösung zur Bewältigung des Arbeitsalltages gefunden werden. Ihren Hauptwohnsitz meldete die Beschwerdeführerin in der angemieteten Wohnung.

Das Finanzamt war der Ansicht, dass die Hauptwohnsitzbefreiung für den veräußerten Hälfteanteil der Eigentumswohnung nicht zustehen würde, weil mangels Hauptwohnsitzmeldung die Befreiung nicht anwendbar sei.

BFG-Entscheidung 28.09.2021, RV/7101281/2017: Definition Hauptwohnsitz iSd § 30 Abs 2 EStG

Das BFG folgte der Ansicht der Finanzverwaltung nicht. Das Gericht sprach (erneut) aus, dass der Hauptwohnsitz iSd § 30 Abs 2 EStG bei mehreren Wohnsitzen jener Wohnsitz ist, zu dem die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Den persönlichen Beziehungen kommt diesbezüglich idR die größere Bedeutung zu. Darunter sind all jene Beziehungen zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz hat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln (mit Verweis auf BFG 1.8.2019, RV/1100104/2019).

Im vorliegenden Fall konnte die Beschwerdeführerin ua durch Vorlage von Bestätigungen der Nachbarn und Schwiegereltern glaubhaft darlegen, dass sich die freie Zeit, das gesamte Familienleben und die gesellschaftlichen Betätigungen (sämtliche Familienfeiern, Treffen mit Freunden etc) in der Eigentumswohnung zugetragen haben, sodass die Eigentumswohnung als Hauptwohnsitz anzusehen war. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Hauptwohnsitzbefreiung waren daher erfüllt.

Conclusio

Das BFG sprach (erneut) aus, dass bei mehreren inländischen Wohnsitzen jener Wohnsitz als Hauptwohnsitz iSd § 30 Abs 2 EStG anzusehen ist, zu dem die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen. Im Zweifelsfall ist dies durch entsprechende Unterlagen glaubhaft nachzuweisen (vgl auch EStR 2000 Rz 6638).

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