Immo-ESt bei gemischten Schenkungen an Angehörige, wenn Gegenleistungen 75 % des Liegenschaftswertes erreichen
Tax News 01/2022
Immobilien
Die Immobilienertragsbesteuerung gem § 30 EStG setzt eine Veräußerung voraus, die von unentgeltlichen Übertragungen abzugrenzen ist. Haben die Beteiligten eine zum Teil entgeltliche, zum Teil unentgeltliche gemischte Schenkung vereinbart, muss der Hauptzweck des Geschäftes ermittelt werden. Wenngleich bei nahen Angehörigen im Zweifel eine Schenkungsabsicht vermutet wird, ist nach Ansicht des VwGH (16.11.2021, Ro 2020/15/0015) von einem entgeltlichen Rechtsgeschäft auszugehen, wenn der Wert der Gegenleistung um nicht mehr als 25 % vom Liegenschaftswert abweicht und keine besonderen Umstände einen unentgeltlichen Gesamtcharakter nahelegen.
1. Sachverhalt
Der Revisionswerber und seine Ehefrau übertrugen im Rahmen eines Schenkungsvertrages jeweils zur Hälfte ein Wohnhaus an ihre Tochter. Die Übergeber behielten sich ein Wohnungsgebrauchsrecht an den Räumlichkeiten sowie ein Fruchtgenussrecht am Garten samt Obstbäumen zurück und die Übernehmerin verpflichtete sich, an ihre drei Geschwister Ausgleichszahlungen iHv insgesamt EUR 633.134,10 zu leisten (unter Vereinbarung eines Pflichtteilsverzichts). Die Liegenschaft hatte abzüglich des Wertes der eingeräumten Wohn- und Fruchtgenussrechte einen Verkehrswert von EUR 844.178,00.
Die belangte Behörde vertrat die Ansicht, dass in Anlehnung an § 20 Abs 1 Z 4 EStG eine Veräußerung vorliege, wenn ein Übernehmer aus eigenen Mitteln mehr als die Hälfte des Wertes der an ihn übertragenen Immobilie an den Übergeber oder an vom Übergeber bestimmte Personen zu erbringen habe. Unter Anwendung des besonderen Steuersatzes von 30 % wurde daher eine Steuer von EUR 20.595,15 festgesetzt. Die Einkünfte wurden hierzu der Regelung für Altvermögen entsprechend pauschal mit 14 % des Veräußerungserlöses angesetzt.
2. BFG 06.05.2020, RV/2100647/2018
Das BFG ging ebenfalls von einer entgeltlichen Übertragung aus. Eine gemischte Schenkung setze neben einem zwischen nahen Angehörigen vermuteten „Bereichernwollen“ auch ein objektives Missverhältnis voraus; diesbezüglich leitete das BFG aus § 20 Abs 1 Z 4 EStG einen Überwiegensgrundsatz ab. Der Beschwerde gab das BFG jedoch teilweise Folge, weil dem Revisionswerber die gesamten Einkünfte aus der Übertragung zugerechnet wurden, obwohl die Liegenschaft zur Hälfte im Eigentum seiner Ehefrau stand (siehe Tax News 09/2021 BFG: Gemischte Liegenschaftsschenkung kann ImmoESt unterliegen).
3. VwGH 16.11.2021, Ro 2020/15/0015
Wenngleich auch der VwGH im Ergebnis das Vorliegen einer Veräußerung bestätigte, führt er aus, dass das BFG bei Anwendung des § 20 Abs 1 Z 4 TS 1 EStG die Rechtslage verkannte. Diese Vorschrift zum Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung normiere – unter Berücksichtigung ihrer aus den Gesetzesmaterialien und aus dem Gesamtzusammenhang abzuleitenden Genese iRd Neuordnung der Rentenbesteuerung – ausschließlich ein Abzugsverbot für bestimmte Rentenzahlungen.
Die zur Anknüpfung an den Tatbestand des § 30 EStG erforderliche Abgrenzung von entgeltlichen zu unentgeltlichen Geschäften sei ausschließlich nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen vorzunehmen. Bei gemischten Vorgängen sei nach dem Hauptzweck und Gesamtcharakter des Geschäftes zu beurteilen, ob Unentgeltlichkeit vorliege. Als einer der maßgeblichen Umstände des Einzelfalles könne ein krasses Missverhältnis der Werte der beiderseitigen Leistungen den Schluss auf die Schenkungsabsicht der Parteien rechtfertigen, wenngleich ein Missverhältnis für sich nicht ausreiche, Unentgeltlichkeit anzunehmen.
Bei Zuwendungen an nahe Angehörige wird ein „Bereichernwollen“ im Zweifel grundsätzlich vermutet. Weicht allerdings der Wert der Gegenleistung um nicht mehr als 25 % vom Wert des übertragenen Wirtschaftsgutes ab und liegen keine besonderen Umstände vor, die einen unentgeltlichen Gesamtcharakter nahelegen, ist idR von einem einheitlichen entgeltlichen Rechtsgeschäft auszugehen.
Im vorliegenden Fall hat sich die Tochter zu Zahlungen an ihre Geschwister iHv insgesamt 75 % des Verkehrswerts der Liegenschaft verpflichtet und damit – im verkürzten Zahlungsweg – eine Leistung an ihre Eltern erbracht. Aufgrund der deutlich im Vordergrund stehenden entgeltlichen Komponenten war die Übertragung insgesamt als Veräußerung iSd § 30 Abs 1 EStG zu qualifizieren und die Revision daher als unbegründet abzuweisen.
4. Hinweise für die Praxis
Nur Liegenschaftsveräußerungen lösen eine Immo-ESt-Pflicht nach § 30 EStG aus. Bei gemischten Vorgängen muss beurteilt werden, ob die Absicht des Leistenden, eine Gegenleistung zu erhalten, durch die teilweise Schenkungsabsicht überlagert wird, denn die Übertragung ist entweder zur Gänze als entgeltlich oder als unentgeltlich zu betrachten (ausgenommen Rentengeschäfte).
Der subjektive Wille des Leistenden muss hierzu aus den maßgeblichen Umständen des Einzelfalles abgeleitet werden, wobei dem Wertverhältnis zwischen den Leistungen eine besondere Indizwirkung zukommt. Zu der vom Erwerber aus eigenen Mitteln aufzubringenden Gegenleistung gehören dabei zB auch an Dritte zu leistende Zahlungen und nach Ansicht der Finanzverwaltung außerdem übernommene Verbindlichkeiten (vgl EStR Rz 6655). Vom Übergeber zurückbehaltene Wohn- oder Fruchtgenussrechte mindern hingegen den Wert der Liegenschaft.
Auf Basis der aktuellen VwGH-Entscheidung ist bei Gestaltungen im Familienverband mit Schenkungsabsicht auf die 75 %-Wertgrenze zu achten bzw ob ein offenbares Missverhältnis zwischen den Leistungen vorliegt. Dies gilt auch für andere Übertragungsvorgänge (etwa von Kapitalanteilen), sofern als Gegenleistung nicht eine Rentenzahlung vereinbart wird.
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