VwGH zu unilateraler Steuerentlastung nach § 48 Abs 5 BAO: Ermessenskriterien / juristische Doppelbesteuerung

Tax News 10-11/2021

Internationales Steuerrecht

Kletterer

Der VwGH bestätigt seine Ansicht, dass für die Zulässigkeit einer Entlastungsmaßnahme iSd § 48 Abs 5 BAO das Vorliegen einer juristischen Doppelbesteuerung erforderlich ist. Darüber hinaus kann bei selbstverschuldeter Doppelbesteuerung nicht mit einer auf § 48 Abs 5 BAO gestützten einseitigen Entlastungsmaßnahme gerechnet werden.

1. Sachverhalt

  • 2009: Ein in Österreich ansässiger Einzelunternehmer gründete in Malta eine Kapitalgesellschaft (Ltd). 
  • 2010 bis 2013: Die Ltd erklärte in Malta Gewinne, die mit 5% maltesischer Körperschaftsteuer effektiv besteuert wurden. 
  • 2015: Die Ltd wurde liquidiert.
  • Betriebsprüfung: Eine Abgabenprüfung des Einzelunternehmers in Österreich stellte fest, dass die Ltd die von ihr fakturierten Leistungen mangels organisatorischer und personeller Ausstattung tatsächlich nicht selbst erbringen hatte können. Die Gewinne wurden daher dem Einzelunternehmer zugerechnet und in Österreich der Besteuerung unterworfen. Gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide brachte der Einzelunternehmer keine Beschwerden ein.
  • Rückerstattungsantrag Malta: Der Einzelunternehmer beantragte die Rückerstattung der maltesischen Körperschaftsteuer. Diese wurde aufgrund der bereits erfolgten Liquidation der Ltd versagt. Ein anschließendes Verständigungsverfahren scheiterte ebenfalls aus diesem Grund. 
  • Antrag auf einseitige Steuerentlastung nach § 48 BAO idF BGBl I 2009/20 (nunmehr § 48 Abs 5 BAO): Dieser wurde vom BMF abgewiesen, weil die Maßnahme gemäß § 48 BAO eine Ermessensentscheidung darstelle und ein Steuerpflichtiger in Steuerumgehungsfällen nicht mit einer nachträglichen Sanierung durch eine auf § 48 BAO gestützte Entlastungsmaßnahme rechnen könne.
  • BFG: Dieses stimmte im Wesentlichen dem BMF zu und wies die Beschwerde ab, weil der Verursacher die finanziellen Risiken für funktionslose Auslandsgesellschaften selbst zu tragen hätte und diese nicht auf die Allgemeinheit abwälzen könne.

2. Entlastungsmaßnahme gemäß § 48 Abs 5 BAO

Nach § 48 Abs 5 BAO kann der Bundesminister für Finanzen bestimmte Gegenstände der Abgabenerhebung ganz oder teilweise aus der Abgabepflicht ausscheiden oder ausländische Abgaben ganz oder teilweise auf inländische Abgaben anrechnen lassen. Voraussetzung dafür ist, dass der Abgabepflichtige der Abgabenhoheit mehrerer Staaten unterliegt und die Maßnahme zum Ausgleich der in- und ausländischen Besteuerung oder zur Erzielung der Gegenseitigkeit erforderlich (und nicht nur dienlich) ist. Nach der ständigen Rsp des VwGH ist eine solche Entlastungsmaßnahme nur bei echter (juristischer) Doppelbesteuerung und nicht bei wirtschaftlicher Doppelbesteuerung zulässig.

  • Juristische Doppelbesteuerung: ein und dieselbe Person wird in zwei oder mehr Staaten aufgrund desselben steuerlichen Tatbestandes für denselben Zeitraum zu gleichen oder gleichartigen Steuern herangezogen.
  • Wirtschaftliche Doppelbesteuerung: in zwei oder mehr Staaten werden Personen, bei denen keine Steuersubjektidentität im juristischen, wohl aber im wirtschaftlichen Sinn vorliegt (zB rechtlich selbstständige Gesellschaften eines Konzerns) zu gleichen oder gleichartigen Steuern herangezogen.

3. VwGH 30.06.2021, Ra 2021/15/0042 zu Ermessenskriterien und juristischer Doppelbesteuerung 

Fraglich sei u.a., ob die Behörde ihren Ermessensspielraum überschritten habe, weil diese den Antrag gemäß § 48 Abs 5 BAO mit dem pauschalen Argument verwehrte, dass in Steuerumgehungsfällen nicht mit einer unilateralen Entlastungsmaßnahme iSd § 48 Abs 5 BAO gerechnet werden dürfe.

VwGH zur Ermessensübung: die Erteilung einer Entlastungsmaßnahme ist nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu prüfen. Die Umstände, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann, sind vom Abgabepflichtigen einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels darzulegen. Eine Unbilligkeit liegt nicht schon dann vor, wenn ein Einzelunternehmer die gewählte rechtliche Konstruktion nur auf Anraten eines Finanzberaters umgesetzt hat. Zudem hatte der Einzelunternehmer maßgeblich dazu beigetragen, dass Malta die Erstattung der Körperschaftsteuer verweigert hat. Damit folgte der VwGH dem BFG und wies die Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zurück.

Darüber hinaus ging das BFG davon aus, dass § 48 Abs 5 BAO grundsätzlich auch anwendbar sei, wenn die Doppelbesteuerung bei zwei verschiedenen Steuerpflichtigen erfolgt (bei der Ltd einerseits und dem Einzelunternehmer auf der anderen Seite). Dazu wiederholte der VwGH seine ständige Rechtsprechung, wonach nur eine echte (juristische) Doppelbesteuerung von einer Maßnahme nach § 48 Abs 5 BAO erfasst sein kann.

4. Ergebnis

Der VwGH bestätigt seine Rechtsprechung, dass eine unilaterale Steuerentlastung nach § 48 Abs 5 BAO nur bei juristischer Doppelbesteuerung möglich ist.

Die Gewährung einer Entlastungsmaßnahme ist von der Behörde nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu prüfen. Trägt der Abgabepflichtige durch eine Konstruktion zur Steuerumgehung selbst maßgeblich zur Entstehung einer Doppelbesteuerung bei, kann nicht mit einer auf § 48 Abs 5 BAO gestützten einseitigen Entlastungsmaßnahme gerechnet werden.

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