BFG zur Ablehnung einer Richterin wegen Befangenheit

Tax News 10-11/2021

Verfahrensrecht

Kletterer

Nach § 268 Abs 1 BAO kann ein Steuerpflichtiger einen Einzelrichter oder ein Mitglied des Senates wegen Befangenheit ablehnen. Die Gründe für die Ablehnung sind glaubhaft zu machen. Das BFG hatte unlängst zu beurteilen, ob die Befangenheit zu bejahen ist, wenn der Beschwerdeführer mit einer Abweisung seines Begehrens rechnet.

1. Rahmenbedingungen

Die Partei eines Abgabenverfahrens hat das Recht, einen Einzelrichter oder ein Senatsmitglied mit dem Argument abzulehnen, diese Person sei befangen. Regelungen über die Befangenheit dienen dazu, eine unparteiische Amtsführung zu gewährleisten, allfällige Gewissenskonflikte des Organwalters zu verhindern sowie nach Außen hin jeden Schein einer Parteilichkeit zu vermeiden. Befangen ist eine Person beispielsweise dann, wenn wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen.

2. Sachverhalt und Entscheidung

Das BFG entschied am 12.08.2021, AO/3100015/2021, ob die zuständige Richterin befangen ist. Laut Beschwerdeführer habe sie anlässlich eines Erörterungstermins nicht den geringsten Zweifel gelassen, dass für sie die Sache bereits entschieden sei, wenngleich zu diesem Zeitpunkt die Zeugen noch nicht einvernommen und das Ergebnis des Beweisverfahrens noch nicht festgestanden habe. Die Richterin habe voreingenommen geurteilt, was befürchten lasse, dass sie von ihrer Meinung keinesfalls mehr abweichen werde. Auch das weitere Verfahren habe diesen Eindruck bestätigt.

Laut BFG genügt zur Annahme einer Befangenheit grundsätzlich schon der Anschein, Organwalter könnten nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit entscheiden. Allerdings müssen konkrete Umstände vorgebracht werden, die aus Sicht eines objektiven Beurteilers bei diesem den Eindruck erwecken, der Abgelehnte könnte sich aus persönlichen Gründen von anderen als sachlichen Erwägungen leiten lassen. Eine bloß subjektive Besorgnis reicht nicht.

Sachliche Differenzen bewirken für sich genommen keine Befangenheit. Sinn und Zweck der Befangenheit ist nicht die Abwehr einer unrichtigen Rechtsauffassung des Organwalters. Eine allfällige Unrichtigkeit ist vielmehr im Rechtsmittelverfahren zu überprüfen und keine Angelegenheit des Ablehnungsverfahrens, vgl VwGH 28.05.2015, 2021/15/0167. Die Abwicklung des Verfahrens durch die Richterin lasse nicht befürchten, dass weitere Verfahrensergebnisse bei der rechtlichen Beurteilung unberücksichtigt bleiben. Allein die freiwillige Erörterung der Sach- und Rechtslage durch die Richterin – es gibt gem § 269 Abs 3 BAO kein Recht auf einen Erörterungstermin – zeigt die Bereitschaft zur korrekten Bearbeitung. Der Antrag auf Ablehnung der Richterin ist als unbegründet abzuweisen.

3. Anmerkungen

Eine auch offenkundig falsche Rechtsauffassung bewirkt keine Befangenheit. Sachliche Differenzen oder rechtswidrige Vorgehensweisen sind im Ablehnungsverfahren nicht entscheidungsrelevant. Eine Befangenheit kann laut VwGH allerdings dann bestehen, wenn ein Richter vor der Verhandlung etwa durch Äußerungen zu erkennen gibt, dass er sich in der konkreten Sache bereits auf eine Entscheidung festgelegt hat, vgl VwGH 19.10.2016, Ro 2014/15/0019. Der Richter muss daher unbedacht/ungeschickt formulieren oder korrespondieren, damit ihm die Entscheidungsbefugnis entzogen werden kann.

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