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Umfassende deutsche Vorschriften erfordern besondere Aufmerksamkeit bei Inbound- und Outbound-Fällen

1. Einleitung

In multinationalen Konzernen ist es gängige Praxis, Geschäftsaktivitäten grenzüberschreitend umzustrukturieren. Zur Bestimmung einer fremdüblichen Kompensation für die restrukturierten Geschäftsaktivitäten stützen sich die meisten Länder auf die Vorgaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gemäß Kapitel IX der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien. Laut den OECD-Richtlinien begründet nicht jeder Fall, in dem Gewinnpotenzial übertragen wird, automatisch einen Anspruch auf Kompensation.

Die deutschen Vorschriften zu Funktionsverlagerungen, die sowohl für Inbound- als auch für Outbound-Umstrukturierungen gelten, gehen weit über die Vorgaben der OECD hinaus. Mit Wirkung ab dem Wirtschaftsjahr 2022 wurden die Anforderungen an eine Funktionsverlagerung gemäß §1 des Außensteuergesetzes („AStG“) verschärft. Eine Funktionsverlagerung kann nun bereits dann vorliegen, wenn eine Funktion einschließlich der damit verbundenen Chancen und Risiken sowie der übertragenen oder bereitgestellten Vermögenswerte oder (vorher: und) sonstigen Vorteile verlagert wird. Weitere Konkretisierungen erfolgten durch die Funktionsverlagerungsverordnung 2022 sowie die Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2024. Die verschärften Regelungen deuten an, dass eine Funktionsverlagerung nicht zwingend die Übertragung von Vermögenswerten erfordert, sondern bereits der Erhalt sonstiger Vorteile ausreichen könnte, was potenziell zu einer Zunahme von Fällen führen wird, in denen die deutsche Finanzverwaltung eine Funktionsverlagerung annimmt.

Sind die Voraussetzungen für eine Funktionsverlagerung dem Grunde nach erfüllt, ist zur Bestimmung eines fremdüblichen Verrechnungspreises für das sogenannte Transferpaket eine zweiseitige Bewertung durchzuführen.

Dieser Artikel gibt einen Einblick über die umfassenden deutschen Regelungen zu Funktionsverlagerungen.

 

2. Definition einer Funktionsverlagerung und Escape-Klauseln

Eine Funktionsverlagerung liegt vor, wenn:

  1. eine Übertragung oder Überlassung einer Funktion ganz oder teilweise erfolgt …
  2. einschließlich der damit verbundenen Chancen und Risiken …
  3. sowie der mitübertragenen oder mitüberlassenen Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile …
  4. sodass eine Ausübung oder Ausweitung der Funktion beim aufnehmenden Unternehmen erfolgt.

Diese Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein.

Ablauf

Das Transferpaket besteht aus einer Funktion einschließlich der damit verbundenen Chancen und Risiken sowie Wirtschaftsgütern oder sonstigen Vorteilen. Es muss sich dabei nicht zwingend um eine rechtlich selbstständige Einheit oder operative Einheit handeln.

Landesgrenzen

Die Funktionsverlagerungsverordnung 2022 definiert allgemein, dass eine Funktion eine Geschäftstätigkeit ist, „die aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden. Sie ist ein organischer Teil eines Unternehmens, ohne dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinn vorliegen muss.“ Funktionen können beispielsweise Geschäftstätigkeiten aus Forschung & Entwicklung, Produktion, Vertrieb, Montage etc. sein. Auch Risikosteuerung und DEMPE-Funktionen werden im Kontext einer Funktionsverlagerung als Funktionen gesehen. Darüber hinaus kann auch der Verkauf bestimmter Produkte oder Produktgruppen als Funktionsverlagerung gelten.

Die folgende Tabelle zeigt einen Vergleich von Vermögenswerten und sonstigen Vorteilen, die Teil des Transferpakets sein können.

Übersicht

Die deutschen Regelungen sehen zwei Escape-Klauseln vor:

  1. Outsourcing: Sofern die Vergütung der übertragenen Funktion auf der Cost-Plus-Methode basiert und die Funktion ausschließlich vom empfangenden Unternehmen gegenüber dem übertragenden Unternehmen ausgeführt wird, besteht keine Funktionsverlagerung.
  2. Funktionsverdopplung: Sofern das übertragende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren nach Übernahme der Funktion durch das empfangende Unternehmen nicht in der Ausübung der Funktion eingeschränkt ist, obwohl die übrigen Voraussetzungen einer Funktionsverlagerung erfüllt sind, besteht keine Funktionsverlagerung.

 

3. Hypothetischer Fremdvergleich

Sind die Voraussetzungen für eine Funktionsverlagerung erfüllt, muss der Steuerpflichtige einen fremdüblichen Verrechnungspreis für das Transferpaket ermitteln.

Im Kontext einer Funktionsverlagerung ist das Bewertungsobjekt häufig einzigartig. Wenn keine verlässlichen Vergleichsdaten Dritter vorliegen, muss der Steuerpflichtige den sogenannten hypothetischen Fremdvergleich („HALM“) auf Basis einer ökonomisch anerkannten kapitalwertorientierten Bewertungsmethode (zum Beispiel Ertragswertverfahren, Discounted-Cashflow-Methode („DCF“), Lizenzpreisanalogiemethode) anwenden.

Ein Merkmal der deutschen Funktionsverlagerungsvorschriften ist die Verpflichtung zur zweiseitigen Bewertung. Dabei wird regelmäßig die DCF-Methode gewählt, um aus Sicht des Veräußerers einen Mindestpreis und aus Sicht des Erwerbers einen Höchstpreis zu bestimmen. Die Anwendung des HALM simuliert den Verhandlungsprozess zwischen unabhängigen Parteien, an dessen Ende der Preis ermittelt wird, zu dem beide Parteien bereit wären, das Geschäft einzugehen.

In der Folge wird ein erheblicher Teil des gesamten Gewinnpotenzials der übertragenen Funktion in Deutschland besteuert, was dem zu erwartenden Verlust an Gewinnpotenzial in Deutschland, aber typischerweise auch der Hälfte des erwarteten Gewinnpotenzials im Empfängerland, entspricht.

 

Die folgende Darstellung illustriert die Festlegung des Einigungsbereichs.

Festlegung des Einigungsbereichs

4. Weitere Aspekte, die im Zusammenhang mit einer Funktionsverlagerung zu beachten sind

Aus einer Funktionsverlagerung können sich noch weitere Konsequenzen sowie Melde- und Dokumentationspflichten ergeben:

  1. Abschluss eines Kauf- und Übertragungsvertrags mit Preisanpassungsklausel zur Festlegung eines Überprüfungszeitpunkts der zweiseitigen Bewertung, um eine spätere Überprüfung durch die Finanzverwaltung nach sieben Jahren zu vermeiden.
  2. Meldung der Transaktion (gemäß DAC-6-Richtlinien) innerhalb von 30 Tagen an die zuständige deutsche Behörde.
  3. Erstellung einer Verrechnungspreisdokumentation für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle innerhalb von sechs Monaten nach Ende des Wirtschaftsjahres, in dem die Funktionsverlagerung stattfand. Gemäß § 90 Abs. 3 AO ist diese Dokumentation innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung ohne weitere Aufforderung vorzulegen.

 

5. Fazit

Die deutschen Vorschriften zu Funktionsverlagerungen enthalten zahlreiche Besonderheiten für Steuerpflichtige, die weit über die Vorgaben des Kapitels IX der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien hinausgehen und daher für viele international tätige Unternehmen mit Sitz im Ausland Stolperfallen darstellen.

Da Funktionsverlagerungen ein aktuelles Thema in deutschen Betriebsprüfungen sind und zu kontroversen Diskussionen zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung führen, ist es wichtig, die oben beschriebenen Aspekte sorgfältig zu berücksichtigen.

In unseren nächsten Newslettern geben wir weitere Einblicke in aktuelle Rechtsprechungen zu Funktionsverlagerungen, inklusive Fallbeispiele und den Sonderfall der Verlagerung nicht profitabler Funktionen.

Unsere KPMG Verrechnungspreisexperten unterstützen Sie gerne bei Fragen.