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Im Kontext der deutschen Verrechnungspreisdokumentationsvorschriften wird der sogenannte außergewöhnliche Geschäftsvorfall („AGV“) häufig stiefmütterlich behandelt. Dennoch hat der deutsche Gesetzgeber für die Dokumentation von AGVs eine strenge Regulierung vorgesehen, da AGVs das Potential haben, erhebliches Gewinnpotential aus Deutschland heraus zu verlagern (z.B. im Zusammenhang mit der Verlagerung von Funktionen). Insofern ergeben sich daher oft Fallstricke im Rahmen deutschen Betriebsprüfungen.

Im Gegensatz zur regulären Verrechnungspreisdokumentation für gewöhnliche Geschäftsvorfälle („GGV“) erfordern AGVs eine proaktive und zeitnahe Dokumentation innerhalb von sechs Monaten nach dem Geschäftsjahr, in dem der Vorfall stattfand. Die neuen Verrechnungspreisvorschriften, die am 1. Januar 2025 in Kraft traten, verschärfen die bereits strengen Regeln weiter, indem sie eine Anforderung für die proaktive Einreichung einführen (d.h. zuvor auf Anfrage, beginnt die Einreichungsfrist jetzt, sobald die Prüfungsanordnung eingegangen ist). Dieser Artikel geht auf die wesentlichen Aspekte der Dokumentation von AGVs ein und hebt die Bedeutung der Einhaltung und die Auswirkungen der jüngsten regulatorischen Änderungen hervor.

Definition außergewöhnlicher Geschäftsvorfälle

Der Begriff außergewöhnlicher Geschäftsvorfall oder AGV ist ein nicht definierter Rechtsbegriff im deutschen Steuerrecht. Im Allgemeinen müssen AGVs als das Gegenteil von sogenannten GGV gesehen werden und weichen daher erheblich vom normalen Geschäftsverlauf ab, was oft zu erheblichen Einkommensänderungen führt. Die folgenden Transaktionen können nach deutschem Steuerrecht als außergewöhnliche Geschäftsvorfälle angesehen werden:

  • der Abschluss und die Änderung langfristiger Verträge, die sich erheblich auf die Höhe der Einkünfte des Steuerpflichtigen aus seinen Geschäftsbeziehungen auswirken, (z.B. betrachten Betriebsprüfungen oft langfristige Darlehensverträge als von dieser Definition abgedeckt).
  • Vermögensübertragungen im Rahmen von Unternehmensumstrukturierungsmaßnahmen.
  • Die Übertragung und Bereitstellung von Vermögenswerten im Zusammenhang mit erheblichen Änderungen von Funktionen und Risiken innerhalb des Unternehmens (z.B. Funktionsverlagerungen oder Unternehmensumstrukturierungen).
  • Geschäftsvorfälle im Zusammenhang mit einer für die Verrechnungspreisbildung erheblichen Änderung der Geschäftsstrategie
  • der Abschluss von Umlageverträgen.

Wie oben erwähnt, ist der häufigste Fall eines AGV die (grenzüberschreitende) Übertragung von Funktionen innerhalb einer multinationalen Gruppe, die zu erheblichen operativen Änderungen führt (z.B. die Verlagerung einer Produktionsfunktion für bestimmte Produkte aus Deutschland).

Rückblick: Dokumentationsanforderungen bis 2024

Der deutsche Gesetzgeber hat immer schon strengere Standards für die Dokumentation von AGVs angewendet als für die Dokumentation GGV. Die gewöhnliche Verrechnungspreisdokumentation konnte innerhalb von 60 Tagen nach einer Anfrage der Finanzbehörde („FA“) erstellt und eingereicht werden (alte Gesetzgebung bis 2024). Die außergewöhnliche Verrechnungspreisdokumentation musste proaktiv und zeitnah erstellt werden, d.h. innerhalb von sechs Monaten nach dem Ende des Geschäftsjahres, in dem der außergewöhnliche Vorfall stattfand, und innerhalb von 30 Tagen nach einer Anfrage der FA eingereicht werden. Beispiel: Wenn sich ein AGV im Jahr 2023 ereignete, musste die Dokumentation bis Juni 2024 erstellt werden (d.h. Geschäftsjahr endend im Dezember). In diesem Zusammenhang ergab sich für die FA die Schwierigkeit, wie sie überprüfen konnte, ob die AGV-Dokumentation tatsächlich zeitnah erstellt wurde, solange sie innerhalb von 30 Tagen nach der Anfrage eingereicht wurde.

Wir haben jedoch zunehmend beobachtet, dass Betriebsprüfungen in der jüngeren Vergangenheit versuchten, solche Dokumentationen als unverwertbar zu klassifizieren, wenn sie nicht innerhalb dieser Fristen erstellt wurden, und dann ein höheres Einkommen zu schätzen, während gleichzeitig versucht wurde, die Beweislast auf den Steuerpflichtigen zu verlagern. In diesen Fällen stellte sich die Frage, was notfalls alternativ als Bestandteile einer zeitnahen Dokumentation angesehen werden könnten (z.B. alte Projektdokumente usw.) und inwieweit argumentiert werden konnte, dass (teilweise) verspätete Dokumentation keinen Einfluss auf ihre Zuverlässigkeit in einem spezifischen Fall hatte.

Dokumentationsanforderungen ab 2025

Wesentliche neue Vorschriften für die Einhaltung der Verrechnungspreisvorschriften traten in Deutschland ab dem 1. Januar 2025 in Kraft, die Änderungen wie eine verkürzte Einreichungsfrist von 30 Tagen für außergewöhnliche und gewöhnliche Verrechnungspreisdokumentationen einführten (d.h. lokale Datei einschließlich einer neu eingeführten Transaktionsmatrix und Master-Datei. Mehr dazu im TaxNewsFlash - Transfer pricing documentation). Die FA kann auch jederzeit Verrechnungspreisdokumentationen (gewöhnliche und außergewöhnliche) anfordern (bisher normalerweise nur während Betriebsprüfungen). Eine kurze Zusammenfassung der Änderungen der Regeln zur Dokumentationseinreichung für AGVs und GGV finden Sie in der folgenden Tabelle:

Tabelle GTPS

Nicht nur wurde die Einreichungsfrist auf Anfrage verkürzt (nur für gewöhnliche Verrechnungspreisdokumentation), sondern es wurde auch erstmals das Erfordernis einer obligatorischen Einreichung während einer Betriebsprüfung eingeführt. Ab dem 1. Januar 2025 muss die außergewöhnliche Verrechnungspreisdokumentation innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt einer Bekanntgabe der Prüfungsanordnung eingereicht werden. Es ist wichtig zu beachten, dass die Bekanntgabe der Prüfungsordnung nicht ausdrücklich die Anforderung für gewöhnliche oder außergewöhnliche Verrechnungspreisdokumentation enthalten muss. Die neue Einreichungsfrist gilt für Verrechnungspreisdokumentationen für alle „offenen“ Geschäftsjahre vor dem 1. Januar 2025, wenn eine Prüfungsanordnung für den relevanten Dokumentationszeitraum nach dem 31. Dezember 2024 bekanntgegeben wird.

Schlussfolgerung und wichtige Überlegungen
Die neuen und teilweise verkürzten Einreichungsfristen (und insbesondere das Erfordernis einer proaktiven Einreichung) können erhebliche Herausforderungen für die kurzfristige Erstellung ausreichender außergewöhnlicher und gewöhnlicher Dokumentationen darstellen. Insbesondere international tätige Gruppen mit Umstrukturierungsaktivitäten (Verlagerung von Funktionen aus Deutschland) und/oder Geschäftsverbindungen nach Deutschland wird daher dringend geraten, ihre Verrechnungspreisdokumentation in den kommenden Monaten zu überprüfen und gegebenenfalls zu aktualisieren.

Wenn Sie im Jahr 2024 außergewöhnliche Geschäftsvorfälle verwirklicht haben, empfehlen wir, die entsprechende Dokumentation bis zum 30. Juni 2025 vorzubereiten, um den deutschen Vorgaben zu entsprechen und gut auf zukünftige Betriebsprüfungen vorbereitet zu sein.

Gerne stehen Ihnen unsere KPMG-Experten für Verrechnungspreis für Fragen zur Verfügung.