Aufgrund fehlerhafter Widerrufsbelehrungen durch die Bank konnten viele Verbraucherinnen und Verbraucher in der Vergangenheit ihre Darlehensverträge widerrufen. Dieser „Widerrufsjoker“ ermöglichte ihnen, aus ihren Immobilienkrediten mit teuren Zinskonditionen rauszukommen.
Bei erfolgreichem Widerruf erfolgt eine Rückabwicklung des Darlehens. Darlehensnehmende können dabei nicht nur von ihnen gezahlte Tilgungen und Zinsen zurückfordern, sondern auch einen Nutzungsersatz von der Bank verlangen, weil diese mit den Zins- und Tilgungsleistungen bis zum Widerruf wirtschaften konnte.
Wie der Nutzungsersatz zu besteuern ist, war lange strittig
Dies führte zu Streitigkeiten darüber, ob Darlehensnehmende den erhaltenen Nutzungsersatz versteuern müssen. Die Finanzämter und Banken behandelten den Nutzungsersatz mehrheitlich als steuerpflichtigen Kapitalertrag und besteuerten ihn entsprechend. Mehrere Darlehensnehmende wehrten sich hiergegen. Die Finanzgerichte entschieden zunächst unterschiedlich.
Nunmehr hat der Bundesfinanzhof sich in zwei ersten Leiturteilen auf die Seite der Darlehensnehmenden gestellt und für mehr Klarheit gesorgt (Az.: VIII R 7/21 und VIII R 16/22).
Nutzungsersatz ist nicht steuerbar
Das Gericht urteilte, dass der von den Banken zu leistende Nutzungsersatz keinen steuerbaren Kapitalertrag darstellt. Die Rückabwicklung des Darlehensvertrages stelle keine erwerbsgerichtete Tätigkeit des Darlehensnehmenden dar und sei deshalb nicht steuerbar. Aus den gleichen Gründen sei der Nutzungsersatz auch nicht stattdessen als sonstige Einkünfte steuerbar.
Das Gericht konnte es offenlassen, ob der Nutzungsersatz für ein Darlehen zur Finanzierung einer vermieteten Wohnung unter Umständen als steuerpflichtiger Vermietungsertrag anzusehen ist. So hatte zumindest das Finanzgericht Düsseldorf in der Vorinstanz entschieden.
Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung diese Entscheidungen zukünftig anwenden wird. Steuerpflichtige, deren Entschädigungen als steuerpflichtige Kapitalerträge behandelt wurden, sollten einen Einspruch gegen ihren Einkommensteuerbescheid prüfen.
Sebastian Meinhardt
Partner, Financial Services, Tax Asset Management
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft