Der eDiscovery-Prozess ist als digitale Ermittlungsmethode ein wesentlicher Bestandteil der Aufarbeitung und Untersuchung von Dateninhalten im Rahmen von beispielsweise Rechtsstreitigkeiten, Schiedsverfahren, Sonderuntersuchungen, internen Ermittlungen und der Behandlung von Datenlecks. In diesem Zusammenhang sind Unternehmen und Anwaltskanzleien mit einer überwältigenden Menge an Daten konfrontiert. Um diese Daten aufzuarbeiten und detailliert zu analysieren, ist eine präzise Vorgehensweise unerlässlich. 

Künstliche Intelligenz (KI) kann Projektkosten erheblich senken

Derartige Projekte waren bislang geprägt durch das Entwickeln von Suchfiltern, Suchwortlisten und häufig ein groß angelegtes manuelles Dokumenten-Review. Zwar hat sich die Technologie deutlich weiterentwickelt und KI-Ansätze wie „Predictive Coding“ oder „Technology Assistend Review“ konnten unter bestimmten Voraussetzungen Projektkosten zum Teil erheblich senken. Dennoch können eDiscovery-Projekte teuer werden, da bisherige KI-Ansätze an ihre Grenzen stießen. Generative KI revolutioniert die Art und Weise, wie Unternehmen ihre eDiscovery-Prozesse angehen, und erfordert ein Umdenken in der Identifikation und Sichtung der Daten. Gleichzeitig sind wichtige Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit und Qualitätskontrolle zu stellen. Und letztendlich sind die Projektbeteiligten auch darin zu schulen, die Software und damit die KI im Projektkontext sinnvoll zu „befragen“  - ein fundiertes Prompt Engineering kann ein entscheidender Erfolgsfaktor sein.

Dokumente werden nicht einzeln, sondern im Gesamtzusammenhang betrachtet

Generative KI ermöglicht es, große Datenmengen zügig und zu gezielt auf den Gegenstand der Untersuchung zu analysieren. Sie kann relevante Informationen extrahieren, Dokumente klassifizieren, Verknüpfungen identifizieren und Zusammenfassungen erstellen. Durch diese Technologie ergeben sich erhebliche Vorteile, da die Effizienz und Genauigkeit bei der Dokumentensuche und -analyse erhöht werden. Durch den Einsatz von KI-gestützten Algorithmen können große Mengen an Daten in kürzerer Zeit durchsucht und inhaltlich gewürdigt werden. Darüber hinaus erfolgt nicht nur eine intelligente Kategorisierung von Dokumenten, sondern auch Priorisierung, wodurch sich Projekt-Teams auf die entscheidenden Aspekte eines Falls bzw. Projekts konzentrieren können. Zudem kann generative KI Muster, Zusammenhänge und Nuancen aufdecken, was zu belastbaren rechtlichen Entscheidungen führen kann. Die Art des Reviews ändert sich damit von einer Einzelbetrachtung, z.B. eines einzelnen Dokuments, zu einer Einbettung im Gesamtzusammenhang.

Die verbesserte Effizienz kann dafür sorgen, dass oft langwierige und kostenintensive eDiscovery-Prozesse vermieden werden. Mit der Unterstützung von generativer KI können Unternehmen folglich den Prozess der Datenanalyse optimieren, was zu einer deutlichen Reduzierung der Bearbeitungs- und Review-Zeiten führt. Dies ist besonders wichtig in rechtlichen Kontexten, in denen Fristen eingehalten werden müssen und jede Verzögerung schwerwiegende Folgen haben kann. Die genannten Punkte reduzieren den zeitlichen Aufwand im Vergleich zu einer rein manuellen Durchsicht entsprechend erheblich. Unternehmen und Anwaltskanzleien können sich auf das Wesentliche konzentrieren: die strategische Analyse der gefundenen Daten zur Aufarbeitung des Falls und die Entwicklung fundierter Entscheidungen.

Neuerungen und Anwendungsmöglichkeiten generativer KI

Generative KI ist in der Lage, Muster und Zusammenhänge innerhalb der Daten zu erkennen, die für Menschen möglicherweise nicht sofort offensichtlich sind, was zu wertvollen Einsichten führen kann. Dabei werden Suchabfragen in natürlicher Sprache formuliert, um die Ziele des Suchenden besser zu erfassen und zu berücksichtigen. Aktuelle Softwareprodukte können außerdem Einschätzungen geben, warum das gefundene Dokumente im Zusammenhang mit dem Projekt als relevant erachtet wird. Auch auf mögliche Risiken wird eingegangen. Anstatt sich auf spezifische Schlagwörter zu beschränken, ermöglicht die KI demnach eine kontextbasierte Suche, die auch synonym verwendete Begriffe und verwandte Konzepte berücksichtigt. So werden relevante Dokumente, die sonst möglicherweise übersehen würden, leichter gefunden.

 Dadurch, dass der KI ein konkreter Projektkontext und Ziele „beigebracht werden“, kann die KI Dokumente automatisch nach Relevanz und Sensibilität klassifizieren. Dementsprechend können Dokumente automatisch in Kategorien wie „relevant“, „nicht relevant“ oder „privilegiert“ (sog. „priviledged“) eingeordnet werden. Dies reduziert den manuellen Aufwand der Sichtung der Dokumente erheblich, beschleunigt den gesamten eDiscovery-Prozess und kann gleichzeitig die Qualität der Ergebnisse verbessern. Unternehmen und Anwaltskanzleien müssen nicht mehr außerordentliche Mengen an Dokumenten durchsehen, sondern können sich auf die kritischsten Informationen konzentrieren.

Mit jeder Interaktion verbessert sich die Leistung der generativen KI. Sie lernt aus den Eingaben der Benutzerinnen und Benutzer und passt ihre Modelle kontinuierlich an, was zu einer stetigen Verbesserung der Suchergebnisse führt.

Viele moderne Lösungen bieten benutzerfreundliche Dashboards und Schnittstellen, die es Anwendenden ermöglichen, auch ohne tiefgreifende technische Kenntnisse effizient mit der Technologie zu arbeiten. Dies fördert die Akzeptanz und den effektiven Einsatz der Technologie in verschiedenen Abteilungen eines Unternehmens.

Generative KI kann umfassende Dokumentensätze analysieren und prägnante Zusammenfassungen der wichtigsten Informationen erstellen. Dabei werden die Ergebnisse bereits in Texten zusammengefasst - ob als Fließtext oder in Stichpunkten, je nach Auswahl der Nutzerinnen und Nutzer. So ist es beispielsweise möglich, die Kommunikation zwischen zwei Personen (sog. Custodians) zusammenzufassen und in einer Zeitleiste darstellen zu lassen. Die Einsichtnahme in die Dateninhalte wird damit sehr niederschwellig. Das hilft Anwaltskanzleien schnell einen Überblick über einen Fall zu gewinnen und die wichtigsten Argumente oder Beweise zu identifizieren, was den Entscheidungsprozess effizienter gestaltet.

Vorteile für Unternehmen und Anwaltskanzleien

  • Genauigkeit und schnellere Einsichten: Durch kontextbasierte Suchen haben Analystinnen und Analysten Einblicke und gleichzeitig Zugriff auf die Zusammenhänge von Dokumenten und deren Inhalte. Ferner können KI-Modelle menschliche Fehler bei der Dokumentenklassifizierung und -bewertung reduzieren.
  • Kostenersparnis: Ein Großteil der Kosten für eDiscovery-Projekte entsteht in der Regel während des Dokumenten-Reviews. Durch die Reduzierung der benötigten Arbeitsstunden sparen Unternehmen Zeit und Geld. Kosteneffizienz ist aktuell ein entscheidender Erfolgsfaktor  - angesichts dessen bietet die qualitätsgesicherte Implementierung und Anwendung von KI-Lösungen einen klaren Wettbewerbsvorteil.
  • Schnellere Ergebnisse: Die Automatisierung von Routineaufgaben beschleunigt den gesamten Prozess. Dies ist besonders wichtig in zeitkritischen Situationen, in denen schnelle Reaktionen und Antworten auf entscheidende Fragen erforderlich sind. Unternehmen und Anwaltskanzleien können damit beispielsweise neu hinzukommende Beweismittel (z.B. Daten eines weiteren Custodians) schneller einordnen und analysieren, was den Erfolg ihrer Fälle beeinflussen kann.
  • Verbesserte Compliance: Durch fundiertere, zielgerichtetere, umfassendere und qualitätsgesicherte Datenanalysen können Unternehmen sicherstellen, dass sie den gesetzlichen Anforderungen und internen Richtlinien gerecht werden. Dies mindert das Risiko von rechtlichen Konsequenzen und schützt das Unternehmen vor möglichen Konsequenzen, darunter sogar Strafen.

Die Fähigkeiten der einschlägigen Softwareprodukte in eDiscovery-Projekten sind beachtlich. In kürzester Zeit können neue Erkenntnisse gewonnen werden. Gleichzeitig gibt es aber auch Risiken, die beachtet werden sollten.

Mögliche Risiken:

  • Fehlerhafte Klassifizierung: Generative KI kann Dokumente falsch klassifizieren oder wichtige Informationen übersehen. Diese Fehler können zu rechtlichen Nachteilen führen, wenn dies durch das Projektteam nicht erkannt und behandelt wird.
  • Bias und Diskriminierung: KI-Modelle können unbeabsichtigte Vorurteile („Algorithmische Voreingenommenheit“, Bias) aufweisen, die aus den Trainingsdaten stammen und möglicherweise zu unfairen Ergebnissen führen. Es kann dazu kommen, dass bestimmte Dokumente oder Informationen systematisch bevorzugt oder benachteiligt werden, was die Integrität der Ergebnisdarstellung und des eDiscovery-Prozesses gefährden kann.
  • Regulatorische und rechtliche Risiken: Der Umgang mit sensiblen Daten erfordert besondere Vorsicht. Die Nutzung von KI unterliegt regulatorischen oder rechtlichen Vorgaben. Unzureichende Compliance und Missachtung regulatorischer Vorschriften und Gesetzen kann zu rechtlichen Konsequenzen führen. Deswegen sollte stets die aktuelle Gesetzeslage im Blick behalten werden. eDiscovery-Projekte sind zudem oftmals durch einen internationalen Fokus geprägt. Dementsprechend sollte auch die Rechtslage in den jeweiligen Ländern berücksichtigt werden.
  • Komplexität der Integration: Die Implementierung von generativer KI in bestehende eDiscovery-Workflows kann komplex sein und erfordert oft Anpassungen der Infrastruktur und insbesondere auch der Datenverarbeitungs- und Qualitätssicherungsprozesse. Außerdem sollten Projektbeteiligte geschult werden.

Diese Aufgaben und Herausforderungen erfordern eine sorgfältige Planung und Implementierung, um die Vorteile der generativen KI im eDiscovery-Prozess optimal nutzen zu können, während potenzielle Risiken minimiert werden.

Sprechen Sie mich gerne jederzeit an.