Die Nutzung von Instant Payments wächst rasant - in Europa und weltweit. In den USA verzeichnete das RTP (Real-Time Payment) Netzwerk im ersten Quartal 2024 beeindruckende 76 Millionen Transaktionen im Wert von 42 Milliarden USD. Das allein wäre nicht brisant aber das Netzwerk zeigt ein kontinuierliches Wachstum mit einer durchschnittlichen vierteljährlichen Wachstumsrate von 15% seit 20191.
Mit einer überarbeiteten EU-Verordnung zu Instant Payments2 kommt nun noch mehr Bewegung in das Thema auch im SEPA-Raum. In Europa hat der Anteil der SEPA Instant Credit Transfers (SCT Inst) an allen SEPA-Überweisungen im ersten Quartal 2024 17,8% erreicht, was die zunehmende Akzeptanz und Nutzung dieser Zahlungsmethode zeigt3. Auch hier ist ein deutliches Wachstum erkennbar.
Mit der neuen EU-Verordnung wird die Einführung dieser Technologie beschleunigt. Diese Entwicklung bringt sowohl immense Chancen als auch Herausforderungen mit sich, insbesondere für die Bereiche Compliance und Sicherheit. In diesem Artikel beleuchten wir die wichtigsten Aspekte von Instant Payments und ihre Auswirkungen auf das Corporate Treasury. Details zu der EU-Verordnung und der Umsetzung aus der Sicht von Banken finden Sie auch im KPMG Klardenker Artikel: „Instant Payments: So setzen Banken die neuen Pflichten richtig um“ vom 12.02.20244.
Was ist neu bei der EU-Verordnung zu Instant Payments?
Die wichtigsten Neuerungen der EU-Verordnung, sollen im Folgenden zusammengefasst werden:
- Verpflichtung zur Bereitstellung von Instant Payments:
Zahlungsdienstleister müssen ihren Kunden an 365 Tagen im Jahr, rund um die Uhr, Echtzeitüberweisungen anbieten. Die Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. Innerhalb von neun Monaten nach Inkrafttreten müssen Zahlungsdienstleister in der Lage sein, Instant Payments zu empfangen (bis 09.01.2025), Instant Payments zu senden (bis 09.10.2025), EUR-IPs außerhalb von Euroraums zu empfangen (09.01.2027) sowie EUR-IPs außerhalb des Euroraums zu senden (09.07.2027). - Kosten und Verfügbarkeit:
Instant Payments dürfen nicht teurer sein als herkömmliche SEPA- und SWIFT-Transaktionen. Mittelfristig sollen Zahlungsinstitute Instant Payments auch außerhalb des Euroraums in Euro empfangen und senden können. - Sicherheits- und Compliance-Anforderungen:
Zahlungsdienstleister müssen sicherstellen, dass ihre Systeme den höchsten Sicherheitsstandards entsprechen. Eine tägliche Überprüfung, ob sich unter den Kunden Personen auf Sanktionslisten befinden, ist vorgeschrieben. Bei Übereinstimmungen müssen die Vermögenswerte der betroffenen Kunden sofort eingefroren werden. - Betragsgrenzen:
Die gesetzten Betragsgrenzen sind wesentlich für die Strategische Ausrichtung des Themas SEPA Instant Payments. Zunächst wurden SEPA Instant Payments nur bis zu einer Betragsgrenze von 10.000 EUR speziell mit dem Fokus auf Endkunden-Zahlungen (Retail) angeboten. Aktuell sind bereits Echtzeitüberweisungen bis 100.000 EUR möglich. Künftig könnte die Begrenzung auch vollständig aufgehoben werden, was SEPA Instant Payments letztlich auch für Firmenkunden und Treasury-Abteilungen so interessant macht. Bitte beachten Sie, dass diese Informationen auf dem aktuellen Stand bis Juni 2024 sind. Es ist immer ratsam, die neuesten Entwicklungen zu überprüfen, da sich die Vorschriften ändern können. - Weitere Regeln:
Um die Akzeptanz der SEPA Instant Payments zu erhöhen und diese mit herkömmlichen SEPA-Zahlungen gleichzustellen, hat der Gesetzgeber weitere Regeln verankert:
- Banken müssen die Daten der SEPA Instant Payment auf Plausibilität prüfen (insbesondere ist eine Prüfung der IBAN gegen den Empfänger-Namen erforderlich, der “IBAN-Name-Check”).
- Ein Settlement von Massenzahlungen (Bulk Files) muss möglich sein.
- Grenzüberschreitende Zahlungen innerhalb der EU müssen ermöglicht werden.
- Das Settlement muss innerhalb von 10 Sekunden erfolgen.
Diese Verordnung stellt sicher, dass Instant Payments europaweit flächendeckend und kostengünstig angeboten werden, was die Integration und Nutzung dieser Technologie fördert.
Use Cases für Instant Payments im Corporate Treasury
Regelmäßig sehen wir uns mit der Frage konfrontiert, ob SEPA Instant Payments für Treasury-Abteilungen überhaupt relevant sind. Tatsächlich gehen wir davon aus, dass Instant Payments das Corporate Treasury mittelfristig grundlegend verändern werden. Anhand der folgenden Anwendungsfälle wird die Tragweite deutlich:
- Endkundenzahlungen
Mit der Einführung von SEPA Instant Payments und der Verpflichtung zum kurzfristigen Settlement innerhalb von 10 Sekunden wurde seitens der EU zunächst eine neue Zahlart geschaffen. Diese kann im Stationären Handel und Online-Handel Anwendung finden – beispielsweise für schneller Rückerstattungen an Kunden oder gar als Alternative für etablierte Endkunden-Zahlverfahren wie Giropay oder Kartenzahlungen. Der Ansatz ist nicht neu, denn auch andere bestehende Initiativen drängen auf die Schaffung eines konkurrenzfähigen Angebotes zu Kartenzahlungen – so zum Beispiel mit dem WERO (als Nachfolger zu GiroPay und verantwortet durch die European Payments Initiative, EPI) oder mit dem digitalem Zentralbankgeld (verantwortet durch die Europäische Union). Im Sinne der Kundenerwartungen sollten Unternehmen im B2B-Bereich die Relevanz von SEPA Instant Payments als neue Zahlart für die eigene Kundengruppe bewerten. - Optimierung des kurzfristigen Cash Management
Ein besonders relevanter Use Case für Instant Payments im Corporate Treasury ist die Optimierung der kurzfristigen Liquiditätssteuerung. Durch die sofortige Verfügbarkeit von Geldern und die präzise Echtzeitüberwachung der Zahlungsströme können Unternehmen ihre kurzfristige Liquiditätssteuerung erheblich vereinfachen und verbessern. So könnten die aufwändigen und oft ungenauen Verfahren des traditionellen Cash Forecastings dort, wo Echtzeitinformationen zu Kontoständen und Echtzeitzahlungen möglich sind, weitgehend überflüssig werden. Mit Instant Payments haben Treasurer die Möglichkeit, ihre Dispositionen untertägig exakt anzupassen, da sie jederzeit einen klaren Überblick über den aktuellen Finanzstatus haben und künftig Zahlungen ohne Vorlaufzeit einstellen können. Dies reduziert nicht nur den Verwaltungsaufwand, sondern minimiert auch das Risiko von Liquiditätsengpässen und optimiert die Nutzung der verfügbaren Mittel.
Anders gesagt: Wenn ich meine Kontostände in Echtzeit sehen kann und Überweisungen in Echtzeit tätigen kann, wird meine Disposition nicht nur präziser, sondern auch unabhängig vom kurzfristigen Forecasting. Vorbei sind die Tage, in denen Zinsschäden durch ungenaue Dispo und Forecasts entstehen. - Ausweitung der Disposition
Eine mögliche Ausweitung von SEPA Instant-Payments auch auf “Treasury-Zahlungen“ wird den Druck auf eine Automatisierung im Treasury erhöhen. Die Möglichkeit, Zahlungen mit hohen Beträgen (> 100.000 EUR) rund um die Uhr zu senden und zu empfangen wird die Notwendigkeit erzeugen, die Disposition auch außerhalb der üblichen Geschäftszeiten auszuweiten. Anders gesagt werden durch SEPA-Instant-Payments in unbegrenzter Höhe die gewohnten “Öffnungszeiten der Banken“ und die Limitierungen durch die Cut-Off-Times der Settlement-Systeme obsolet, was die Frage nach sinnvollen Business-Hours einer Treasury-Abteilungen aufwerfen wird. Nachdem eine Besetzung des Treasury rund um die Uhr unrealistisch ist, bleibt langfristig letztlich nur die Möglichkeit einer weiteren Automatisierung der Prozesse für Handel und Cash Management (zum Beispiel durch die Hinterlegung von Regeln oder den Einsatz von Robotic Process Automation). - Erhöhung der Transparenz und Sicherheit bei internationalen Transaktionen
Unternehmen, die global tätig sind, stehen oft vor der Herausforderung, grenzüberschreitende Zahlungen sicher und transparent abzuwickeln. Instant Payments können hier eine Lösung bieten, indem sie die Nachvollziehbarkeit und Sicherheit der Transaktionen erhöhen. Zum Beispiel könnte ein multinationales Unternehmen, das regelmäßig Waren aus verschiedenen Ländern importiert, von der sofortigen Bestätigung und der klaren Nachvollziehbarkeit jeder Transaktion profitieren.
Ein Beispiel wäre ein Unternehmen, das Waren aus Asien importiert und in Europa verkauft. Mit Instant Payments können Zahlungen in Echtzeit verfolgt werden, was das Risiko von Betrug und Fehlern minimiert. Dies erhöht nicht nur die Sicherheit, sondern auch die Effizienz der finanziellen Abläufe und bietet eine bessere Grundlage für die finanzielle Planung und das Risikomanagement.
Dies sind nur exemplarische Anwendungsbeispiele, die verdeutlichen, wie Instant Payments nicht nur die Effizienz und Sicherheit in verschiedenen Geschäftsprozessen verbessern, sondern auch die Beziehungen zu Partnern und Lieferanten verändern können. Die Integration dieser Technologie kann somit einen erheblichen Mehrwert für das Corporate Treasury schaffen.
Implementierung von Instant Payments: Was Treasurer wissen müssen
Die Implementierung von Instant Payments erfordert eine sorgfältige Planung und Koordination. Konkret müssen Treasurer eng mit IT-Abteilungen und externen Anbietern zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die technischen Anforderungen erfüllt werden. Dies umfasst mehrere spezifische Bereiche:
Technische Integration: Instant Payments müssen nahtlos in bestehende ERP- und Finanzsysteme integriert werden. Dies erfordert oft Anpassungen der bestehenden Software (zum Beispiel Zahlläufe) oder die Anpassung von Schnittstellen (zum Beispiel Anlage neuer Zahlformate hin zu den Banken).Die IT-Abteilung spielt hierbei eine zentrale Rolle, um die technischen Voraussetzungen und die Kompatibilität mit verschiedenen Banken und Zahlungsdienstleistern sicherzustellen.
Skalierbarkeit und Performance: Instant Payments erfordern eine Infrastruktur, die hohe Transaktionsvolumina und die Geschwindigkeit der Zahlungen bewältigen kann. IT-Abteilungen müssen sicherstellen, dass die Systeme skalierbar sind und auch bei hoher Auslastung stabil und performant bleiben. Dies kann die Implementierung von Cloud-Lösungen oder anderen skalierbaren Technologien erfordern.
Sicherheits- und Compliance-Anforderungen: IT-Experten müssen sicherstellen, dass alle Transaktionen verschlüsselt und gegen Cyberangriffe geschützt sind. Dies beinhaltet die Implementierung von Multi-Faktor-Authentifizierung, die Durchführung regelmäßiger Penetrationstests und die kontinuierliche Überwachung der Systeme auf Sicherheitslücken. Während diese Sicherheitsmaßnahmen auch in traditionellen Zahlungssystemen wichtig sind, erfordert die Geschwindigkeit und das Volumen von Instant Payments eine noch robustere Sicherheitsinfrastruktur. So müssen Treasurer sicherstellen, dass ihre Zahlungsprozesse zum Beispiel den Anforderungen an Transaktionsüberwachung weiterhin gerecht werden. Überwachungssysteme müssen verdächtige Aktivitäten sofort erkennen und melden. Systeme zur Überwachung des Zahlungsverkehrs müssen daher in der Lage sein, mit der Geschwindigkeit der Echtzeit-Zahlungen Schritt zu halten, um die Einhaltung von Vorschriften und die Sicherheit der Transaktionen zu gewährleisten.
Zusammenarbeit mit externen Anbietern: Externe Anbieter von Zahlungslösungen können spezifische Technologien und Expertise bereitstellen, die für die Implementierung von Instant Payments notwendig sind. Dies kann Technologien für Betrugspräventionstechnologien oder Compliance-Tools umfassen. Die enge Zusammenarbeit mit diesen Anbietern hilft sicherzustellen, dass alle Komponenten reibungslos zusammenarbeiten und die Anforderungen der neuen EU-Verordnung erfüllt werden.
Nutzung der Technologie: Eine umfassende Schulung der Mitarbeiter ist unerlässlich, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. IT-Abteilungen müssen sicherstellen, dass Treasury-Teams und andere relevante Abteilungen mit den neuen Systemen und Prozessen vertraut sind und wissen, wie sie diese effektiv nutzen können. Unternehmen müssen Strategien entwickeln, um die zusätzlichen Daten, die durch Echtzeit-Zahlungen generiert werden, effektiv zu nutzen und zu analysieren.
Strategische Ausrichtung: In jedem Fall sollten auch bestehende Provider kritisch auf Ihre Innovationskraft hinterfragt werden. Beschäftigt sich der hauseigene Payment Service Provider mit SEPA Instant Payments und WERO und (wann) wird er in der Lage sein, die neuen Zahlarten anzubieten? Ist mein TMS-Anbieter in der Lage, neue Innovationen auf Seiten der Banken mitzugehen, Prozesse zu automatisieren und in welcher Qualität und Geschwindigkeit?
Es gibt also in der Tat einiges zu tun.
Fazit: Chancen und Herausforderungen
Die Einführung von Instant Payments bietet zahlreiche Vorteile. Unternehmen können ihre Liquidität verbessern, da Zahlungen nahezu in Echtzeit abgewickelt werden. Es bedarf keiner hellseherischen Fähigkeiten um zu prognostizieren dass in nicht allzu ferner Zukunft Instant Payments die neue Norm sind. Dies reduziert die Notwendigkeit großer Liquiditätspuffer und ermöglicht eine effizientere Nutzung von Kapital sowie den schnelleren Geldeingang von Fremdwährungen. Darüber hinaus tragen Echtzeit-Zahlungen dazu bei, das Risiko von Zahlungsausfällen zu verringern, da die sofortige Bestätigung des Zahlungseingangs die finanzielle Planung und das Risikomanagement verbessert. Echtzeitzahlungen stellen aber auch einige neue Anforderungen an die tägliche Finanzdisposition und fordern Unternehmen dazu auf, ihren Kunden neue Zahlarten anzubieten.
Natürlich sind mit der Einführung von Instant Payments auch Herausforderungen verbunden. Die Notwendigkeit, bestehende IT-Infrastrukturen anzupassen, um die hohen Transaktionsvolumina und die Geschwindigkeit der Zahlungen zu bewältigen, erfordert erhebliche Investitionen. Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Systeme robust und sicher sind, um Risiken angemessen zu steuern.
Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 145, Juli 2024
Autoren:
Börries Többens, Partner, Finance and Treasury Management, Corporate Treasury Advisory, KPMG AG
Alexander Horn, Senior Manager, Finance and Treasury Management, Corporate Treasury Advisory, KPMG AG
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1 Vgl. www.theclearinghouse.org/payment-systems/Articles/2024/04/RTP_Network_Breaks_Instant_Payments_Records_04-04-2024
2 Vgl. Regulation (EU) 2024/886; https://eur-lex.europa.eu/eli/reg/2024/886/oj
3 Vgl. What are instant payments? (europa.eu)
4 Vgl. Instant Payments: So setzen Banken die neuen Pflichten richtig um (kpmg.de)
Börries Többens
Partner, Financial Services, Finance & Treasury Management
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft