Der Lebenszyklus eines Treasury Management Systems ist ein komplexer und strategischer Prozess, der mit der sorgfältigen Auswahl des passenden Systems beginnt und durch die entscheidenden Phasen der Implementierung und Hypercare führt. Im ersten Artikel haben wir die fundamentale Bedeutung eines TMS für die moderne Treasury-Funktion herausgearbeitet. Die Auswahlphase war geprägt von der detaillierten Analyse funktionaler und nicht-funktionaler Anforderungen, der Einbindung relevanter Stakeholder und der Priorisierung von Kriterien, die den Weg zu einem passgenauen System ebnen. Diese Schritte sind entscheidend, um ein System zu wählen, das nicht nur den aktuellen Anforderungen entspricht, sondern auch zukünftige Entwicklungen berücksichtigt.
Im zweiten Artikel beleuchten wir die Implementierungs- und Hypercare-Phase, in der das TMS in die bestehende IT-Landschaft integriert und umfassend getestet wurde. Diese Phasen sind mehr als nur technische Prozesse; sie sind transformative Schritte, die das Unternehmen auf eine neue Ebene der Effizienz und Sicherheit heben. Die sorgfältige Planung und Organisation, die Wahl des geeigneten Projektmanagement-Ansatzes und das strukturierte Testmanagement erwiesen sich als essenziell, um die Systemeinführung erfolgreich zu gestalten und die Grundlage für einen stabilen Betrieb zu schaffen.
Mit dem Übergang in den laufenden Betrieb beginnt die längste und kontinuierlich herausfordernde Phase des TMS-Lebenszyklus. Diese Phase ist geprägt von fortlaufender Optimierung und Anpassung, um den sich wandelnden Anforderungen gerecht zu werden. Regelmäßige Überprüfungen anhand definierter Erfolgskriterien sind notwendig, um die Leistungsfähigkeit des Systems zu erhalten und sicherzustellen, dass es den hohen Ansprüchen des Unternehmens dauerhaft gerecht wird.
Folgende Grafik hebt die beiden relevanten Phasen im Lebenszyklus hervor:
Abbildung 3: Eigene Darstellung: Der TMS-Lebenszyklus
Quelle: KPMG AG
Laufender Betrieb – Optimierung und kontinuierliche Anpassung
Um den langfristigen Einsatz des TMS sicherzustellen, ist es essenziell, klare Erfolgskriterien für den laufenden Betrieb zu definieren. Diese Kriterien sollten sowohl quantitative als auch qualitative Aspekte umfassen, wie beispielsweise Systemverfügbarkeit, Benutzerzufriedenheit, Flexibilität in der Abbildung von Prozessoptimierungen und Einhaltung regulatorischer Anforderungen. Regelmäßige Release-Upgrades bringen neue Funktionen und Verbesserungen, die die Leistungsfähigkeit des Systems erhöhen und es auf dem neuesten Stand halten.
Änderungen in Aufgaben, Teamzusammenstellung, Treasury-Strategie, Support durch den Anbieter sowie Anforderungen von außen – wie z.B. geänderte regulatorische Vorgaben, neue Rechnungslegungsvorschriften oder technische Sicherheitsstandards – sollten regelmäßig berücksichtigt werden. Zusätzlich ist zu beobachten, dass üblicherweise mit längerer Nutzungsdauer auch der Anwendungsumfang des Systems steigen kann, was sich sowohl durch das stetig wachsende Anwenderwissen wie auch durch externe Anforderungen begründen lässt.1 Änderungen in der Regulatorik, Systemänderungen außerhalb von der Treasury-Abteilung und neue Zahlungsformate wie Instant Payments können die Anforderungen an das TMS beeinflussen. Eine solche proaktive Herangehensweise stellt sicher, dass das Treasury Management System den hohen Ansprüchen des Unternehmens gerecht und anpassungsfähig bleibt. Darüber hinaus ermöglicht sie eine frühzeitige Identifikation von Abweichungen gegenüber den Anforderungen, sodass rechtzeitig Maßnahmen ergriffen werden können, um den Einsatz des Systems zu hinterfragen und gegebenenfalls anzupassen.
Eine jährliche Überprüfung der definierten Erfolgskriterien ermöglicht eine kontinuierliche Verbesserung und Anpassung des Systems an sich verändernde Anforderungen. Durch eine systematische Analyse der Systemperformance können Schwachstellen identifiziert und behoben werden, was zu einer verbesserten Funktionalität und Zuverlässigkeit führt. Dabei sollten spezifische KPIs wie Reaktionszeiten bei Störungen, die Anzahl der Change Requests und der Aufwand im Betrieb definiert und überwacht werden. Diese Kennzahlen bieten wertvolle Einblicke in die Effizienz der Betriebsprozesse und helfen, gezielte Maßnahmen zur Optimierung des Systems einzuleiten.
Im Lebenszyklus eines TMS beginnt die Auslaufphase bzw. der „Sundown“, wenn ein Systemwechsel erforderlich wird. In dieser Phase werden die Fragen aus Kapitel 1 erneut relevant, da sie sich mit der Planung und Umsetzung des Systemauslaufs, der Migration zu neuen Systemen und der Sicherstellung der Datenintegrität während des Übergangs beschäftigen. Eine sorgfältige Planung und Durchführung dieser Phase ist entscheidend, um einen reibungslosen Übergang und die kontinuierliche Unterstützung der Geschäftsprozesse zu gewährleisten. Ein strukturierter und gut dokumentierter Auslaufprozess stellt sicher, dass alle relevanten Daten sicher archiviert oder migriert und die notwendigen Anpassungen vorgenommen werden. Dies minimiert Risiken und gewährleistet, dass das Unternehmen auch während des Übergangs weiterhin effizient arbeiten kann.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass ein Auslauf bzw. Sundown nicht zwangsläufig erfolgen muss. Der Lebenszyklus eines TMS kann sich durch regelmäßige Optimierungen im Betrieb und größere Anpassungen oder Upgrades im Projektmodus weiterdrehen. Bei solchen größeren Anpassungen sind systematische Überprüfungen der Passgenauigkeit des Systems sinnvoll, die jedoch nicht zwangsläufig zu einem Wechsel führen. Nur wenn eine solche Überprüfung, beispielsweise durch ein stark verändertes Anforderungsprofil im Falle eines Carve-outs oder Mergers, notwendig wird, leitet dies einen Systemwechsel ein. Der Sundown des bisherigen Systems und die Einführung eines neuen, besser passenden Systems werden dann relevant.
Der Sundown bietet zudem die Gelegenheit, wertvolle Erkenntnisse aus dem Betrieb des alten Systems zu gewinnen und diese in die Implementierung und Optimierung des neuen Systems und der zugrunde liegenden Fachprozesse einfließen zu lassen. So wird nicht nur der Übergang erleichtert, sondern auch die Grundlage für zukünftige Verbesserungen geschaffen.
Mit dem Abschluss der Auslaufphase endet der Lebenszyklus des Treasury Management Systems, und der Fokus verschiebt sich auf den erfolgreichen Go-Live, Cutover und den Betrieb des neuen TMS. Durch eine sorgfältige Planung und Umsetzung dieser Phase wird sichergestellt, dass die Treasury-Abteilung und dadurch das gesamte Unternehmen auch in Zukunft von einem leistungsfähigen und anpassungsfähigen TMS profitieren kann.
Fazit und Ausblick
Im Verlauf dieses Artikels haben wir die wichtigsten Phasen des Lebenszyklus eines Treasury Management Systems (TMS) beleuchtet. Angefangen bei den vielfältigen Anlässen zur Beschäftigung mit einem TMS, über den Auswahlprozess und dessen Implementierung, bis hin zur Stabilisierung, kontinuierlicher Optimierung im laufenden Betrieb und letztlich zum Ausphasen des alten Systems, das mit dem Übergang auf das neue System endet.
Jede Phase des TMS-Lebenszyklus bringt unterschiedliche Herausforderungen mit sich. Bei einer ganzheitlichen Betrachtung können diese Herausforderungen als Chancen genutzt werden, um Innovationen zu fördern und Verbesserungen zu erzielen. Durch diesen Ansatz können Unternehmen ihre Prozesse optimieren und neue Perspektiven gewinnen, die zur Weiterentwicklung und Anpassung an sich verändernde Anforderungen beitragen.
Von entscheidender Bedeutung ist ein umfassendes Change Management, das relevante Stakeholder frühzeitig involviert und die gemeinsame Transformationsreise durch offene, zeitnahe sowie adressatengerechte Kommunikation unterstützt. Ebenso sind entsprechende Projektstrukturen und -prozesse relevant und geben Orientierung in einem dynamischen Umfeld.
Die fachlichen und nicht-fachlichen Anforderungen sind präzise und vollständig unter Einbindung von zusätzlichen Stakeholdern zu formulieren. Eine gemeinsame Priorisierung unterstützt einen möglichst objektiven, mehrstufigen Entscheidungsprozess.
Die erfolgreiche Einführung wird stark von einem umfänglichen Testmanagement sowie der Wahl eines für die Organisation passenden Implementierungsansatzes beeinflusst. Herausforderungen in dieser Phase umfassen die Schnittstellen zu anderen Systemen sowie eine sorgfältige Go-Live und Cut-Over-Planung. Daran schließt sich direkt die Hypercare-Phase an, in der das System den ersten Härtetest im operativen Betrieb durchläuft. Auftretende Fehler müssen effizient und effektiv ausgemerzt werden.
Im Rahmen der Hypercare-Phase ist es wichtig, den Change-Management Prozess gezielt zu organisieren. Dieser Prozess fokussiert sich auf die Anpassung und Unterstützung der Nutzer während der kritischen Anfangszeit nach der Einführung. Hierbei geht es darum, die Akzeptanz des neuen Systems zu fördern und sicherzustellen, dass alle Beteiligten die notwendigen Schulungen und Unterstützung erhalten, um das System effektiv zu nutzen.
Im laufenden Betrieb steigt der Reifegrad des Systems und es ist regelmäßig anhand definierter Erfolgskriterien (z.B. Betriebskosten oder Reaktionszeiten bei Störungen) zu überprüfen, ob das System noch die optimale Lösung für die Treasury-Abteilung ist. Sofern diese Frage mit einem „Nein“ beantwortet wird und ein positiver Business Case für ein Upgrade oder ein neues System vorliegt, kann der Sundown spätestens mit der Neuauswahl sowie anschließender Implementierung eines neuen TMS eingeläutet werden.
Der Artikel zeigt, dass die Einführung und der Betrieb eines TMS eine sorgfältige Planung und kontinuierliche Anpassung erfordern. Durch die Berücksichtigung der Erfolgsfaktoren und die proaktive Bewältigung der Herausforderungen kann ein TMS langfristig erfolgreich betrieben werden.
In der Zukunft wird es für Unternehmen weiterhin entscheidend sein, kontinuierlich neue Technologien und Trends im Treasury-Management zu beobachten und zu integrieren. Die regelmäßige Anpassung und Optimierung des TMS ist zentral, um den hohen Ansprüchen und den sich verändernden regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden. Hierbei kann Künstliche Intelligenz (KI) eine wesentliche Rolle spielen. KI-Technologien ermöglichen die Automatisierung komplexer Datenanalysen, die Erstellung präziser Prognosen und die Beschleunigung von Entscheidungsprozessen und werden auch im Treasury-Umfeld zunehmend relevant. Dadurch können Unternehmen effizienter auf Marktveränderungen reagieren und ihre Agilität steigern.
Unternehmen sollten proaktiv auf Veränderungen reagieren und ihre Systeme entsprechend anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Lebenszyklus eines TMS endet nicht mit der Implementierung, sondern erfordert eine fortlaufende Pflege und Weiterentwicklung, um langfristig erfolgreich zu sein. Eine sorgfältige Planung und Umsetzung der Auslaufphase sowie die Migration zu neuen Systemen stellen sicher, dass Unternehmen auch in Zukunft von einem leistungsfähigen und anpassungsfähigen TMS profitieren können.
Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 156, Juli 2025
Autoren:
Nils Bothe, Partner, Finance and Treasury Management, Corporate Treasury Advisory, KPMG AG
Philipp Knuth, Senior Manager, Finance and Treasury Management, Corporate Treasury Advisory, KPMG AG
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1 VdT, „Mindestanforderungen an das Unternehmenstreasury“, 4. Auflage, 2024, S. 27 f., https://www.vdtev.de/artikel?/media/mindestanforderungen-an-das-unternehmenstreasury/1983
Nils A. Bothe
Partner, Financial Services, Finance & Treasury Management
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft