• Silvan Jurt, Partner |
  • Patrick Schmucki, Expert |

Trotz einer Mehrheit beim Stimmvolk wird die sogenannte Konzernverantwortungsinitiative verworfen. Sie scheitert am Ständemehr. Das Resultat zeigt, dass Unternehmen vermehrt im Rampenlicht stehen und die Ansprüche an eine verantwortungsvolle Verhaltensweise in der jüngeren Vergangenheit stark gestiegen sind. Nun geht es nicht einfach zum „courant normal“ zurück – mit dem indirekten Gegenvorschlag kommen konkrete neue Pflichten auf Unternehmen zu.

Was bedeutet der indirekte Gegenvorschlag für Unternehmen?

Mit der Ablehnung der Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt» («KVI») tritt grundsätzlich der indirekte Gegenvorschlag in Kraft, welcher vom Parlament verabschiedet wurde und durch den Bundesrat unterstützt wird. Allerdings kann gegen den indirekten Gegenvorschlag das Referendum ergriffen werden, womit das Szenario „zurück auf Feld eins“ noch denkbar ist.

Der indirekte Gegenvorschlag bringt Pflichten im Bereich Berichterstattung, welche für viele Unternehmen bereits zur etablierten Praxis gehören. Die Schweiz befindet sich, wie unsere neuste Studie „The time has come“ aufzeigt, zumindest bei den grössten 100 Unternehmen im globalen Vergleich im vorderen Mittelfeld. 80% berichten bereits heute über soziale und ökologische Belange. Zumindest für die ganz Grossen ergeben sich darum kaum wesentliche Abweichungen zur heutigen, freiwilligen Praxis. Für die betroffenen kleineren Unternehmen, die der nicht-finanziellen Berichterstattung bisher weniger Bedeutung zugemessen haben, wird der Druck hin zu zusätzlicher Transparenz jedoch zunehmen. Das gilt übrigens auch ohne konkrete gesetzliche Regelungen. Investoren stellen vermehrt Fragen nach der Abhängigkeit von knappen Ressourcen, dem Risikoprofil des Unternehmens im Zusammenhang mit dem Klimawandel und dem Umgang mit sozialen Aspekten. Um den Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten auch zukünftig zu sichern, kommen die Unternehmen um die nicht-finanzielle Berichterstattung kaum herum. Auch die international zunehmende Regulierung rund um eine nachhaltig finanzierte Wirtschaft trägt zu einem Umfeld bei, welchem sich auch KMUs kaum noch vollständig verschliessen können.

Mit der Einführung einer gesetzlich vorgeschriebenen Sorgfaltsprüfung wird eine Pflicht verankert, die bislang für viele betroffene Unternehmen unbekannt war und deshalb einen hohen Aufwand bei der Umsetzung verursachen dürfte. Die neuen, obligationenrechtlichen Bestimmungen sehen bei den betroffenen Unternehmen die Einführung eines Managementsystems vor, damit relevante Risiken im Bereich Konfliktfinanzierung und Kinderarbeit identifiziert und reduziert werden können. Insbesondere der Anspruch, transparente Lieferketten aufzuzeigen, wird betroffene Unternehmen - je nach Komplexität der Lieferkette - vor Herausforderungen stellen. Auch die Identifikation und Bewertung von Risiken, sowie deren gezielte Bearbeitung, dürfte für viele Neuland sein.

Wer ist betroffen und was ist zu tun?

Die jährlichen Berichterstattungspflichten über nichtfinanzielle Belange ergeben sich für Gesellschaften des öffentlichen Interesses, die zusammen mit denen von Ihnen kontrollierten Firmen im In- und Ausland in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren im Jahresdurchschnitt mindestens 500 Vollzeitstellen aufweisen und einen der Grenzwerte von CHF 20 Mio. Bilanzsumme oder CHF 40 Mio. Umsatz überschreiten. Es bestehen im beschränkten Masse auch Entlastungsmöglichkeiten für kontrollierte Unternehmen.

Der Bericht über nichtfinanzielle Belange muss Rechenschaft über Umweltbelange, insbesondere die CO2-Ziele, über Sozialbelange, Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte sowie die Bekämpfung der Korruption geben. Der Bericht enthält diejenigen Angaben, welche zum Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage des Unternehmens sowie der Auswirkungen seiner Tätigkeit auf diese Belange erforderlich sind. Das Gesetz konkretisiert darüber hinaus weitere Inhalte, wie z.B. die Beschreibung des Geschäftsmodells, Konzepte der Sorgfaltsprüfung, relevante Risiken, etc.

Die Regelungen zur Berichterstattung sind mit den europäischen Vorschriften abgestimmt. Eine Konkretisierung anzuwendender Standards besteht soweit noch nicht. Es findet sich allerdings eine Vielzahl verfügbarer Standards und Frameworks, welche bei der Strukturierung des Berichts helfen und welche auch eine Prüfung durch Dritte ermöglichen. Hier müssen sich Unternehmen, welche sich neu mit den Berichterstattungspflichten und den passenden Standards beschäftigen, grundsätzliche Gedanken hinsichtlich der Gestaltung der zukünftigen Berichterstattung und der relevanten Adressaten machen.

Was die Einführung eines Managements zur Sorgfaltsprüfung anbelangt, sind ebenfalls noch Klärungen seitens des Gesetzgebers ausstehend. Der indirekte Gegenvorschlag hält fest, dass Unternehmen, deren Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung sich in der Schweiz befindet, in der Lieferkette Sorgfaltspflichten einhalten und darüber Bericht erstatten müssen, sofern sie Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold enthaltende Mineralien oder Metalle aus Konflikt- und Hochrisikogebieten in den freien Verkehr der Schweiz überführen oder in der Schweiz bearbeiten. Dasselbe gilt, wenn sie Produkte oder Dienstleistungen anbieten, bei denen ein begründeter Verdacht besteht, dass diese unter Einsatz von Kinderarbeit hergestellt oder erbracht wurden.

Der Bundesrat wird hier noch Grenzwerte in Bezug zu den sogenannten „Konfliktmineralien“ und Ausnahmebestimmungen, bspw. für KMUs festlegen. Auch Prüfpflichten sind vorgesehen, welche noch ausgestaltet werden müssen.

Ebenfalls wird noch zu klären sein, unter welchen Voraussetzungen Unternehmen, die sich an ein gleichwertiges, international anerkanntes Regelwerk wie insbesondere die Leitsätze der OECD halten, von den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten ausgenommen sind. Es scheint klar zu sein, dass die entsprechenden Methoden auf den UNO-Leitprinzipien und den daraus entwickelten Leitsätzen verschiedener Organisationen beruhen werden. Diese werden bereits von zahlreichen Unternehmen angewendet und zeigen auf, wie Unternehmen die Ansprüche an eine Sorgfaltsprüfung in der Praxis umsetzen können.

Für Unternehmen ist es nun wichtig, Verantwortlichkeiten zu definieren, Basiswissen anzueignen und die Umsetzung der neuen Pflichten frühzeitig in Angriff zu nehmen. Je nach aktuellem Reifegrad des Unternehmens können diese Arbeiten einen längeren Zeitraum und viele Ressourcen in Anspruch nehmen.

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