VwGH: Folgen einer nicht bekannt gegebenen Änderung der Zustellvollmacht
Tax News 3/2025
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Der steuerliche Vertreter des Revisionswerbers erhält im Jahr 2019 einen Haftungsbescheid. Der Vertreter retourniert dem Finanzamt den Bescheid mit dem Hinweis, keine aufrechte Vollmacht mehr zu haben. Da die Auflösung der Vollmacht dem Finanzamt vorher nicht mitgeteilt worden war, wurde die Zustellung bewirkt, auch wenn der Revisionswerber selbst keine Kenntnis von der Zustellung erlangte (VwGH 14.2.2025, Ra 2024/13/0129).
1. Verfahrensablauf: Wirksame Zustellung eines Haftungsbescheides?
Das Finanzamt setzte mit Bescheiden vom 29.4.2013 die Umsatzsteuer einer slowakischen Gesellschaft (s.r.o.) für die Jahre 2009 und 2010 fest. Die s.r.o. erhob fristgerecht Bescheidbeschwerden. Im Jänner 2015 wurde die s.r.o. im slowakischen Firmenbuch gelöscht.
Mehrere Jahre später wurde der Revisionswerber mit Bescheid vom 6.11.2019 zur persönlichen Haftung für die Abgabenrückstände der s.r.o. i. H. v. rund EUR 600.000 herangezogen; der Bescheid wurde am 21.11.2019 seinem steuerlichen Vertreter zugestellt. Mit Eingabe vom 22.11.2019 retournierte der steuerliche Vertreter den Haftungsbescheid an die Abgabenbehörde und teilte mit, die Vollmacht sei nicht mehr aufrecht.
Am 6.5.2024 beantragte der Revisionswerber die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 308 Bundesabgabenordnung) hinsichtlich der Beschwerdefrist gegen den Haftungsbescheid vom 6.11.2019 und argumentierte, dass er erst durch einen Vorhalt des Finanzamtes vom 8.2.2024 vom Bescheid aus dem Jahr 2019 erfuhr. Sein damaliger steuerlicher Vertreter retournierte dem Finanzamt den Bescheid mit Hinweis auf die nicht mehr aufrechte Vollmacht, jedoch habe er den Revisionswerber selbst über diese Vorgänge nicht informiert.
2. VwGH zur Wiedereinsetzung
Strittig ist, ob die Wiedereinsetzung zu gewähren ist, da dies nur bei maximal leichter Fahrlässigkeit an einer Fristversäumnis zulässig ist. Der VwGH teilt die Rechtsansicht des BFG, dass die Kündigung der Zustellvollmacht erst im Zeitpunkt der Mitteilung an das Finanzamt darüber wirksam wird.
Unstrittig wusste der Revisionswerber nicht, dass ein Haftungsbescheid im Jahr 2019 seinem steuerlichen Vertreter zugestellt wurde. Dem Revisionswerber musste aber bewusst sein, dass das Verfahren fortgesetzt werden könnte. Weder er noch sein steuerlicher Vertreter gaben dem Finanzamt die Beendigung der Zustellvollmacht bis zum Zeitpunkt der Zustellung des Haftungsbescheides bekannt. Zwischen dem Revisionswerber und seinem Vertreter wurde zudem keine Vereinbarung darüber getroffen, wer das Erlöschen des Vollmachtsverhältnisses dem Finanzamt bekannt geben solle.
Damit war die Zustellung rechtswirksam und die Unkenntnis des Revisionswerbers darüber nach Ansicht des VwGH grob fahrlässig verursacht. Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist abzuweisen, der Haftungsbescheid ist rechtskräftig.
3. Anmerkungen: Besondere Sorgfalt bei der Zurücklegung von Zustellvollmachten geboten
Dieses VwGH-Erkenntnis zeigt, dass auch im Steuerrecht mehr als zehnjährige Verfahren möglich sind. Im Jahr 2025 bestätigt der VwGH, dass die Haftungsbescheide aus dem Jahr 2019 für eine Umsatzsteuer der Jahre 2009 und 2010 über EUR 600.000 nicht mehr bekämpfbar sind, was eine unzumutbar lange Verfahrensdauer darstellt. Der VwGH setzte sich mit der überlangen Verfahrensdauer – offenbar mangels Rüge des Revisionswerbers – aber nicht auseinander. Anders sah das jüngst das BFG und erachtete es als unbillig, einen Beschwerdeführer mittels Haftungsbescheids für Abgabenzeiträume heranzuziehen, die über 15 Jahre zurücklagen (BFG 11.3.2025, RV/1100468/2020).
Inhaltlich bestätigt der VwGH, dass eine Zustellvollmacht so lange besteht, bis dem Finanzamt deren Ende bekannt gegeben wird. Im Zeitpunkt der Zustellung an den Zustellbevollmächtigten gilt auch die Zustellung an den Steuerpflichtigen als bewirkt. Damit beginnt der Fristenlauf. Im konkreten Fall lag ein Teilverschulden grober Fahrlässigkeit sowohl beim Haftungspflichtigen als auch beim steuerlichen Vertreter.