VwGH: Fehlerhafte Zustellung bei einer erteilten Vollmacht

Tax News 3/2025

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Die Revisionswerberin (Rw) hat ihrem steuerlichen Vertreter eine Vollmacht eingeräumt. Allerdings kreuzt dieser in FinanzOnline das Feld „Zustellvollmacht“ nicht an, was (bloß) ein Indiz für eine fehlende Zustellvollmacht ist. Belegen Korrespondenzen mit der Finanzverwaltung dennoch das Bestehen einer aufrechten Vollmacht, umfasst diese auch die Zustellvollmacht. Daher liegt laut VwGH ein Zustellmangel vor, wenn das Finanzamt der Rw Beschwerdevorentscheidungen zusendet.

1. Verfahrensablauf

VwGH 30.1.2025, Ra 2024/15/0031: Die Rw erhob am 11.10.2023 durch ihren steuerlichen Vertreter eine Säumnisbeschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht der Finanzverwaltung über eingebrachte Bescheidbeschwerden nach einer Betriebsprüfung. Das Bundesfinanzgericht (BFG) forderte die Finanzverwaltung zu einer Stellungnahme auf. Diese verneinte eine Säumnis, da über die Beschwerden postalisch am 12.10.2022 und per FinanzOnline am 11.9.2023 mittels Beschwerdevorentscheidungen entschieden worden sei. Die Schriftstücke wurden jeweils der Rw zugestellt.

Daraufhin stellte das BFG sein Verfahren mit der Begründung ein, dass die Zustellung an die Rw rechtswirksam gewesen sei. Im FinanzOnline war das Feld „Zustellung“ seitens des steuerlichen Vertreters nicht angekreuzt, sodass dieser nach Ansicht des BFG keine Zustellvollmacht innehatte.

Der VwGH widersprach: Die Revision ist zulässig und begründet. Nach § 83 Abs. 2 BAO richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten nach der Vollmacht. Eine allgemeine Vertretungsbefugnis schließt im Allgemeinen eine Zustellbevollmächtigung mit ein. Dies gilt auch, wenn sich ein befugter Vertreter auf die ihm erteilte Vollmacht beruft.

Markiert der Parteienvertreter im FinanzOnline das Feld „Zustellung“ nicht, spricht dies für eine fehlende Zustellvollmacht. Jedoch ist diese Vermutung widerlegbar. Die Rw hatte ihrem steuerlichen Vertreter Anfang 2021 eine allgemeine Vollmacht erteilt, er war auch in der Schlussbesprechung der Betriebsprüfung im Sommer 2021 als Vertreter angeführt. Die ursprüngliche Bescheidbeschwerde aus Mai 2022 wurde vom Vertreter verfasst, ebenso wie die Ergänzung aus August 2022. Aufgrund dieser Schriftstücke musste von einer Bevollmächtigung des steuerlichen Vertreters ausgegangen werden, was die Zustellvollmacht einschließt.

Da das BFG diese Eingaben nicht gewürdigt hat, ist sein Einstellungsbeschluss zur eingebrachten Säumnisbeschwerde rechtswidrig und aufzuheben.

2. Anmerkungen: Heilung des Zustellmangels

Um ihre Interessen zu wahren, hätte die Rw auch anders vorgehen können: Den Mangel der falschen Zustellung hätte die Rw selbst sanieren können, indem sie die per Post an sie übermittelten originalen Beschwerdevorentscheidungen ihrem steuerlichen Vertreter weiterleitet. In diesem Fall hätte der Zustellbevollmächtigte die Schriftstücke erhalten und die falsche Zustellung wäre nach § 7 Zustellgesetz saniert worden. Nach dieser Bestimmung werden Mängel bei der Zustellung in dem Zeitpunkt geheilt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zukommt.