Beschwerdeverfahren: Umfang der Sachentscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichts
Tax News 3/2025
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Gemäß § 279 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) muss das Bundesfinanzgericht (BFG) – außer in besonderen Ausnahmesituationen – „immer in der Sache selbst“ entscheiden. Der Verwaltungsgerichtshof hat kürzlich diese umfassende Verfahrensherrschaft des BFG untermauert (VwGH 30.10.2024, Ra 2024/15/0055).
1. Verfahrensgang
Ein Steuerpflichtiger erhob gegen einen Einkommensteuerbescheid des Finanzamts (FA) Beschwerde. Das FA erließ einen Mängelbehebungsauftrag. Der Steuerpflichtige beantwortete diesen Auftrag nicht, woraufhin das FA die Beschwerde mittels Beschwerdevorentscheidung als zurückgenommen erklärte. Dagegen brachte der Steuerpflichtige einen Vorlageantrag an das BFG ein. Das BFG erachtete den Mängelbehebungsauftrag für rechtswidrig und erledigte die Beschwerde durch ersatzlose Aufhebung des Einkommensteuerbescheids.
2. VwGH-Entscheidung
Der VwGH hob die BFG-Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit auf:
- Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das BFG außer in den Fällen des § 278 BAO immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
- Sachentscheidungen des BFG können daher in einer ersatzlosen Aufhebung, in einer Abänderung des angefochtenen Bescheids oder in einer Abweisung der Beschwerde bestehen.
- Allerdings darf eine ersatzlose Aufhebung (meritorische Entscheidung) nur dann erfolgen, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung in Betracht kommt. Im vorliegenden Fall war eine ersatzlose Aufhebung des Bescheids ausgeschlossen, weil dies zur Folge gehabt hätte, dass vom FA trotz durchgeführter Arbeitnehmerveranlagung kein Einkommensteuerbescheid mehr erlassen werden hätte können.
3. Fazit
Der VwGH unterstrich die Wirkungsweise einer Aufhebung durch das BFG gemäß § 279 Abs. 1 BAO: Der Rechtsschutz soll umfassend beim BFG gebündelt sein. Das BFG ist befugt und verpflichtet, den wahren Sachverhalt bei Ergänzungsbedürftigkeit zu ermitteln. Dazu könnte es das FA mit ergänzenden Ermittlungen beauftragen. Trifft kein Ausnahmefall der Formalerledigung zu (§ 278 BAO; z. B. Zurückweisung wegen verspäteter Beschwerde), muss das BFG bei klarem Sachverhalt die Beschwerde inhaltlich entscheiden (Sacherledigung gemäß § 279 BAO). Im Ergebnis dient dieses Gesetzeskonzept der Verfahrensökonomie und dem – von allen Beteiligten anzustrebenden – raschen Rechtsfrieden.