Stabilitätsabgabe doch verfassungswidrig?

Tax News 3/2025

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Das BFG Innsbruck hat dem VfGH die Frage vorgelegt, ob § 2 Abs. 2 Z. 3a StabAbgG (Kürzung der StabAbg-Bemessungsgrundlage um Liquiditätsreserven beim Sektor-Zentralinstitut nur in 3-stufigen, nicht jedoch 2-stufigen Bankensektoren) verfassungskonform ist. Sollte der VfGH die Fragestellung als zu eng beurteilen, hat das BFG in eventu die Frage gestellt, ob der gesamte § 2 StabAbgG (Ermittlung der Bemessungsgrundlage) oder als zweite in eventu Frage, das gesamte StabAbgG verfassungswidrig ist. Die Bejahung der in eventu Fragen würde zum Entfall der Stabilitätsabgabe in der heutigen Form führen und hätte somit für sämtliche Banken weitreichende Auswirkungen.

1. Gesetzliche Vorgaben und Auslegung durch den VwGH

Nach § 2 Abs. 2 Z. 3a StabAbgG ist die Bemessungsgrundlage um Verpflichtungen gegenüber Kreditinstituten zu vermindern, soweit diese aus der Erfüllung des Liquiditätserfordernisses nach Teil 6 der VO (EU) 573/2013 entstanden sind.  

Der ausschließlich für Banken der dezentralen Sektoren geltende § 27a BWG verpflichtet Kreditinstitute, die einem Zentralinstitut angeschlossen sind, zur Teilnahme an einem System des gemeinsamen Liquiditätsausgleichs zur Sicherung der Finanzmarktstabilität.

Dazu haben sie bei ihrem Zentralinstitut oder bei einem anderen vertraglich oder statutarisch festgelegten Kreditinstitut eine Liquiditätsreserve in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Spareinlagen und der sonstigen Euro-Einlagen zu halten.

Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 20.11.2024, Ro 2024/13/0019 ausgesprochen, dass diese Bestimmungen folgendermaßen auszulegen ist:

  • Die Erfüllung des Liquiditätseinlageerfordernisses führt zu keiner Verpflichtung i. S. d. Bestimmung bei der Primärbank.
  • Eine Verpflichtung besteht nur bei dem Institut, an das die Einlagen geleistet wurde (= Zentralinstitut).
  • Nur diese Verpflichtung kann zu einer Kürzung gem. § 2 StabAbbG führen, jedoch unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass eine Forderung an ein Zentralinstitut besteht.
  • Diese Voraussetzungen sind nur erfüllt, wenn ein Institut einerseits selbst Liquiditätseinlagen erhält und anderseits verpflichtet ist, selbst Liquiditätseinlagen bei einem Zentralinstitut zu leisten.
  • Das kann nur in 3-stufigen Bankensektoren zutreffen. Eine Kürzung der StabAbg-Bemessungsgrundlage in 2-stufigen Bankensektoren ist laut VwGH daher ausgeschlossen. 

Zahlreiche BFG-Erkenntnisse (z. B. BFG Linz 30.1.2025, RV/5100193/2024; BFG Klagenfurt 3.2.2025, RV/4100097/2024; BFG Innsbruck 3.2.2025, RV/3100133/2024; BFG Graz 9.4.2025, RV/2100234/2025; BFG Feldkirch 24.4.2025, RV/7101091/2025; BFG Klagenfurt 12.5.2025, RV/4100095/2025) wiesen Rechtsmittel von 2-stufigen Bankensektoren unter Hinweis auf dieses VwGH-Erkenntnis ab und ließen keine ordentliche Revision zu bzw führten zum Teil auch ausdrücklich an, dass kein Grund zur Annahme einer Verfassungswidrigkeit bestehen würde. Gegen sämtliche BFG Erkenntnisse wurden mittlerweile – circa 40 – VfGH-Beschwerden eingebracht. 

2. Beschluss des BFG Innsbruck und Argumente für die Verfassungswidrigkeit

In einem Fall schert jedoch das BFG Innsbruck aus, teilt das Ergebnis des VwGH-Erkenntnises vom 20.11.2024, Ro 2024/13/0019, nicht und hat selbst den Verfassungsgerichtshof um Gesetzesprüfung angerufen (anhängig unter G 64/2025). Im Beschluss vom 14.4.2025, RN/3100001/2025, hat das BFG Innsbruck im Wesentlichen folgende überzeugende Argumente für eine Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs. 2 Z. 3a StabAbgG vorgebracht:

  • Bei Einführung der Stabilitätsabgabe sollten risikoarme Bankgeschäfte begünstigt und risikoreiche verteuert werden. Mit dieser Begründung wurden der Einlagensicherung unterliegende Spareinlagen als Abzugsposten von der Bemessungsgrundlage normiert. Die Liquiditätsreserve bei den Sektor-Zentralinstituten erfüllt den gleichen Zweck (Absicherung im Krisenfall zur Abwendung einer Bail Out Verpflichtung durch den Steuerzahler) und sei daher gleich zu behandeln.
  • Der fehlende Abzug der Liquiditätsreserve führt zu einer vom Gesetz nicht intendierten Einbeziehung von gedeckten Einlagen in die Bemessungsgrundlage, da sich teilweise Überschneidungen in der Ermittlung ergeben und die Nicht-Berücksichtigung des Abzugs der Liquiditätsreserve zu einer Aushöhlung des gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Abzugs der gedeckten Einlagen führt.
  • Bei Nichtabzug der Liquiditätsreserve bei der leistenden Primärbank kommt es zu einer Doppelbesteuerung, weil die erhaltenen Liquiditätsreserven beim Zentralinstitut ebenfalls Teil der Bemessungsgrundlage ist.

Der Hauptantrag stellt die Frage, ob der Wortlaut von § 2 Abs. 1 Z. 3a StabAbG so angepasst werden muss, dass die an die Sektor-Zentralinstitute geleisteten Liquiditätsreserven auch im 2-stufigen Bankensektoren zum Abzug zugelassen werden. Sollte der VfGH diese Fragestellung als zu eng einstufen, wird im 1. Eventualantrag die Verfassungskonformität des gesamten § 2 StabAbgG und im 2. Eventualantrag die Verfassungskonformität des gesamten StabAbgG hinterfragt.

Anzumerken ist, dass der VfGH die Stammfassung des Stabilitätsabgabengesetzes 2011 (nach der Finanzkrise 2008/09) als sachlich gerechtfertigt und damit verfassungskonform beurteilt hat (VfGH 14.12.2011, B 886/11-8). Im Zuge der Erhöhung der Stabilitätsabgabe als Beitrag zur Budgetsanierung im Zuge des Budgetsanierungsmaßnahmengesetzes 2025 kamen jedoch erneut Zweifel an der verfassungskonformen Ausgestaltung, insbesondere der Sonderzahlungen 2025 und 2026 auf.

3. Ausblick

Die vom BFG Innsbruck ausführlich begründeten Argumente für eine Verfassungswidrigkeit erscheinen überzeugend. Der Auseinandersetzung des VfGH mit diesen Argumenten ist mit Interesse entgegenzusehen. Im Erfolgsfall hat ein diesbezügliches VfGH-Erkenntnis zumindest Auswirkung für die 2-stufigen Sektorbanken. Im Maximalfall könnte der VfGH über die vorgelegten Eventualfragen die Stabilitätsabgabe in der heutigen Form zu Fall bringen. Es bleibt somit für die gesamte österreichische Bankenbranche spannend.