BFG: Nach früherer Rechtslage rechtzeitiger Antrag ist auch nach neuer Rechtslage rechtzeitig

Tax News 3/2025

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Bergsteiger bei Abstieg

Wurde ein Antrag auf Aufhebung eines Bescheids gemäß § 295 Abs. 4 BAO nach der seinerzeitigen Rechtslage rechtzeitig gestellt, ist dieser Antrag bei verfassungskonformer Auslegung auch dann als rechtzeitig anzusehen, wenn nach einer späteren Gesetzesänderung der Antrag im Zeitpunkt der Entscheidung als verspätet zu beurteilen gewesen wäre (BFG 31.3.2025, RV/7102333/2021).

1. Kann ein rechtzeitig gestellter Antrag durch eine spätere Änderung der Rechtslage als verspätet gelten?

§ 295 Abs. 4 BAO regelt ein Antragsrecht des Abgabepflichtigen zur Aufhebung oder Abänderung von Bescheiden, die sich auf ein Dokument stützen, das zwar Form und Inhalt eines Feststellungsbescheids hat, aber rechtlich kein Bescheid ist. In diesem Zusammenhang beschäftigte sich das BFG mit der Frage, ob ein nach einer früheren Rechtslage rechtzeitig eingebrachter Antrag nach der nunmehr geltenden Rechtslage als verspätet zurückgewiesen werden kann.

Für das BFG war unstrittig, dass der Antrag zum Zeitpunkt der Antragstellung nach der damals geltenden gesetzlichen Bestimmung rechtzeitig gestellt worden war (= Rechtslage vor Bundesgesetzblatt I 2021/3). Umstritten war hingegen, ob für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrags im Rechtsmittelverfahren

  • die frühere Rechtslage im Zeitpunkt der Antragstellung oder
  • die aktuelle Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag

maßgeblich ist. Im letztgenannten Fall würde der Antrag nämlich als verspätet gelten.

Nach dem BFG handelt es sich bei § 295 Abs. 4 BAO um eine verfahrensrechtliche Bestimmung. Diese ist grundsätzlich auf Amtshandlungen anzuwenden, die nach ihrem Inkrafttreten vorgenommen werden. Jedoch schränkte das BFG diesen allgemeinen Grundsatz ein: Es würde dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen, wenn für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit eines nach der früheren Rechtslage rechtzeitig gestellten Antrags die neue Rechtslage heranzuziehen wäre. Daher kann nur die zum Zeitpunkt der Antragstellung geltende Frist zur Anwendung kommen. 

2. Fazit: Einmal rechtzeitiger Antrag, immer rechtzeitiger Antrag

Das BFG stellt klar: Für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit eines Antrags ist die im Zeitpunkt der Antragstellung geltende Frist maßgeblich. Ein zunächst fristgerecht gestellter Antrag darf nicht deswegen nachträglich als verspätet zurückgewiesen werden, weil zwischen dem Zeitpunkt der Antragstellung und dem Zeitpunkt der behördlichen Erledigung eine verfahrensrechtliche Gesetzesänderung betreffend die Fristenregelung erfolgte. Eine andere Auslegung wäre bei Gesetzesänderungen, die nachträglich strengere – kürzere – Fristen vorsehen, verfassungswidrig (= Vertrauensschutz).