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Oona Horx Strathern ist seit mittlerweile drei Jahrzehnten als Trendforscherin, Beraterin, Rednerin und Autorin tätig. In ihrer Tätigkeit als Trend-Consultant arbeitete sie zudem für internationale Unternehmen. Im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe Ladies‘ Talk sprach die Expertin über den Tanz von Trends und Gegentrends und warum es gerade in Zeiten wie diesen eine „Kindness Economy“ braucht.

Denkt man an das Wort „Kindness“, denkt man an Freundlichkeit, Entgegenkommen, Gefälligkeit – „Economy“ ist wiederum mit Härte, Druck und Profit verknüpft – wie bringt man diese zwei widersprüchlichen Begriffe zusammen? Was genau ist Kindness Economy?

Kindness Economy ist ein Konzept, das die Prioritäten in der Wirtschaft umkehrt: People, Planet, Profit – und zwar in dieser Reihenfolge. Anstatt wie in der Wachstumsökonomie rein auf Gewinnmaximierung zu schauen, stellt die Kindness Economy den Menschen und unsere Umwelt in den Mittelpunkt wirtschaftlicher Entscheidungen. Wir gehen damit weg vom klassischen Silo-Business-Mindset.

Dabei geht es jedoch keinesfalls darum, sich vom Profit loszusagen, denn natürlich ist Profit am Ende das Ziel, sonst sprächen wir nicht von Wirtschaft. Aber es geht um den Weg dorthin: Wie können wir in unserer Ökonomie neue, innovative Wege finden, wie wir mit sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit umgehen? Wie können wir die Gesellschaft in unseren wirtschaftlichen Handlungen mitdenken?

V. l. n. r. Katharina Schönauer, Karin Kern, Manuela Mayer, Esther Freitag, Oona Horx Strathern, Karin Artner, Susanne Flöckner, Lieve Van Utterbeeck

(V. l. n. r. Katharina Schönauer, Karin Kern, Manuela Mayer, Esther Freitag, Oona Horx Strathern, Karin Artner, Susanne Flöckner, Lieve Van Utterbeeck)

Wie kann diese neue Art des Wirtschaftens in der Praxis umgesetzt werden?

In einer Zeit, in der Härte oft als notwendige Eigenschaft für wirtschaftlichen Erfolg gesehen wird, stellt die Kindness Economy einen humaneren Ansatz in den Vordergrund. Die Kindness Economy bringt uns ein neues Narrativ, sie stellt die Frage nach einer neuen Firmenkultur. Und strategisch richtig eingesetzt, steigert sie letztlich den Erfolg eines Unternehmens.

Comfort, Communication, Collaboration und Connectivity sind hier wesentliche Begriffe. Comfort steht für ein gutes Arbeitsklima, die optimale Infrastruktur am Arbeitsplatz, beste Ausstattung – gerade für junge Talente wirkt das besonders anziehend. Communication wiederum gewinnt vor allem in Zeiten zunehmender Digitalisierung an Bedeutung; wir brauchen mehr menschlichen Kontakt, authentische Erfahrungen, reale Interaktion. Mit Collaboration ist gemeint, ein langfristiges Community-Gefühl aufzubauen, Orte der Begegnung, der Kreativität und der Gemeinschaft bereitzustellen. Und schließlich Connectivity: Durch Homeoffice, flexible Arbeitszeiten etc. haben wir immer weniger tatsächliche gemeinsame Zeit, wir arbeiten gewissermaßen asynchron. Es gilt also, sich aktiv darum zu bemühen, das Netzwerk miteinander nicht abreißen zu lassen, neue Begegnungszonen und Kommunikationswege zu etablieren.

Kindness Economy kann aber schon dort beginnen, wo beispielsweise durch mitarbeiter:innenfreundlichere Arbeitszeiten bessere Arbeitsbedingungen geschaffen werden.

Wo sehen Sie die Herausforderungen in der Umsetzung?

Eine der größten Herausforderungen ist sicherlich die Veränderung der Denkweise. Viele Unternehmen sind nach wie vor stark auf kurzfristigen Profit fokussiert. Es erfordert Mut und Engagement, die Prioritäten zu verschieben und langfristige Werte zu integrieren, die Balance zwischen Profit und sozialer Verantwortung herauszufinden. Unternehmen müssen lernen, dass langfristiger Erfolg nicht nur durch finanzielle Gewinne, sondern auch durch den Aufbau von Vertrauen und Beziehungen erreicht wird. Das erfordert einen kulturellen Wandel und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Und ja, auch eine Portion Idealismus gehört natürlich dazu.

Wesentlich ist, sich die Fragen zu stellen: Wie kommen wir weiter, welche Tools können wir nutzen? Und wie können wir den Erfolg unserer neuen Ansätze messen? Anstelle immer nur auf die berühmten KPIs, die Key Performance Indicators, zu schauen, wäre es wünschenswert, auch „Kindness Performance Indicators“ in unseren Firmen, in unserer Arbeitswelt zu implementieren.

Stichwort Trends/Gegentrends, welche Rolle spielen diese in der Entwicklung der Kindness Economy?

Jeder Trend erzeugt einen Gegentrend. Ich gebe ein paar Beispiele: Durch die Digitalisierung und unsere zunehmend virtuelle Welt können wir einen Trend zum Analogen, zum Menschlichen beobachten. Thema Diversity, wir haben viel über Geschlechtergerechtigkeit, die Rechte von LGBTQ+-Personen und Woman Empowerment geredet, wenig später zeichnen sich nun vielerorts anti-diverse Tendenzen ab. Oder blicken wir auf unsere individualisierte Gesellschaft. Je individualisierter wir leben und arbeiten, desto mehr brauchen wir das Gegenteil und suchen nach neuen Wegen, in Verbindung mit anderen zu treten, Gemeinschaften zu finden.

Diese Trend-Gegentrend-Dynamik sehen wir auch in der Wirtschaft. Aktuell sind wir an einem Peak der Unkindness angelangt. Die Kindness Economy ist also eine Reaktion auf Praktiken, die wir in vielen Bereichen der Wirtschaft sehen. Sie nutzt diese Dynamik, um neue Wege des Wirtschaftens zu schaffen, die auf Empathie und Gemeinschaft basieren.

Wagen wir einen Blick nach vorne: Wie sehen Sie die Zukunft der Kindness Economy?

Ich bin optimistisch, dass die Kindness Economy weiter an Bedeutung gewinnen wird. In einer Zeit, in der viele Menschen über ihren Lebensstil und ihre Prioritäten nachdenken, insbesondere nach der Pandemie, wird soziale und ökologische Nachhaltigkeit immer wichtiger. Die jüngeren Generationen sind bewusste Konsument:innen und auch als Arbeitssuchende bevorzugen sie Unternehmen, die zu ihrer Verantwortung stehen und ethisch handeln. Wenn wir es schaffen, diese Werte in unsere Wirtschaft zu integrieren, können wir eine nachhaltigere und gerechtere Zukunft gestalten.