Finanzstrafrecht: Die wichtigsten Änderungen durch das Betrugsbekämpfungsgesetz 2024

Tax News 4/2024

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Die im Zuge des Betrugsbekämpfungsgesetzes (BBKG) 2024 (Teil 1) erfolgten Änderungen des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) zielen einerseits auf die Verschärfung der Strafbarkeit im Zusammenhang mit Scheinunternehmen und Scheinrechnungen ab, andererseits wurden verfahrensbeschleunigende Maßnahmen vorgesehen, die zu einer Entlastung der Finanzstrafbehörden beitragen sollen. Die Änderungen sind mit 20. Juli 2024 in Kraft getreten.

1. Schein- und Deckungsrechnungen: Neue Finanzordnungswidrigkeit

Kernstück der Änderungen im Finanzstrafgesetz ist die Einführung einer neuen Finanzordnungswidrigkeit (§ 51b FinStrG). Die Bestimmung ist als Reaktion auf die in der Praxis vermehrt anzutreffenden Betrugsmuster unter Heranziehung von Schein- und Deckungsrechnungen zu verstehen. Eine effektive (finanz)strafrechtliche Verfolgung scheiterte in der Vergangenheit häufig an der Kurzlebigkeit der Scheinunternehmen-Konstrukte: bei Aufnahme der finanzstrafrechtlichen Ermittlungen waren die verantwortlichen Personen und allfällige Vermögenswerte häufig nicht mehr greifbar.

§ 51b FinStrG soll dieser Sanktionslücke entgegenwirken, indem der strafbare Deliktsbereich in das bisher straflose Vorbereitungsstadium vorverlegt wird. Einer Finanzordnungswidrigkeit nach § 51b FinStrG macht sich schuldig, „wer mit dem Vorsatz, einen Geschäftsvorgang vorzutäuschen oder dessen wahren Gehalt zu verschleiern, für abgaben- oder monopolrechtlich zu führende Bücher oder Aufzeichnungen Belege verfälscht, falsche oder unrichtige Belege herstellt oder verfälschte, falsche oder unrichtige Belege verwendet“. In der Praxis ist zu beachten, dass diese Bestimmung nicht auf Belege von Scheinunternehmen eingegrenzt wurde.

Die Gesetzesmaterialien stecken die verwendeten Gesetzesbegriffe wie folgt ab:

  • Einen echten Beleg verfälscht, wer dessen Inhalt unbefugt abändert und zugleich den Anschein erweckt, als stamme sein jetziger Inhalt vom Aussteller.
  • Ein Beleg ist falsch, wenn scheinbarer und wirklicher Aussteller nicht identisch sind.
  • Ein Beleg ist unrichtig, wenn eine inhaltlich unrichtige Tatsache als richtig dargestellt wird („Lugurkunde“).
  • Verwenden soll auch das Aushändigen oder Überlassen solcher Belege an Dritte umfassen.

Diese auf subjektiver Tatseite einen (zumindest bedingten) Vorsatz erfordernde Finanzordnungswidrigkeit kann mit einer Geldstrafe bis zu € 100.000 geahndet werden. Diese im Vergleich zu anderen Finanzordnungswidrigkeiten hoch angesetzte Geldstrafe wird in den Gesetzesmaterialien damit begründet, dass den durch § 51b FinStrG pönalisierten Handlungen eine hohe kriminelle Energie inhärent ist. Die Verjährungsfrist beträgt wie für die Finanzordnungswidrigkeiten nach §§ 49 bis 49e FinStrG drei Jahre (§ 31 Abs. 2 FinStrG).

2. „Strafzettel“: Erleichterungen beim Verkürzungszuschlag

§ 30a FinStrG berechtigt die Abgabenbehörden unter bestimmten Voraussetzungen bei Nachforderungen, die sich im Zuge von abgabenrechtlichen Überprüfungsmaßnahmen (z. B. BP, Nachschau) ergeben, eine Abgabenerhöhung (Verkürzungszuschlag) in Höhe von 10 Prozent festzusetzen. Durch Bezahlung der Abgaben samt Verkürzungszuschlag binnen Monatsfrist kann der Abgabepflichtige eine finanzstrafrechtliche Verfolgung abwenden.

In der Praxis konnte vom Verkürzungszuschlag bisher nur in wenigen Fällen Gebrauch gemacht werden. Denn bis zum BBKG 2024 war die Festsetzung einer Abgabenerhöhung auf jene Fälle eingeschränkt, in denen die Abgabennachforderung für ein Jahr € 10.000 und in Summe € 33.000 nicht überstieg. Mit dem BBKG 2024 ist die Betragsgrenze in Höhe von € 10.000 ist entfallen, sodass nur mehr die periodenübergreifende Grenze in Höhe von € 33.000 eingehalten werden muss. Zusätzlich wurde die Möglichkeit geschaffen, eine Zahlungserleichterung (§ 212 BAO) von höchstens sechs Monaten für die Abgabennachforderung (nicht jedoch für die Abgabenerhöhung) zu beantragen. Durch diese Maßnahmen soll der Verkürzungszuschlag nunmehr häufiger zur Anwendung gelangen.

3. Selbstanzeigenpraxis: Entfall der Berichtspflicht an die Staatsanwaltschaft bei fehlendem Anfangsverdacht

Zur Erleichterung der täglichen Arbeitspraxis i. Z. m. Selbstanzeigen normiert der neu eingeführte § 200b FinStrG den Entfall der umfassenden Berichtspflicht der Finanzstrafbehörden an die Staatsanwaltschaft nach § 100 Abs. 3a StPO. Bisher waren die Finanzstrafbehörden selbst im Fall des Nichtvorliegens eines Anfangsverdachts aufgrund des Vorliegens einer wirksamen Selbstanzeige dazu verpflichtet, der Staatsanwaltschaft zu berichten, was zu einer Fülle von Erledigungen auf Seiten der Finanzstrafbehörden und der Staatsanwaltschaften führte: alle Selbstanzeigen – auch wirksame – mit potenzieller Gerichtszuständigkeit wurden an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Zur Verfahrensbeschleunigung und administrativen Entlastung der (Finanz-)Strafbehörden und Staatsanwaltschaften ist die Berichtspflicht hinsichtlich Finanzvergehen, bei denen aus Sicht der Finanzstrafbehörden kein Anfangsverdacht vorliegt, nunmehr entfallen.  

4. Strafbare Handlungen nach StGB und FinStrG: Erweiterung der Subsidiaritätsklausel

Aufgrund der Subsidiaritätsklausel des § 22 Abs. 3 FinStrG sind strafbare Handlungen nach § 223 StGB (Urkundenfälschung) und § 293 StGB (Fälschung eines Beweismittels) nicht zu ahnden, wenn sie im Zusammenhang mit einem zu ahndenden Finanzvergehen begangen wurden. Diese Bestimmung wurde um die strafbare Handlung nach § 225a StGB (Datenfälschung) erweitert. Demgemäß ist bei Zusammentreffen von Finanzvergehen mit dem Delikt der Datenfälschung gemäß § 225a StGB nur das Finanzvergehen strafbar.

5. Zollstrafrecht, Strafverfügung: Entfall der Widerrufsmöglichkeit des Einspruchsverzichts

Gemäß § 146 Abs. 1 FinStrG kann das Zollamt Österreich bei geringfügigen Finanzvergehen mittels vereinfachter Strafverfügung vorgehen, was zu einer sofortigen Erledigung dieser Finanzvergehen führt. Die Strafverfügung setzte bisher voraus, dass sich der Beschuldigte mit dieser einverstanden erklärte und auf die Erhebung eines Einspruchs verzichtete, wobei der Einspruchsverzicht bisher binnen drei Tagen widerrufen werden konnte. Im Zuge des BBKG 2024 wurde diese Widerrufmöglichkeit beseitigt, da sie in der Praxis – entgegen der Intention des vereinfachten Verfahrens – zu Verfahrensverzögerungen geführt hat.

6. Zollstrafrecht, Schmuggel: Klarstellung des strafbestimmenden Wertbetrages

Die Ergänzung des § 35 Abs. 5 FinStrG erfolgte in Reaktion auf Bedenken bei der Berechnung des strafbestimmenden Wertbetrages beim Schmuggel. Nunmehr ist klargestellt, dass für die Berechnung des strafbestimmenden Wertbetrages sämtliche Eingangsabgaben jedenfalls als im Inland entstanden gelten und daher als rechnerische Größe für den Strafrahmen heranzuziehen sind.

Beispiel aus den Gesetzesmaterialien: Ein geschmuggelter Laptop (Zollwert € 5.000) wird bei der Zollkontrolle am Amtsplatz des Zollamts beschlagnahmt. Da der Laptop den Amtsplatz nicht verlassen hat, gilt die Einfuhrumsatzsteuer aus USt-rechtlicher Sicht als (noch) nicht entstanden. Klargestellt ist nunmehr, dass die Einfuhrumsatzsteuer, die – hätte der Laptop den Amtsplatz verlassen – in Höhe von € 1.000 angefallen wäre, bei der Berechnung des strafbestimmenden Wertbetrags zu berücksichtigen ist.