Fester Arbeitsplatz beim Großkunden des Arbeitgebers – keine lohnsteuerfreien Reiseaufwandsentschädigungen

Tax News 4/2024

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Bergsteiger bei Aufstieg

Tagesgelder, die Arbeitnehmern für Baustellen- und Montagetätigkeiten gemäß Kollektivverträgen zustehen, sind steuerfrei (§ 3 Abs. 1 Z. 16b EStG). Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH 29.5.2024, Ro 2022/15/0019) versagte die Steuerbefreiung für am Werksgelände des Großkunden tätige Dienstnehmer, obwohl die Entschädigungen kollektivvertraglich zwingend waren. Das Höchstgericht verneinte eine „Reise“ im Sinn des Gesetzes und damit auch die „Reiseerschwernis“.

1. Was sind „Tagesgelder“?

Zweck der Tagesgelder ist es, mit der Dienstreise verbundene Mehrausgaben für Verpflegung und persönliche Aufwendungen pauschal abzugelten. Die Höhe der zu gewährenden Tagesgelder wird grundsätzlich in den jeweils anzuwenden Kollektivverträgen geregelt.

2. Möglichkeiten steuerfreier Tagesgelder

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, steuerfreie Tagesgelder zu erhalten:

  • Tagesgelder aus Anlass einer Dienstreise im Sinn des § 26 Z. 4 EStG. Die Art der Tätigkeit ist nebensächlich. Befreiungsschädlich ist nur ein neuer Tätigkeitsmittelpunkt. Die Dienstverrichtung darf sich also auf den anderen Einsatzort nicht durchgehend oder wiederkehrend über längeren Zeitraum erstrecken.
  • Selbst bei Vorliegen eines neuen Tätigkeitsmittelpunkts gibt es noch die Befreiungsmöglichkeit gemäß § 3 Abs. 1 Z. 16b EStG für „als Reiseaufwandsentschädigungen gezahlte Tagesgelder und Nächtigungsgelder“. Die Steuerbefreiung gilt aber erstens nur für bestimmte Arten von Tätigkeiten (z. B. Außendiensttätigkeit wie Servicedienste, Fahrtätigkeit wie Zustelldienste, Arbeitskräfteüberlassung oder Baustellen- und Montagetätigkeit außerhalb des Werksgeländes des Arbeitgebers). Zweitens müssen die Tagesgelder aufgrund „lohngestaltender Vorschrift“ zustehen (insbesondere Kollektivvertrag). Die Obergrenze für steuerfreie Tagesgelder richtet sich wiederum nach § 26 Z. 4 EStG.

3. Sachverhalt

Dienstnehmer einer Industriebaubetrieb-GmbH (insbesondere Schlosser und Installateure) erledigten in fremden Industriebetrieben Montage-, Installations-, Reparatur- und Wartungsarbeiten an Industrieanlagen. Da in großen Industriebetrieben kontinuierliche Bau- und Reparaturarbeiten nötig sind, kamen bestimmte Dienstnehmer ständig in den Betrieben der Auftraggeber zum Einsatz. Entweder waren sie vom ersten Tag des Dienstverhältnisses an durchgehend an einem Einsatzort oder – bei wechselnden Einsatzorten – länger als sechs Monate am außerhalb des Werksgeländes des Arbeitgebers gelegenen Einsatzort tätig. Die Industriebaubetrieb-GmbH war aufgrund des Kollektivvertrags für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe zur Auszahlung der Reiseaufwandsentschädigungen verpflichtet.

4. VwGH-Begründung

Die Befreiungsbestimmung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 16b EStG soll die Belastungssituation von Betätigungen außerhalb der eigentlichen Betriebsstätte und somit Aufwendungen berücksichtigen, die bei ständiger Dienstverrichtung an einem festen Arbeitsplatz nicht oder nicht in dieser Art anfallen. Daher ist sie für eine kontinuierlich am Betriebsstandort eines Großkunden ausgeübte Tätigkeit, die in der laufenden und auf Dauer angelegten Errichtung bzw. dem Umbau, dem Service und der Wartung von Industrieanlagen besteht, nicht anwendbar. Insoweit macht es keinen Unterschied, ob sich der feste Arbeitsplatz am Werksgelände des Arbeitgebers oder am Werksgelände des Großkunden (= Auftraggebers) befindet, weil in beiden Fällen die mit wechselnden Arbeitsplätzen verbundene Reiseerschwernis nicht vorliegt. Die Steuerbefreiung ist in diesem Fall selbst dann nicht anwendbar, wenn die Reiseaufwandsentschädigungen aufgrund des anwendbaren Kollektivvertrages (hier: eisen- und metallverarbeitendes Gewerbe) verpflichtend zu zahlen sind.

5. Fazit und Praxistipp

Bei der steuerlichen Behandlung von Tagesgeldern sind einige Stolpersteine versteckt. Der großzügig ausgelegten Befreiung von Reiseaufwandsentschädigungen bei Baustellen- und Montagetätigkeiten außerhalb des Werksgeländes des Arbeitgebers sind Grenzen gesetzt. Der VwGH verneinte mangels der mit wechselnden Arbeitsplätzen verbundenen Reiseerschwernis die Steuerbefreiung für Tagesgelder. Ob dieser Arbeitsplatz am Gelände der Industriebaubetrieb-GmbH oder am Gelände des Großkunden liegt, wo die Dienstnehmer arbeiten, ist laut VwGH irrelevant.

Allerdings ist die höchstgerichtliche Entscheidung nicht überzubewerten, sondern im Kontext des besonderen Sachverhalts zu sehen. Trotz Remote Work gibt es nämlich tatsächlich – weiterhin – zahlreiche Berufsgruppen, die hochmobil sein müssen und an wechselnden Einsatzorten außerhalb eines ständigen Dienstorts tätig sind. Das betrifft beispielsweise Außendiensttätigkeit, punktuelle oder längere Dienstreisen, dauerhafte Entsendungen, Übernachtungen oder auch vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Zweitwohnungen. Stets hängen einschlägige Steuerbefreiungen oder Gestaltungsmöglichkeiten hier vom Einzelfall ab. Die Expert:innen von KPMG unterstützen Sie tatkräftig in Ihrem fordernden Unternehmensalltag.