Versteigerungen verpfändeter Sachen – umsatzsteuerfrei?

Tax News 3/2024

Tax News 3/2024 – Umsatzsteuer

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Der EuGH hatte sich im Urteil vom 18. April 2024, C-89/23, Companhia União de Crédito Popular, mit der Frage zu beschäftigen, ob die Versteigerung als Pfand überlassener Gegenstände als Nebenleistung zur Hauptleistung der Gewährung eines Kredites, der durch das Pfand gesichert ist, angesehen werden kann.

Die Klägerin (im Folgenden kurz: CUCP) ist eine portugiesische Gesellschaft, die als Pfandleiherin tätig ist und Darlehen gewährt, die durch bewegliche Sachen besichert sind. In Fällen, in denen die Darlehensnehmer die verpfändeten Gegenstände nicht auslösen oder mehr als drei Monate mit der Rückzahlung des Darlehensbetrags in Verzug sind, versteigert CUCP diese verpfändeten Gegenstände. Dabei erhält CUCP gemäß den zivilrechtlichen Vorschriften in Portugal eine Verkaufsprovision iHv 11 % des Zuschlagspreises zu Lasten der Darlehensnehmer.

Die Klägerin behandelte diese Verkaufsprovisionen als Nebenleistung zum Darlehensvertrag und daher als mehrwertsteuerfrei. Die portugiesische Steuerbehörde war jedoch der Ansicht, dass es sich um einen von der Gewährung des Darlehens unabhängigen Umsatz handelt, der zum Normalsteuersatz mehrwertsteuerpflichtig sei.

Die Steuerbehörde führte zum Einspruch der Klägerin gegen die Festsetzung von Mehrwertsteuer aus, dass die Versteigerung der verpfändeten Gegenstände kein Mittel darstelle, um die Hauptleistung des Darlehensgebers, also das durch ein Pfandrecht besicherte Darlehen, unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, sondern einen eigenen Zweck habe. Außerdem sei die Versteigerung lediglich ein Mechanismus zur Einziehung von Forderungen und nicht Teil des Darlehensvertrages.

CUCP erhob Rechtsmittel beim vorlegenden Gericht und machte zum einen geltend, dass die Durchführung der Versteigerung nicht von der Darlehensgewährung getrennt werden kann, dessen Gewährung von der Mehrwertsteuer befreit sei. Zum anderen sei die Verkaufsprovision gesetzlich festgelegt und daher keine Gegenleistung für eine gesonderte Dienstleistung, sondern habe den Charakter einer „Gebühr“ für eine mehrwertsteuerfreie Finanzdienstleistung.

Das vorlegende Gericht führte aus, dass die gesetzliche Verkaufsprovision den Darlehensgeber für die Organisation und Durchführung des Verkaufs der in seiner Obhut befindlichen verpfändeten Sachen entschädigen soll und daher nicht den Charakter einer „Gebühr“ für eine öffentlichen Dienstleistung hat. Das vorlegende Gericht legte dem EuGH die Frage vor, ob der Verkauf der Pfandgegenstände im Wege der Versteigerung als Nebenleistung zur Gewährung eines Darlehens durch den Darlehensgeber angesehen werden kann und somit für die Mehrwertsteuerbefreiung nach Artikel 135 Absatz 1 Buchstabe b MwStSyst-RL in Betracht kommt.

Zur Beantwortung der Frage, ob die Versteigerung eine Nebenleistung zur Hauptleistung der Darlehensgewährung ist, verweist der EuGH eingangs auf seine ständige Rechtsprechung, wonach eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist. Grundsätzlich ist bei der Erbringung von Leistungen davon auszugehen, dass es sich um eigenständige/selbstständige Leistungen handelt. Sofern zwei oder mehrere Einzelleistungen so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine untrennbare Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre, liegt nach dem EuGH jedoch eine einheitliche Leistung vor. Der EuGH berücksichtigt dabei, ob aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers ein eigenständiger Zweck der Leistung vorliegt oder nicht. Eine Leistung ist daher dann als Nebenleistung zur Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck hat, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.

Hinsichtlich der Auslegung der Befreiungsbestimmung des Art 135 Abs 1 Buchstabe b MwStSyst-RL hält der EuGH fest, dass der Ausdruck „Gewährung und Vermittlung von Krediten“ weit auszulegen ist. Daher ist die Befreiungsbestimmung grundsätzlich auch für Unternehmen, die keine Finanzdienstleister im engeren Sinn sind, anwendbar und umfasst auch Darlehensverträge, bei denen die Gegenleistung nicht in einer Zinszahlung liegt.

Der EuGH führt sodann aber aus, dass die Befreiungsbestimmungen als Ausnahme von den allgemeinen Regelungen eng auszulegen sind. Unter Berücksichtigung der nachfolgend zusammengefassten Punkten geht der EuGH vom Vorliegen einzelner trennbarer Leistungen aus:

  1. Die Leistungen sind weder materiell noch formal voneinander abhängig. Es könnte auch ein Dritter die Versteigerung der verpfändeten Sachen vornehmen und durchführen.
  2. Die Versteigerung ist nicht „übliches Ergebnis“ der Gewährung eines durch Pfandrecht besicherten Darlehens. Die Versteigerung erfolgt nur dann, wenn der Vertrag nicht erfüllt wird.
  3. Die Versteigerung dient einem eigenständigen Zweck (unabhängig von der Sicherung der Zinsen).
  4. Die Behandlung als selbstständige Leistungen steht im Einklang mit dem Gebot der engen Auslegung von Befreiungsvorschriften.
  5. Es handelt sich um keine öffentliche „Gebühr“, sondern um eine Gegenleistung für eine gesonderte Leistung.

Im Ergebnis handelt es sich nach dem EuGH bei der Veräußerungsprovision um das Entgelt für eine selbständige Leistung, die nicht mehrwertsteuerfrei ist.  

Ergebnis

Der EuGH bestätigt seine ständige Rechtsprechung, wonach zur Prüfung, ob selbständige Leistungen oder eine einheitliche Leistung vorliegt, die Sicht eines Durchschnittsverbrauchers herangezogen werden muss. Dabei ist insbesondere auf den Zweck der Leistung(en) abzustellen. Durch das Urteil sollte für Unternehmen, die Darlehen - die durch Pfand gesichert sind - gewähren, nun klargestellt sein, dass in der Regel (trennbare) selbständige Leistungen vorliegen.