Die umsatzsteuerliche Behandlung von Gutscheinen (in Vertriebsketten)

Tax News 3/2024

Tax News 3/2024 – Umsatzsteuer

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Das Umsatzsteuerrecht differenziert seit 1.1.2019 zwischen Ein- und Mehrzweckgutscheinen. Stehen bei der Ausgabe eines Gutscheines sowohl Leistungsort als auch Steuersatz bereits fest, handelt es sich um einen Einzweckgutschein, ansonsten um einen Mehrzweckgutschein. Die Einordnung als Ein- oder Mehrzweckgutschein hat insbesondere Auswirkungen auf den Zeitpunkt der Steuerbarkeit: Während bei Einzweckgutscheinen die Steuerbarkeit der Leistung bereits bei Ausgabe des Gutscheines vorliegt, ist die im Zuge eines Mehrzweckgutscheines erbrachte Leistung erst bei Einlösung des Gutscheines steuerbar. Der EuGH hat sich in seinem Urteil vom 18. April 2024, Finanzamt O, C‑68/23 mit der Abgrenzung von Ein- und Mehrzweckgutscheinen und der Frage der umsatzsteuerlichen Behandlung eines mehrstufigen Gutscheinvertriebs beschäftigt.

Die M-GbR kauft von Y herausgegebene Guthabenkarten für einen Online-Shop von Zwischenhändlern aus dem EU-Ausland ein. Die M-GbR verkauft diese Gutscheinkarten weiter an ihre Kunden. Mithilfe der Gutscheinkarten konnten die Kunden ein Guthaben auf ihr Nutzerkonto bei der Y laden und damit digitale Inhalte im Online-Shop kaufen. Die Gutscheinkarten wurden mit einer Länderkennung ausgegebenen; Gutscheinkarten mit einer Länderkennung DE waren ausschließlich für Kunden vorgesehen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland als auch ein deutsches Nutzerkonto hatten. Y forderte ihre Nutzer in den Nutzungsbedingungen zur wahrheitsgemäßen Dateneingabe bezüglich deren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort auf.

Der EuGH geht eingangs auf die Abgrenzung der Definition von Ein- und Mehrzweckgutscheinen ein: Ein Einzweck-Gutschein liegt vor, wenn zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind: der Ort der Leistung und die geschuldete Mehrwertsteuer stehen bereits bei Ausgabe des Gutscheines fest. M. a. W. ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 30a MwStSyst-RL, dass Gutscheine, deren steuerliche Behandlung zum Zeitpunkt ihrer Ausstellung bestimmt werden kann, als Einzweck-Gutschein zu qualifizieren sind. Bei der Definition des Mehrzweckgutscheines handelt es sich um einen Auffangtatbestand: ein Mehrzweck-Gutschein ist ein Gutschein, bei dem es sich nicht um einen Einzweck-Gutschein handelt.

Das Ziel des Gesetzgebers für die Einführung der Abgrenzung zwischen Ein- und Mehrzweckgutscheinen waren Diskrepanzen der Behandlung von zwischen Mitgliedstaaten gelieferten Gutscheine; eine Doppel- oder Nichtbesteuerung sollte vermieden werden. Aus diesem Grund sei Art. 30a MwStSyst-RL unabhängig davon anwendbar, ob es sich bei der Übertragung der Gutscheine um einen B2B oder um einen B2C Umsatz handle; würde nämlich die Mehrfache B2B-Übertragung von Gutscheinen die steuerliche Wirkung von Einzweckgutscheinen aushebeln, so wäre das von Art. 30a MwStSyst-RL normierte Ziel nicht erreicht.

Auf die zweite, nur hilfsweise vom BFH gestellte Vorlagefrage, antwortet der EuGH: Wären die ausgegebenen Gutscheinkarten tatsächlich als Mehrzweck-Gutschein einzuordnen, so müsse der BFH als vorlegendes Gericht prüfen, ob der Weiterverkauf eine steuerbare Vertriebs- oder Absatzförderungsleistung ist, maW kann auch der B2B Weiterverkauf von Mehrzweck-Gutscheinen als Dienstleistung der Umsatzsteuer unterliegen.

Ergebnis

Dieses Urteil zeigt, dass sowohl bei B2B Verkauf als auch beim B2C Verkauf von Gutscheinen die Definition des Art. 36a MwStSyst-RL anwendbar ist: Wenn Ort und Steuerschuld bereits bei Ausgabe des Gutscheines feststehen, so handelt es sich um einen Einzweckgutschein, der bereits im Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheines steuerbar ist.

Weiterhin unklar bleibt jedoch, ob Art. 36a MwStSyst-RL auch Auswirkungen auf den Leistungsort eines Einzweckgutscheines in Vertriebsketten hat. Würde man dies bejahen, so wären alle Übertragungen in der Umsatzsteuerkette dort steuerbar, wo die Leistung an den Endkunden tatsächlich erbracht wird. Dies hätte weitreichende umsatzsteuerliche Registrierungspflichten von Unternehmern, die Einzweckgutscheine vertreiben, zur Folge. Wie und ob der BFH diese Rechtsfrage löst, wird mit Spannung erwartet.