KöSt-Haftung des österreichischen Geschäftsführers bei einer Drittstaatsgesellschaft

Tax News 3/2024

Tax News 3/2024 – Verfahrensrecht

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Hat eine Gesellschaft ihren Sitz im Ausland, den Ort der Geschäftsleitung aber in Österreich, ist sie in Österreich unbeschränkt KöSt-pflichtig. Zudem kann der Vertreter der Gesellschaft zur Haftung herangezogen werden, wenn die Nichtentrichtung der Abgabe aus einer schuldhaften Pflichtverletzung resultiert. Bei einer vorsätzlichen Nichtentrichtung beträgt der Haftungszeitraum bis zu zehn Jahre (VwGH 17.1.2024, Ro 2021/13/0019).

1. Sachverhalt: Geschäftsleitung von Jersey-Ltd in Österreich – Haftungsbescheid an AT-Geschäftsführer

Die betroffene Gesellschaft hatte ihren Sitz in den Streitjahren in Jersey, die Geschäftsleitung jedoch in Wien. Mit Bescheid des Finanzamts wurde der ehemalige „Director“ der betroffenen Gesellschaft im Jahr 2017 als Haftungspflichtiger für die bis dato noch nicht festgesetzte KöSt (2007-2009) in Höhe von ca. EUR 2,5 Mio. in Anspruch genommen (§§ 9, 80 BAO). Ein Ermittlungsverfahren wegen vorsätzlicher Abgabenhinterziehung wurde von der Staatsanwaltschaft eingestellt.

2. Highlights der Entscheidung

Erstmalige Geltendmachung der KöSt direkt gegenüber Geschäftsführer (Haftung)

Verletzen Geschäftsführer die ihnen auferlegten steuerlichen Pflichten und können Abgaben in der Folge nicht eingebracht werden, so haften die Geschäftsführer für den Abgabenausfall (§ 9 i. V. m. § 80 BAO). Geschäftsführer haben insbesondere dafür zu sorgen, dass Abgabenerklärungen rechtzeitig eingereicht und die Abgaben entrichtet werden.

Der Revisionswerber war für das Tagesgeschäft der Ltd. als leitender Director verantwortlich. Er ist daher als Vertreter i. S. d. § 9 i. V. m. §§ 80 ff BAO zu qualifizieren. Da die KöSt 2007-2009 unbestrittener Weise gegenüber der betroffenen Gesellschaft als Primärschuldnerin nicht mehr einbringlich war, war die Abgabe dem Revisionswerber vorzuschreiben.

Da die Gesellschaft historisch über ausreichend Liquidität verfügte, wurden die Abgaben im vollen Umfang herangezogen. Der Umstand, dass es einen weiteren Director gab, wurde seitens des BFG berücksichtigt: Reduktion der Haftung um 10 %, da der zweite Director seine Tätigkeit nur als „Nebentätigkeit“ ausgeübt hat.

Jersey-Ltd als Steuersubjekt in Österreich

Der VwGH bestätige die langjährige Ansicht von Finanzverwaltung und Literatur, wonach bei mit österreichischen Kapitalgesellschaften vergleichbaren Drittstaatsgesellschaften mit inländischem Ort der Geschäftsleitung eine unbeschränkte Steuerpflicht anzunehmen ist („Typenvergleich“). Da kein gegenteiliges Vorbringen des Revisionswerbers erstattet wurde, bestätigte der Gerichtshof die von FA/BFG angenommene Vergleichbarkeit der Jersey-Ltd. mit einer inländischen Kapitalgesellschaft.

Anmerkung: Seit dem AbgÄG 2023 ist der „Typenvergleich“ ausdrücklich in § 1 Abs. 2 Z. 1 KStG verankert.

Abgabenrechtliche Verjährungsfrist: Keine Bindung an Staatsanwaltschaft

Die Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben beträgt zehn Jahre (§ 207 Abs. 2 BAO). Trotz Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft sind im Abgabenverfahren eigenständige Feststellungen zum Vorliegen einer Abgabenhinterziehung zu treffen und die abgabenrechtliche Verjährung ist abschließend zu beurteilen (Vorfrage). Das BFG gelangte nach umfangreicher eigener Beweisaufnahme – welche vom VwGH nicht beanstandet wurde – zu dem Ergebnis, dass die KöSt (2007-2009) der Jersey-Ltd. vorsätzlich hinterzogen wurde: Die Geschäftsführer verheimlichten das Bestehen der Geschäftsleitung in Wien. Sie hielten es ernstlich für möglich und fanden sich damit ab, dass die betroffene Gesellschaft in Österreich steuerpflichtig ist und Abgabenerklärung und Versteuerung gesetzwidrig unterblieben sind.

3. Praxishinweis: Achten auf Sitz der Geschäftsleitung – Inanspruchnahme des Geschäftsführers möglich

Mit österreichischen Kapitalgesellschaften vergleichbare Rechtsträger können bei inländischer Geschäftsführung der KöSt unterliegen. Insbesondere bei der Vornahme eines „Typenvergleichs“ können Sie die Steuerexperten von KPMG fachkundig unterstützen.

Bei „unerkannter“ KöSt-Pflicht in Österreich kann der betroffene Vorstand/Geschäftsführer zur Haftung herangezogen werden. Da etwaige „Steuerschulden“ der Gesellschaft die persönlichen finanziellen Möglichkeiten der betroffenen natürlichen Person regelmäßig übersteigen, können daraus auch gravierende Auswirkungen auf die wirtschaftliche Existenz resultieren. Darüber hinaus drohen möglicherweise finanzstrafrechtliche Konsequenzen. Für eine proaktive Risikominimierung stehen Ihnen unsere Steuer- und Steuerstrafrechtsexperten ebenso gerne zur Verfügung wie im Falle einer abgabenrechtlichen oder finanzstrafrechtlichen Verteidigungssituation.