Deutschland: Wachstumschancengesetz – Neue Verrechnungspreisvorschriften für Finanztransaktionen ab 2024

Tax News 3/2024

Tax News 3/2024 – Internationales Steuerrecht

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Am 27.3.2024 wurde das sog. „Wachstumschancengesetz“ im deutschen Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Darin finden sich in § 1 Abs. 3d bzw. 3e des dAStG unter anderem Änderungen hinsichtlich der Verrechnungspreisvorschriften für Finanztransaktionen (beschränkt auf Inbound-Fälle), wonach künftig die Anerkennung von Zinsaufwendungen als abzugsfähige Betriebsausgaben auf Ebene deutscher Konzerngesellschaften sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach begrenzt wird. Diese Neuregelungen sind auch für österreichische Konzerne mit deutschen Konzern-/Tochtergesellschaften von Relevanz und bringen erhöhte Dokumentationserfordernisse in Bezug auf bestehende (kein Bestandsschutz!) und neue IC-Darlehensvergaben an deutsche Konzern-/Tochtergesellschaften mit sich. Eine eingehende Verrechnungspreisanalyse betragsmäßig wesentlicher Finanzierungen deutscher Konzerngesellschaften ist daher anzuraten.

1. Überblick

Am 27.3.2024 wurde das sog. „Wachstumschancengesetz“ im deutschen Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Dieses sieht unter anderem neue Verrechnungspreisvorschriften für Finanztransaktionen (beschränkt auf Inbound-Fälle) vor, welche den Fremdvergleich bei gruppeninternen Finanzierungsbeziehungen konkretisieren sollen. Die in § 1 Abs. 3d bzw. 3e des dAStG aufgenommenen Neuregelungen sind erstmals für 2024 anzuwenden, wobei kein Bestandsschutz für vor diesem Zeitpunkt abgeschlossene (und nach wie vor aufrechte) Finanzierungen vorgesehen ist.

Die neuen gesetzlichen Regelungen sehen in § 1 Abs. 3d dAStG eine Beschränkung des steuerlichen Zinsaufwandes bei Inbound-Finanzierungen deutscher Konzern-/Tochtergesellschaften sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach vor. Die neue Zinsabzugsbeschränkung hat somit insbesondere auch Relevanz bei IC-Darlehensvergaben österreichischer Konzerne an deutsche Konzern-/Tochtergesellschaften (bzw. auch Cash-Pool Ausleihungen deutscher Konzerngesellschaften), weshalb zum einen die bestehenden Finanzierungen auf den Prüfstand gestellt werden sollten bzw. zum anderen bei neuen Finanzierungen die nunmehr bestehenden erhöhten Dokumentationserfordernisse zu beachten sind.

Eine weitere, neu hinzugefügte Vorschrift (§ 1 Abs. 3e AStG) beschäftigt sich speziell mit der Rolle von Finanzierungsgesellschaften bzw zentralisierten Finanzierungsfunktionen innerhalb eines Konzerns. Hier wird seitens des deutschen Gesetzgebers die widerlegbare Vermutung normiert, dass es sich dabei lediglich um eine funktions- und risikoarme Dienstleistung (sog. „Routinedienstleistung“) handeln soll, weshalb in der Folge – wohl insbesondere mit Blick auf außerhalb Deutschlands ansässige Finanzierungsgesellschaften – lediglich eine Routinevergütung (Abgeltung i. d. R. auf Basis der Kostenaufschlagsmethode) anerkannt werden soll.

2. Beschränkung des steuerlichen Zinsabzuges bei IC-Darlehen an deutsche Konzern-/Tochtergesellschaften

Nach dieser Neuregelung (§ 1 Abs. 3d AStG) setzt die Anerkennung von Zinsaufwendungen als abzugsfähige Betriebsausgaben künftig einerseits dem Grunde nach voraus, dass der Steuerpflichtige den Kapitaldienst (also die Darlehensrückzahlung) für die gesamte Laufzeit von Anfang an hätte erbringen können (Schuldentragungsfähigkeit bzw. „Debt Capacity“) und die Finanzierung vom deutschen Darlehensnehmer auch tatsächlich wirtschaftlich benötigt und für den Unternehmenszweck verwendet wird („Business purpose test“). Die Begriffe „Schuldentragungsfähigkeit“, „wirtschaftlich benötigen“ bzw. „Verwendung für den Unternehmenszweck“ werden dabei im Rahmen der gesetzlichen Neuregelung nicht weiter konkretisiert, was eine Vielzahl an Anwendungsfragen offenlässt. Ungeachtet dessen sind Unternehmen gut beraten diese erhöhten Dokumentationserfordernisse bei künftigen – betragsmäßig wesentlichen – IC-Finanzierungen deutscher Konzerngesellschaften bestmöglich zu berücksichtigen, um einer späteren Umqualifizierung von Fremdkapital in verdecktes Eigenkapital proaktiv vorzubeugen. Die Analyse der Schuldentragungsfähigkeit kann dabei in der Praxis insbesondere über konkrete Cashflow-Planungen auf Ebene der darlehensnehmenden Gesellschaften erfolgen. Zusätzlich ist in Anbetracht der gesetzlichen Neuregelung bei größeren IC-Darlehensvergaben an deutsche Konzerngesellschaften dringend anzuraten, im Vorfeld auch eine „Finanzbedarfsanalyse“ anzufertigen, um zweifelsfrei darlegen zu können, dass die konkrete Finanzierung seitens der darlehensnehmenden Gesellschaft auch tatsächlich wirtschaftlich benötigt wird – dies wohl insbesondere in jenen Fällen, in denen keine unmittelbare Verwendung der Finanzmittel angedacht bzw ersichtlich ist, sondern die Finanzmittel über einen längeren Zeitraum vorrätig gehalten werden sollen.

Der Höhe nach soll der Zinsabzug entsprechend der Neuregelung des §1 Abs. 3d AStG mit dem Zinssatz gedeckelt sein, zu dem sich das Unternehmen auf Basis des Konzernratings gegenüber fremden Dritten finanzieren könnte (= widerlegbare Vermutung), wobei im Einzelfall die Möglichkeit eines Gegenbeweises anhand eines aus dem Konzernrating abgeleiteten Einzelratings besteht („Downnotching“; sofern Fremdüblichkeit nachgewiesen werden kann). Dieser Ansatz steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zu den diesbezüglichen Ausführungen der OECD-VPL (vgl. Tz. 10.76 ff.) bzw. der VPR 2021 (vgl. Rz. 115), welche grundsätzlich eine Zinsbemessung auf Basis des i. d. R. schlechteren „stand-alone“-Ratings des Darlehensnehmers (unter allfälliger Einpreisung eines „Konzernrückhaltes“) vorsehen. Der Ansatz des (besseren) Konzernratings erscheint daher auf Basis der allgemeinen Ausführungen der OECD-VPL bzw der VPR nur dann zulässig bzw. fremdvergleichskonform, wenn es sich bei der darlehensnehmenden Gesellschaft um eine strategisch wichtige „Kerngesellschaft“ („core entity“) handelt, welche im Falle von Zahlungsschwierigkeiten jedenfalls Unterstützung seitens des Konzerns erhalten würde. Verfügt ein Konzernunternehmen nicht über einen derartigen Status, soll die Zinssatzbemessung nach den allgemeinen Ausführungen der OECD-VPL (bzw. auch der VPR) grundsätzlich auf Basis des schlechteren stand-alone Ratings der darlehensnehmenden Konzerngesellschaft (allenfalls unter Einpreisung eines geringen Konzernrückhaltes, Upnotching) erfolgen.

Der in Deutschland nunmehr normierte pauschale Ansatz des (besseren) Konzernratings zur Ableitung des Zinssatzes bei Inbound-Darlehen an deutsche Konzerngesellschaften birgt somit letztlich das Risiko einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Dies insbesondere dann, wenn der Zinssatz bei IC-Darlehen an deutsche Konzerngesellschaften auf Basis des allgemeinen Fremdvergleichsgrundsatzes (OECD-VPL) und somit des schlechteren stand-alone Ratings bemessen wird (= höherer Zinssatz), jedoch aus deutscher Sicht nur ein geringerer (auf Basis des besseren Gruppenratings abgeleiteter) Zinssatz akzeptiert wird. Streitigkeiten in künftigen in- und ausländischen Betriebsprüfungen sowie diesbezügliche Verständigungs-/Schiedsverfahren scheinen somit vorprogrammiert.

3. (Pauschale) Qualifikation konzerninterner Finanzierungsfunktionen als „Routinedienstleistungen“

Eine weitere, neu hinzugefügte Vorschrift (§ 1 Abs. 3e AStG) beschäftigt sich speziell mit der Rolle von Finanzierungsgesellschaften bzw zentralisierten Finanzierungsfunktionen innerhalb eines Konzerns. Dabei soll es sich regelmäßig um eine funktions- und risikoarme Dienstleistung (mit Cost-Plus Abgeltung) handeln, soweit Finanzierungsbeziehungen vermittelt oder weitergeleitet werden oder die Steuerung von Finanzmitteln, etwa in Form von Liquiditäts-, Risiko- oder Währungsmanagement übernommen wird. Diese widerlegbare Vermutung soll lediglich dann nicht gelten, wenn seitens des Steuerpflichtigen durch Vorlage einer Funktions- und Risikoanalyse der Gegenbeweis erbracht wird, dass es sich bei den entsprechenden Finanzierungs-/Treasury-Leistungen nicht um funktions- und risikoarme (sondern vergleichsweise komplexere mit wesentlichen Risiken behaftete) Dienstleistungen handelt. Der deutsche Gesetzgeber hat hier wohl insbesondere den Fall ausländischer (u. U. substanzschwacher) Finanzierungsgesellschaften vor Augen, welche durch teilweise oder vollständige Vereinnahmung der Zinsmarge einen Teil des Residualgewinns für sich beanspruchen. In Bezug auf Finanzierungsgesellschaften bzw. zentralisierte Finanzierungsfunktionen, deren Vergütung über ein bloßes Cost-Plus Entgelt hinausgeht, ist somit ebenfalls anzuraten anhand einer detaillierten Funktions- und Risikoanalyse darzulegen, dass die wahrgenommenen (Treasury-)Leistungen über bloße Koordinierungsfunktionen hinausgehen und somit im Ergebnis eine höhere – über einen bloßen Routinegewinn hinausgehenden – Vergütung rechtfertigen.

4. Handlungsempfehlungen für Unternehmen mit deutschen Konzern-/Tochtergesellschaften

Unternehmen sind daher gut beraten, IC-Finanzierungen an deutsche Konzerngesellschaften vor dem Hintergrund der neuen gesetzlichen Regelungen in § 1 dAStG auf den Prüfstand zu stellen. In jedem Fall ist anzuraten, die erhöhten Dokumentationserfordernisse bei künftigen – betragsmäßig wesentlichen – Finanzierungen deutscher Konzerngesellschaften entsprechend zu berücksichtigen (insb. Dokumentation Schuldentragungsfähigkeit, betriebliche Veranlassung der Finanzierung, Annahmen betreffend Konzernrückhalt bei Zinssatzbemessung etc.) und auch bestehende Finanzierungen diesbezüglich einer kritischen Prüfung zu unterziehen.

Gerne unterstützt Sie ihr KPMG-Berater bei der diesbezüglichen Verrechnungspreisanalyse.