BFG: Einkommensteuerbegünstigung für Forstwirtschaft verfassungswidrig?

Tax News 3/2024

Tax News 3/2024 – Sonstiges

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Die Land- und Forstwirtschaft (LuF) hat überragende gesamtgesellschaftliche Bedeutung. Die Landwirtschaft produziert vorwiegend Nahrungs- und Futtermittel, die Forstwirtschaft dient vor allem der Holzgewinnung. Auch das Steuerrecht nimmt auf die Sonderstellung der LuF Rücksicht (z. B. Pauschalierung). Das Bundesfinanzgericht (BFG) hält eine Waldnutzungs-Begünstigung der Forstwirtschaft für verfassungswidrig. Ob der Verfassungsgerichtshof (VfGH) diese Bestimmung tatsächlich als verfassungswidrig aufhebt, bleibt abzuwarten.

1. Problemstellung

Das BFG stellte einen Antrag auf Normenprüfung beim VfGH (Art 140 Abs 1 Z 1 lit a B-VG, BFG-Beschluss 30.11.2023, RN/7100001/2023, beim VfGH anhängig zur Zahl G 3317/2023). Steuerlich geht es um Waldnutzungen in der Forstwirtschaft. Um Erfolg zu haben, muss der Antrag – grob zusammenfassend – zwei Voraussetzungen erfüllen:

  • Prozessuale Zulässigkeit (insbesondere „Präjudizialität“ und Anfechtungsumfang)
  • Inhaltliche Begründung der Verfassungswidrigkeit

Ob der Antrag diese Voraussetzungen erfüllt, ist fraglich (siehe unten).

2. BFG zu „Kalamitäts-Begünstigung“ (höhere Gewalt)

Rechtslage:

  • Gemäß § 37 Abs. 1 EStG ermäßigt sich der Steuersatz für Einkünfte aus besonderen Waldnutzungen auf den halben Durchschnittssteuersatz, soweit diese Waldnutzungen vorrangig den Verlust aus anderen Holznutzungen und sodann einen weiteren Verlust aus demselben forstwirtschaftlichen Betriebszweig übersteigen, in dem die Einkünfte aus besonderer Waldnutzung angefallen sind.
  • § 37 Abs. 6 EStG definiert Einkünfte aus besonderen Waldnutzungen: Diese liegen nur vor, wenn für das stehende Holz kein Bestandsvergleich vorgenommen wird und überdies außerordentliche Waldnutzungen oder Waldnutzungen infolge höherer Gewalt vorliegen. Einkünfte aus außerordentlichen Waldnutzungen sind solche, die aus wirtschaftlichen Gründen geboten sind und über die nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen nachhaltig zu erzielenden jährlichen regelmäßigen Nutzungen hinausgehen.
  • Gemäß § 12 Abs. 7 EStG können 70 % der Einkünfte aus Waldnutzungen infolge höherer Gewalt (insbesondere Eis-, Schnee-, Windbruch, Insektenfraß, Hochwasser oder Brand) als stille Reserven auf neu angeschafftes Anlagevermögen übertragen oder einer Übertragungsrücklage zugeführt werden.

Sachverhalt:

  • Der Steuerpflichtige ermittelte den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG. Er machte vom Wahlrecht des § 125 Abs. 5 BAO Gebrauch und bezog die Wertänderungen des stehenden Holzes (insbesondere natürlichen Holzzuwachs) nicht in die jährliche Bestandsaufnahme ein.
  • In den jeweiligen Veranlagungsjahren wurde für einen Teil dieser Einkünfte eine Übertragungsrücklage gemäß § 12 Abs. 7 EStG gebildet, die jeweils im Folgejahr auf die Anschaffungskosten oder Herstellungskosten zugegangener Wirtschaftsgüter übertragen wurde. Für den übrigen Teil der Einkünfte aus Waldnutzung infolge höherer Gewalt, die nach innerbetrieblichem Verlustausgleich verblieben und im Wesentlichen den erklärten Einkünften aus LuF des Forstbetriebs entsprachen, wurde der Hälftesteuersatz gemäß § 37 Abs. 1 EStG beansprucht.

BFG:

  • Die Gewährung des Hälftesteuersatzes für Einkünfte aus Kalamitätsnutzung zum Zweck eines pauschalen Ausgleichs für in den Büchern nicht ausgewiesene Elementarschäden am Wirtschaftsgut (= stehendes Holz) bildet eine sachlich nicht gerechtfertigte Steuerbegünstigung.
  • Die Norm schafft einen negativen Anreiz, Waldbewirtschaftungen in die Sphäre von Kalamitätsnutzungen fallen zu lassen.

3. Gleichheitssatz

Eine Begünstigung erkennt man im Wesentlichen an der bevorzugten Behandlung (z. B. Tarif) gegenüber anderen Steuerpflichtigen im jeweiligen Kontext. Beispielsweise ist die niedrige Flat Tax für das Urlaubs- und Weihnachtsgeld von Unselbständigen eine Begünstigung, weil Selbständige nicht in deren Genuss kommen; die Begünstigung ist großzügig, aber verfassungskonform (VfSlg 16.196/2001).

Bei der LuF winkte der VfGH im Jahr 2012 – teilweise zum Ärger anderer Berufsgruppen – schon prozessual ab und beschäftigte sich gar nicht inhaltlich mit der LuF-Vollpauschalierung bei der Gewinnermittlung (keine Präjudizialität, VfSlg 19.683/2012). Inhaltlich gestand der VfGH aber der LuF schon in den 1960er Jahren eine spezifische Stellung zu: Er hielt die unterschiedliche Behandlung der LuF gegenüber anderen Berufsgruppen für unbedenklich und begründete das unter anderem mit der „ganz anderen wirtschaftlichen Struktur“ der LuF-Betriebe (VfSlg 4149/1962).

4. Fazit

Folgende inhaltliche Argumente sprechen eher gegen eine Gleichheitswidrigkeit:

  • Die Begünstigung ist per se nicht sachfremd, zumal sie mit dem Wesen der Forstwirtschaft in Zusammenhang steht.
  • Durch die vorrangige Verlustverrechnung wird eine faktische Übertragung auf andere Einkünfte durch zufällige Saldierung ausgeschlossen. Das ist ohnehin eine Einschränkung der Begünstigung und wäre daher auch in die grundrechtliche Beurteilung einzubeziehen.
  • Der Trend in der Judikatur des VfGH dürfte hin zur Betonung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums gehen. Das betrifft auch das Steuerrecht (exemplarisch „Managergehälter“, VfSlg 19.933/2014; Werbeabgabe und Online-Werbung, VfGH 12.10.2017, E 2025/2016).