EuGH: Ausgabe von Geschenken: Umsatzsteuerliche Behandlung als unselbstständige Nebenleistung

Tax News 11-12/2023

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Der EuGH hat sich in seinem Urteil vom 5. Oktober 2023, Deco Proteste – Editores Lda, C-505/22, mit der Frage beschäftigt, wie Geschenke, die Neukund:innen beim Abschluss eines Zeitschriftenabonnements erhalten, umsatzsteuerlich zu behandeln sind. Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass die Geschenke im vorliegenden Fall eine unselbstständige Nebenleistung zu einer Hauptleistung sind und folglich keinen Eigenverbrauch auslösen.

Deco Proteste – Editores ist ein portugiesisches Unternehmen, das Zeitschriften und sonstiges Informationsmaterial zum Thema Verbraucherschutz herausgibt und vertreibt. Um Neukund:innen zu gewinnen, wird einem Zeitungs-Abo ein Tablet oder Smartphone mit einem Wert von unter EUR 50 (Grenze für geringwertige Geschenke in Portugal) beigelegt. Die Abo-Prämie wird diesen Abonnenten zusammen mit ihrer Zeitschrift per Post zugeschickt, nachdem sie die erste Monatsrate für das Abonnement gezahlt haben. Die erste Monatsrate ist genauso hoch wie die darauffolgenden Raten. Da keine Mindestbezugsdauer festgelegt ist, behalten die Abonnenten nach Zahlung der ersten Monatsrate selbst im Fall der Kündigung des Abonnements die Abo-Prämie, ohne Nachteile zu erleiden.

Der EuGH betont eingangs, dass im Mehrwertsteuersystem jeder Umsatz grundsätzlich als eigene und selbstständige Leistung zu betrachten ist. Enthält ein Umsatz jedoch mehrere Elemente, stellt sich die Frage, ob der Umsatz aus einer einheitlichen Leistung besteht oder aus mehreren eigenständigen und selbstständigen Leistungen. Um festzustellen, ob ein Steuerpflichtiger mehrere selbstständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, sind die charakteristischen Merkmale des betreffenden Umsatzes aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers zu ermitteln. Zudem ist ein wirtschaftlicher Vorgang eine einheitliche Leistung, wenn ein oder mehrere Teile der Leistung als die Hauptleistung und andere Teile als die Nebenleistung anzusehen sind.

Im vorliegenden Fall ist die Gewährung von Abo-Prämien für den Abschluss eines neuen Abonnements integraler Bestandteil der Geschäftsstrategie der Klägerin des Ausgangsverfahrens. Darüber hinaus werden dem vorlegenden Gericht zufolge Abonnements erheblich häufiger abgeschlossen, wenn sie mit Abo-Prämien verbunden sind.

Die Zugabe des Tablets bzw Smartphones dient nur dem Zweck, die Zahl der Abonnenten für die von der Klägerin veröffentlichten Zeitschriften zu erhöhen und damit die von ihr erzielten Gewinne zu steigern. Die Klägerin hat bei ihrer kaufmännischen Kalkulation berücksichtigt, dass einige Abonnenten ihr Abonnement nach Zahlung der ersten Monatsrate kündigen werden, wobei sie aufgrund dieser Zahlung die Prämie behalten dürfen, ohne an das Abonnement gebunden zu bleiben. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Gewährung einer Abo-Prämie der Klägerin des Ausgangsverfahrens ermöglicht, jedes Jahr die Zahl ihrer Abonnenten erheblich zu erhöhen. Die Gewährung einer solchen Prämie hat daher aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers, der bereit ist, mindestens eine Monatsrate für ein Abonnement zu bezahlen, um die Prämie zu erhalten, keinen eigenständigen Zweck.

Außerdem weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass die gewährte Abo-Prämie den neuen Abonnenten ermöglicht habe, die Hauptdienstleistung des Dienstleisters, d. h. die Lektüre der Zeitschriften, für die das Abonnement abgeschlossen worden sei, unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, weil mit Hilfe eines Tablets oder eines Smartphones z. B. der Zugriff auf eine digitale Fassung dieser Zeitschriften möglich ist.

Vorbehaltlich der Prüfung des nationalen Gerichts ist die Abgabe der Abo-Prämie eine unselbstständige Nebenleistung zum Zeitschriften-Abo und keine unentgeltliche Zuwendung.

Ergebnis

Dieses Urteil zeigt, dass die unentgeltliche Abgabe von Gegenständen eine unselbstständige Nebenleistung zu einer Hauptleistung sein kann und demnach keinen Eigenverbrauch auslöst. Im gegebenen Fall war neben des wirtschaftlichen Zwecks für die Ausgabe der Geschenke ausschlaggebend, dass die Abonennt:innen das Tablet bzw. Smartphone verwenden konnten, um das bezogene Zeitungs-Abo bestmöglich zu nutzen. Um die im Urteil vorgenommene Qualifikation als unselbstständige Nebenleistung auch auf andere Fälle anwenden zu können, sind die erbrachten Leistungen sowie die Hintergründe für die Ausgabe der Geschenke detailliert zu untersuchen.