Vorsteuerabzug aus fehlerhaften Rechnungen & Wissen-Müssen um Umsatzsteuerbetrug

Tax News 10/2023

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Das BFG hatte sich in seinem Urteil vom 18. April 2023, RV/5100588/2013, mit der Frage des Vorsteuerabzuges aus mangelhaften Rechnungen und mit dem Vorliegen von Umsatzsteuerbetrug i.Z.m. mit innergemeinschaftlichen Lieferungen und Scheinrechnungen auseinanderzusetzen.

1. Zusammenfassung des Sachverhaltes

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz: Bf) ist im Bereich des Treibstoffvertriebes tätig. Im streitgegenständlichen Zeitraum machte die Bf Vorsteuern aus innergemeinschaftlichen Erwerben geltend. Die innergemeinschaftlichen Erwerbe stammen zum Teil aus Rechnungen des Lieferanten *Z*. Die innergemeinschaftlichen Lieferungen von *Z* an die Bf fanden tatsächlich statt, die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges lagen vor und es lag kein Umsatzsteuerbetrug vor. Aufgrund von Rechnungsmängel wurde dem Bf jedoch der Vorsteuerabzug aus den innergemeinschaftlichen Erwerben versagt.

Weiters wurden der Bf der Vorsteuerabzug aus Rechnungen der Lieferanten *E* und *D* versagt, obwohl die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges vorlagen, da die Lieferanten die Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abführten.

Bei den Lieferanten *A* und *P* stellte sich heraus, dass es sich bei diesen Rechnungen um Scheinrechnungen handelt und somit nie eine tatsächliche Lieferung zwischen diesen beiden Gesellschaften und der Bf stattfand. Auch hier wurde die auf den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer von den Lieferanten nicht an das Finanzamt abgeführt und der Bf das Recht auf Vorsteuerabzug verwehrt.

2. Wissen-Müssen und Umsatzsteuerbetrug hinsichtlich Lieferanten E, D, A und P

Das BFG führt (ua) folgende Indizien an, die dafürsprechen, dass die Bf hinsichtlich der Lieferungen der Lieferanten *E*, *D*, *A* und *P* vom Umsatzsteuerbetrug hätte wissen müssen:

  • Dem Geschäftsführer der Bf waren die hohen Gewinnmargen bei den Lieferungen von den Lieferanten *E*, *D*, *A* und *P* bewusst und dieser hat dennoch keine weiteren Nachprüfungen veranlasst. Zudem gab der Geschäftsführer an, dass er den Verdacht hatte „dass mit der Mehrwertsteuer "irgendwas [ge]dreht" würde, weil es sonst nicht eine Spanne von 400 Euro pro Lieferung gegeben hätte“. Abseits des Vertrauens auf die gültige UID-Nummer und eines Firmenbuchauszugs wurden keine weiteren Nachforschungen seitens der Bf durchgeführt.
  • Bei mehreren Lieferanten diente stets dieselbe Person als Ansprechperson für die Bf, obwohl diese Ansprechperson bei keinem der Lieferanten als Geschäftsführer tätig war. Der Umstand, dass identische Personen für mehrere Unternehmer handeln, stelle ein Warnsignal für Unregelmäßigkeiten dar. Die Bf hatte auch keinen Kontakt zu den eigentlichen Geschäftsführern dieser Gesellschaften aufgenommen, um sich zu vergewissern, ob die Ansprechperson für diese Gesellschaften überhaupt handlungsbefugt sei.
  • Da die UID-Nummer des Lieferanten *A* begrenzt wurde, stellte der Lieferant *P* anstelle des tatsächlichen Lieferanten *A* Rechnungen aus. Die Tatsache, dass die Bf wusste, dass Rechnungen vom Lieferanten *A* auf den Lieferanten *P* umgeschrieben wurden, ist nach dem BFG ein Indiz, dass die Bf um den Umsatzsteuerbetrug wissen musste.
  • Der Geschäftszweig einer der Lieferanten bestand im Gastronomiebetrieb und nicht im streitgegenständlichen Dieselliefergeschäft.

3. Rechtliche Beurteilung

Das BFG hat festgestellt, dass der Vorsteuerabzug aus innergemeinschaftlichen Lieferungen der *Z* trotz mangelhafter Rechnungen zusteht. Die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug sind erfüllt und formale Rechnungsfehler führen grundsätzlich nicht zur Versagung des Vorsteuerabzuges. Dabei ist es unerheblich, dass an der firmenbuchmäßigen Adresse der *Z* keine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet wurde.

Betreffend die Lieferanten *E* und *D* stellte das BFG fest, dass die Bf um den Umsatzsteuerbetrug hätte wissen müssen. Trotz Vorliegen der materiellen Voraussetzungen steht der Bf daher das Recht auf Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen nicht zu.

Betreffend den Lieferanten *A* und *P* führt das BFG aus, dass die Rechnungen Scheinrechnungen waren, die den tatsächlichen Warenfluss verschleierten. Die von *A* und *P* aus diesen Rechnungen geschuldete Umsatzsteuer wurde zudem nicht abgeführt. Nach dem BFG steht fest, dass die Bf von der Ausstellung der Scheinrechnungen gewusst hat, sodass das Recht auf Vorsteuerabzug aus den Rechnungen zurecht versagt wurde.

4. Ergebnis

Vom BFG wurde bereits mehrfach festgehalten, dass die Abgabenbehörde die Verpflichtung trifft, Beweise für eine mangelnde Gutgläubigkeit der Bf vorzulegen. Im Beschwerdefall stellte das BFG insbesondere aufgrund der hohen Gewinnmargen, der Tatsache das dieselbe Person als Ansprechperson für die Bf (obwohl diese bei keinem der Lieferanten als Geschäftsführer tätig war) und des abweichenden Hauptgeschäftszweiges eines Lieferanten fest, dass die Bf vom Umsatzsteuerbetrug hätte wissen müssen.

Bei Vorliegen von Anhaltspunkten zum Vorliegen von Unregelmäßigkeiten, muss erhöhte Sorgfalt geübt werden sowie entsprechende Maßnahmen ergriffen werden zur Vermeidung eines Verdachtes der Beteiligung an einer Umsatzsteuerverkürzung.