BFG: Schützt ein zivilgerichtlicher Vergleich vor Besteuerung eines negativen Kapitalkontos (§ 24 Abs. 2 letzter Satz EStG)?

Tax News 10/2023

Bilanz- und Konzernsteuerrecht

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Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat jüngst (BFG 10.08.2023, RV/7100184/2015) unter Verweis auf zahlreiche VwGH-Judikatur entschieden, dass ein in der Vergangenheit geschlossener zivilgerichtlicher Vergleich für die steuerliche Feststellung in den Folgejahren aufgrund der Bestimmung des § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG nicht bindend ist, jedenfalls dann nicht, wenn negative Verlustzuweisungen in der Vergangenheit mit anderen Einkunftsquellen ausgeglichen werden konnten und kein Widerspruch gegen die bzw die Beendigung einer gewerblichen Mitunternehmerstellung in einer Personengesellschaft ausgesprochen wurde.

1. Sachverhalt

Der Kommanditist einer Kommanditgesellschaft verfügte im Jahr (2006) der Eröffnung des Konkursverfahrens über ein steuerlich negatives Kapitalkonto von ca. EUR 2,1 Mio. Bis zur konkursbedingten Beendigung im Jahr 2011 erfolgten für die Jahre 2007 bis 2010 noch (geringfügige) Gewinnzuweisungen, so dass im Jahr 2011 das negative Kapitalkonto einen Betrag von rd. EUR 1,9 Mio aufwies. Aufgrund der Verlustzuweisungen bzw Verlustabzügen aus der KG machte der Kommanditist in der Vergangenheit steuerliche Vorteile geltend, in dem diese negativen Einkünfte mit anderen Einkünften ausgeglichen wurden. Da für den Kommanditisten keine Auffüllungsverpflichtung bestand, setzte das Finanzamt mit Feststellungsbescheid einen Veräußerungsgewinn in dieser Höhe fest. Gegen diesen Feststellungsbescheid wurde Bescheidbeschwerde erhoben vor allem mit der Argumentation, dass im Jahr 2003 ein Vergleich geschlossen wurde, der Bereinigungswirkung hinsichtlich sämtlicher Ansprüche und Verbindlichkeiten, an die die Parteien gedacht haben und denken hätten können. Daher seien sämtliche Ansprüche der KG gegen den Kommanditisten erlassen. Anzuführen ist weiters, dass der Kommanditist insbesondere im Jahr 2003 gegen seine Gesellschafterstellung keinen Widerspruch erhoben hat und diese auch nicht gekündigt hat.

Strittig ist, ob ein zivilgerichtlich abgeschlossener Vergleich auch ein negatives Kapitalkonto beseitigt und somit die Besteuerung eines Veräußerungsgewinnes bis zum Stichtag des Vergleichsabschlusses zu unterbleiben hat.

2. Rechtslage

Gem. § 24 EStG i.d.F. BGBl 85/2008 sind Veräußerungsgewinne ua „… Gewinne, die erzielt werden bei Veräußerung … eines Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebes anzusehen ist …(§ 24 Abs. 1 Z 1 TS 3 EStG).  § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG normiert weiter, dass „… Im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebes anzusehen ist, als Veräußerungsgewinn jedenfalls der Betrag seines negativen Kapitalkontos zu erfassen ist, den er nicht auffüllen muss.“

Mit Verweis auf VwGH-Judikatur hält das BFG fest, dass der Bestimmung des § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG der Gedanke zu Grunde liegt, dass ein negatives Kapitalkonto eines Mitunternehmers grundsätzlich eine Verpflichtung des Mitunternehmers der Mitunternehmerschaft gegenüber zur Auffüllung des negativen Kapitalkontos zum Ausdruck bringt. In jenen Fällen, in denen bei einem Kommanditisten durch Verlustzuweisungen ein negatives Kapitalkonto entsteht, zu dessen Auffüllung er nicht verpflichtet ist, sodass sein Ausscheiden ohne vorherige Auffüllung des Kapitalkontos keine schuldbefreiende und damit gewinnwirksame Rechtsfolge nach sich zieht, normiert die genannte Bestimmung eine derartige Rechtsfolge für steuerliche Zwecke. Andernfalls wären Verluste eines Kommanditisten, denen im steuerlichen System der Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich der Gedanke einer Vermögenseinbuße zu Grunde liegt, in unbeschränktem Ausmaß steuerlich zu berücksichtigen (insbesondere im Wege des Verlustausgleiches), ohne dass der nachträgliche Wegfall der unterstellten Vermögenseinbuße bei seinem Ausscheiden aus der Kommanditgesellschaft steuerlich als Wegfall einer Verbindlichkeit gewinnerhöhend erfasst werden könnte.

Als Mitunternehmerschaften gelten nur solche Personengesellschaften, die im Rahmen eines Betriebes unternehmerisch tätig sind (EStR 2000, Rz 5802).

Das BFG hält gegenständlich auch unter Verweis auf VwGH-Rechtsprechung fest, dass unter „Ausscheiden“ jede Form der Beendigung zu verstehen ist. Auch Fälle, in denen von außen wirkenden Zwangsmaßnahmen, dazu führen, dass der Betrieb zu bestehen aufhört. Die Betriebsaufgabe muss nicht auf einen Willensentschluss des Betriebsinhabers zurückzuführen sein, sondern kann auch vom Masseverwalter (Insolvenzverwalter) im Zuge eines Konkursverfahrens (Insolvenzverfahrens) bewirkt werden.

3. Entscheidung des BFG

Das BFG entscheidet gegenständlich unter Verweis auf die ständige Judikatur des VwGHs, dass ein negatives Kapitalkonto, welches nicht aufgefüllt werden muss, als Veräußerungsgewinn gemäß § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG zu versteuern ist. Der § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG hat den Zweck zu verhindern, dass durch freiwillige zivilgerichtliche Vereinbarungen Abgaben nicht geleistet werden müssen.

Zum zivilgerichtlichen Vergleich führt das BFG grundsätzlich aus, das ein solcher demnach vorliegt, wenn die Parteien streitige oder zweifelhafte Rechte durch gegenseitiges Nachgeben beseitigen, indem sie eine neue, eindeutige Verbindlichkeit festsetzen. Der OGH sprach hierzu aus, dass die Parteien beim Vergleich an die Stelle einer streitigen oder zweifelhaften Verbindlichkeit durch gegenseitiges Nachgeben eine neue, eindeutige (RIS-Justiz RS0032681) setzten. Mit Verweis auf die einschlägige Literatur und Judikatur führt das BFG aus, dass die Festlegung des Umfangs der Bereinigungswirkung eines Vergleichs in der Hand der Parteien und „im Zweifel“ erstreckt sie sich auf alle gegenseitigen Forderungen, an die die Parteien denken konnten. Diese Bereinigungswirkung tritt auch dann ein, wenn in den Vergleich keine Generalklausel aufgenommen wurde (RIS-Justiz RS0032453 [T20]). Den OGH zitierend hält das BFG fest, dass ein Vergleich im Zweifel auch solche Ansprüche umfasst, an die die Parteien im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses denken konnten, doch bilden grundsätzlich nur die Verhältnisse zur Zeit des Vergleichsabschlusses den Gegenstand des Vergleichs und damit auch seiner Bereinigungswirkung (JBl 1989, 724). Änderungen, die erst nach Vergleichsabschluss eintreten, sind vom Vergleich nicht umfasst (9 Ob A 132/90).

Schlussfolgend auf gegenständlichen Vergleichsabschluss aus dem Jahr 2003 kommt das BFG somit zum Ergebnis, dass aufgrund des Inhalts des Vergleichsabschlusses das zu diesem Zeitpunkt bestehende negative Kapitalkonto nicht Gegenstand war. Der Kommanditist hielt es auch nicht für notwendig, (damals) die Gesellschafterstellung zu kündigen und aus der KG auszuscheiden.

Das Ausscheiden aus der KG erfolgte sodann mit Beschluss im Jahr 2011, als die KG durch Schlussverteilung des Konkurses aufgehoben wurde.

An der Versteuerung des negativen Kapitalkontos gem. § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG ändert somit gegenständlicher zivilgerichtlicher Vergleich aus dem Jahr 2003 nichts.

Das BFG lässt die ordentliche Revision zu, da zur Rechtsfrage, ob ein zivilgerichtlicher Vergleich eine Bereinigungswirkung auch im Fall des § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG entfalten kann, keine ausdrückliche höchstgerichtliche Judikatur bekannt ist. Die BFG-Entscheidung wurde am 17.10.2023 veröffentlicht. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Revision erhoben wurde.

Es bleibt somit wohl die spannende Frage offen, ob ein (rechtzeitig) geschlossener zivilgerichtlicher Vergleich die Nachversteuerung eines negativen Kapitalkontos gem. § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG verhindern könnte.