VwGH zur Haftung von Vermieter:innen für Glücksspielabgabeschulden für Mieter:innen

Tax News 7-9/2023

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In den am 18.04.2023 ergangenen Erkenntnissen, Ro 2021/17/0005-14 und Ro 2021/17/0006-4, befasste sich der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) mit der Frage, ob sich aus § 59 Abs. 4 lit. a Glücksspielgesetz (GSpG) eine Haftung von Vermieter:innen für Glücksspielabgabenschulden ihrer Mieter:innen ableiten lässt.

Sachverhalt

Den eingangs genannten Erkenntnissen lagen Sachverhalte zugrunde, in denen vom Finanzamt gemäß § 59 Abs 4 GSpG zahlreiche Vermieter:innen als Haftende für offene Glücksspielabgabenschulden ihrer Mieter:innen (teils in Millionenhöhe) herangezogen wurden, die in den angemieteten Räumlichkeiten der Glücksspielabgabe unterliegende Ausspielungen durchführten. Der Abschluss der Mietverträge erfolgte in beiden Fällen vor Aufnahme der gegenständlichen Bestimmungen in das GSpG sowie vor deren Inkrafttreten. Aufgrund der Uneinbringlichkeit der Glücksspielabgaben bei den Mieter:innen als Abgabenschuldner:innen zog das Finanzamt die Vermieter:innen zur Haftung für die Glücksspielabgaben heran.

Rechtsgrundlage

Nach § 59 Abs 4 GSpG haftet zur ungeteilten Hand für die korrekte Entrichtung der Glücksspielabgaben (gemäß lit. a) derjenige, der die Durchführung der Ausspielungen in seinem Verfügungsbereich erlaubt, sowie (gemäß lit. b) bei Ausspielungen mit Glücksspielautomaten derjenige, der die Aufstellung eines Glücksspielautomaten in seinem Verfügungsbereich erlaubt, sowie andere am Glücksspielautomaten umsatz- oder erfolgsbeteiligte Unternehmer, ein etwaiger gesonderter Veranstalter der Ausspielung und der Vermittler.

Die Glücksspielabgaben der § 57 ff GSpG einschließlich der gegenständlichen Haftungsbestimmung wurden im Jahr 2010 im Rahmen der GSpG-Novelle 2008 (BGBl I 2010/54) in das GSpG aufgenommen. Diese abgaben¬rechtlichen Bestimmungen der § 57 bis 59 GSpG traten mit 01.01.2011 in Kraft.

Weder das Gesetz definiert die Begriffe „Verfügungsbereich“ und „erlaubt“ , noch enthalten die Gesetzesmaterialien nähere Erläuterungen (Ehgartner in SWK 17/2023, 735).

Schlussfolgerung

Der VwGH lehnte in den eingangs angeführten Erkenntnissen die diesbezügliche Inanspruchnahme „schon aus den Umständen ab“, weil die konkreten Mietverträge vor Erlassung bzw. Inkrafttreten der entsprechenden Normen des GSpG abgeschlossen wurden und sie nicht einseitig auflösbar waren und damit für die gegenständlichen Vermieter:innen keine Möglichkeit bestand, ihr Haftungsrisiko auszuschließen oder zu begrenzen.

Außerdem führte der VwGH weiter aus, dass ein Verständnis wonach die gegenständliche Norm „erlauben würde, in einer in einer Konstellation wie der vorliegenden die bloße Vermieterin von Räumlichkeiten, in denen Glücksspiele durchgeführt werden, zur Haftung für die dabei entstehenden Glücksspielabgabenschuldigkeiten heranzuziehen, dieser Bestimmung einen sachlich nicht gerechtfertigten und mithin verfassungswidrigen Inhalt unterstellen.“ (Ro 2021/17/0006-4, Rz 21). Der VwGH verweist weiters an den VfGH, der in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass bei der Umschreibung des für eine Steuer haftenden Personenkreises insofern eine Grenze gezogen ist (Art. 7 B-VG Gleichheitsgrundsatz), als er nur solche Personen zur Haftung heranziehen darf, bei denen eine Haftung sachlich begründet ist. Für die sachliche Rechtfertigung entscheidend ist, ob es dem Haftenden möglich ist, den Umfang der Haftung abzuschätzen und mit Hilfe von Vertragsgestaltungen für sich eine Limitierung des Risikos zu erreichen (Ro 2021/17/0006-4, Rz 22).

Der VwGH hält auch fest, dass an diesem Ergebnis auch die Befugnis der Abgabenbehörde, dass ihr bei der Heranziehung zur Haftung eingeräumte Ermessen zugunsten des Haftenden auszuüben, nichts zu ändern vermag (Ro 2021/17/0006-4, Rz 26).

Auch wenn für die gegenständlichen Mietverträge, die vor Inkrafttreten der maßgeblichen Bestimmung (§ 59 Abs 4 lit a GSpG) abgeschlossen wurde, der VwGH die Haftungsinanspruchnahme abgelehnt hat, könnte demgegenüber (insbesondere) bei ab dem Jahr 2011 abgeschlossenen Mietverträgen uU eine diesbezügliche Haftungsinanspruchnahme von Vermietern allenfalls möglich sein.

In der Literatur finden sich Aussagen (Ehgartner, SWK 2023/17, 738), dass aktuell am BFG (und wohl auch am Finanzamt) zahlreiche weitere Fälle anhängig sind, in denen Vermieter:innen diesbezüglich zur Haftung herangezogen wurden; teilweise liegen dabei Mietverträge zugrunde, die nach Inkrafttreten der gegenständlichen Bestimmungen abgeschlossen wurden. Die kommenden Entscheidungen bleiben abzuwarten.