Führt die Abtretung uneinbringlicher Forderungen zu einer Rückerstattung von Umsatzsteuer?

Tax News 07-09/2023

Umsatzsteuer

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Am 9. Februar 2023 wurde das EuGH Urteil zu der Rechtssache Euler Hermes (C-482/21) veröffentlicht. Der EuGH musste sich in dieser Rechtssache mit der Frage befassen, ob Versicherungszahlungen für uneinbringliche Forderungen zu einer Erstattung an Umsatzsteuerbeträgen führen können. Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass eine nationale Regelung, die die Korrektur der Umsatzsteuer bei besagten Versicherungszahlungen versagt, nicht gegen das Unionsrecht verstößt. 

Euler Hermes ist im Versicherungswesen tätig und verpflichtet sich im Rahmen ihrer Versicherungsverträge eine Entschädigung an die Versicherten zu zahlen, sollten deren Kunden Forderungen nicht begleichen können. Die zu zahlende Entschädigung beträgt 90 % des Wertes der nicht beglichenen Forderung inklusive Umsatzsteuer. Der entsprechende Teil des Forderungswerts sowie sämtliche mit der Forderung verbundene Rechte werden an die Euler Hermes abgetreten. Durch die Versicherungszahlung wird Euler Hermes mit einem Teil der Umsatzsteuer belastet: Die Versicherten haben die Umsatzsteuer für ihre Leistungen ihren Kunden in Rechnung gestellt und an den Fiskus abgeführt. Die Rechnungen (und somit auch die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer) wurden von den Kunden jedoch nicht beglichen.

Euler Hermes beantragte die Erstattung der Umsatzsteuer für die uneinbringlichen Forderungen zuzüglich Verzugszinsen, weil die abgetretenen Forderungen endgültig uneinbringlich seien, die gezahlten Entschädigungen jedoch 90 % der Forderung inklusive Umsatzsteuer umfasste. Die Steuerverwaltung lehnte die Beantragung mit der Begründung ab, dass den uneinbringlichen Forderungen keine Leistungen zu Grunde liegen, die von der Euler Hermes erbracht wurden. Zudem sei Euler Hermes durch ihre erbrachte Versicherungsleistung steuerrechtlich nicht zur Rechtsnachfolgerin der Versicherten geworden; Steuersubjekt seien die Versicherten und nicht Euler Hermes. Als Gegenargument brachte Euler Hermes vor, dass sie sehr wohl die Rechtsnachfolgerin sei und Anspruch auf die Erstattung der Umsatzsteuer habe.

In diesem Zusammenhang befragte das ungarische Gericht den EuGH, ob das Unionsrecht der Versagung der Umsatzsteuererstattung in gegebenen Fall entgegenstehe und verwies dabei auf die Steuerbefreiung für Versicherungsumsätze in Art. 135 Abs. 1 lit a MwStSyst-RL, die Kapital- und Dienstleistungsfreiheit und die generelle Anwendbarkeit von Art. 90 MwStSyst-Rl.

Vorab betonte der EuGH, dass § 135 Abs. 1 lit. a MwStSyst-RL nicht anwendbar ist, weil die Klägerin nicht die Erstattung von Mehrwertsteuer aus steuerbefreiten Versicherungsumsätzen forderte, sondern die zurückgeforderte Mehrwertsteuer im Rahmen von steuerbaren Umsätzen entrichtet wurde. Zudem handelt es sich um einen rein nationalen Sachverhalt, weshalb die Kapital- und Dienstleistungsfreiheit nicht anwendbar sind.

Weiter sei zu prüfen, ob Euler Hermes die Erstattung von Umsatzsteuer gem Art. 90 MwStSyst-RL geltend machen kann, in Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der steuerlichen Neutralität und der Effektivität. Der EuGH betonte, das Art. 90 MwStSyst-RL ein Ausdruck des Grundprinzips der steuerlichen Neutralität sei. Auf Grundlage von Art. 90 MwStSyst-RL können Steuerpflichtige die Steuerbemessungsgrundlage mindern, wenn die gesamte oder ein Teil der Gegenleistung uneinbringlich geworden sind.

Der EuGH führt zudem aus, dass ein Umsatz gegen Entgelt einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Lieferung von Gegenständen bzw. Erbringung von Dienstleistungen und der empfangenen Gegenleistung voraussetze. Dafür ist jedoch nicht notwendig, dass die Gegenleistung unmittelbar von dem Empfänger erbracht wird.

Im vorliegenden Fall hat Euler Hermes iZm ihrer Versicherungsleistung den Steuerpflichtigen eine Entschädigung i.H.v. 90% bezahlt. Diese 90% Entschädigung ist gem den Ausführungen des EuGH durchaus von den steuerpflichtigen Kunden (den Versicherten) als Gegenleistung der fraglichen steuerbaren Umsätze vereinnahmt worden. Demnach besteht kein Anspruch auf Verminderung der Steuerbemessungsgrundlage gem Art. 90 MwStSyst-RL. Der EuGH kommt folglich zu dem Ergebnis, dass eine nationale Regelung, die die Korrektur der Umsatzsteuer bei besagten Versicherungszahlungen versagt, nicht gegen das Unionsrecht verstößt.

Ausblick

Die Verminderung der Bemessungsgrundlage ist u.A. bei uneinbringlichen Forderungen anwendbar. Sobald ein Teil der uneinbringlichen Forderung jedoch, wie in gegebenen Fall z.B. durch Versicherungszahlungen, beglichen wird, ist gem. der Rs Euler Hermes dieser Teil der Forderung nicht (mehr) uneinbringlich. Aus diesem Grund kommt es zu keiner Rückerstattung der Mehrwertsteuer. Der Fall zeigt, dass Art. 90 MwStSyst-RL eng auszulegen ist. Diese enge Auslegung führt dazu, dass auch wenn das (Teil-)Entgelt von einer anderen Partei als dem ursprünglichen Vertragspartner gezahlt wird, Art. 90 MwStSyst-RL nicht anwendbar ist. Demnach besteht in vergleichbaren Fällen keine Möglichkeit die bereits entrichtete Umsatzsteuer rückerstattet zu bekommen.

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