Das Laden von E-Fahrzeugen gilt umsatzsteuerrechtlich als eine Lieferung von Elektrizität

Tax News 07-09/2023

Umsatzsteuer

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Am 20. April 2023 wurde das EuGH-Urteil zur Rechtssache Dyrektor Krajowej lnformacji Skarbowej (C-282/22) veröffentlicht. Der EuGH musste sich in dieser Rechtssache mit der Frage befassen, ob die Lieferung von Elektrizität mit Zusatzleistungen als einheitliche komplexe Leistung als Lieferung oder als sonstige Leistung zu qualifizieren ist. Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass im Vordergrund der angebotenen Leistungen die Lieferung von Elektrizität stehe und die zugehörigen Dienstleistungen nur dem einfacheren Bezug von Elektrizität dienen.

P.w.W, plante in Polen öffentlich zugängliche Ladestationen für Elektrofahrzeuge zu errichten und zu betreiben. Diese Ladestationen würden mit sogenannten Multistandard-Ladegeräten ausgestattet, die sowohl über Schnellladeanschlüsse mit Gleichstrom als auch über Langsamladeanschlüsse mit Wechselstrom verfügten. Die Ladung mit Schnellanschlüssen hat den Vorteil, dass 80 % der Batteriekapazität innerhalb von 20-30 Minuten aufgeladen werden könne.

Zusätzlich zu der Übertragung von Elektrizität würde P.w.W. die Ladevorrichtungen bereitstellen, eine spezielle Plattform, Website oder Software bereitstellen, die die Reservierung von Ladeanschlüssen und die Historie der getätigten Ladungen aufzeichnen würde, sowie die notwendige technische Unterstützung anbieten. Für alle Leistungen beabsichtigte P.w.W. einen einheitlichen Preis in Rechnung zu stellen.

P.w.W. beantragte bei der Steuerbehörde die Erteilung eines Steuervorbescheids, mit dem bescheinigt werden sollte, dass es sich bei der geplanten Tätigkeit um eine „Dienstleistung“ im Sinne des nationalen Mehrwertsteuergesetzes handle. In dem Steuervorbescheid vertrat die Steuerbehörde jedoch die Auffassung, dass die Lieferung der für das Aufladen eines Elektrofahrzeuges erforderliche Elektrizität als die Hauptleistung anzusehen sei, während die anderen von P.w.W. angebotenen (Dienst-) Leistungen als Nebenleistungen anzusehen seien.

In diesem Zusammenhang befragte das polnische Verwaltungsgericht den EuGH, ob es sich bei einem Leistungsbündel, das sich aus Bereitstellung von Ladevorrichtungen, der Sicherstellung der Übertragung von Elektrizität, der notwendigen technischen Unterstützung und der Bereitstellung einer speziellen Plattform zusammensetzt, um eine komplexe einheitliche Lieferung oder um eine Dienstleistung handle.

Der EuGH führt hierzu aus, dass die Leistungen eine komplexe einheitliche Leistung sind. Für die Qualifikation, ob es sich bei der komplexen einheitlichen Leistung um eine „Lieferung von Gegenständen“ oder um eine „Erbringung von Dienstleistungen“ im Sinne der MwStSyst-RL handle, müssen alle erbrachten Leistungen berücksichtigt werden. Die Lieferung von Elektrizität in die Batterie eines Elektrofahrzeugs ist eine Lieferung von Gegenständen, weil diese Leistung den Nutzern der Ladestation dazu berechtigt, die übertragene Elektrizität für den Antrieb seines Fahrzeugs zu verbrauchen. Demgegenüber ist die Gewährung des Zugangs zur Ladeausrüstung eine minimale Dienstleistung, die notwendigerweise mit der Lieferung von Elektrizität einhergeht. Die technische Hilfe sowie eine potenziell zur Verfügung gestellte Plattform, Website oder Software sind zudem auch nur Mittel, um die Lieferung der für den Antrieb des Fahrzeuges erforderlichen Elektrizität zu erhalten.

Die Übertragung von Elektrizität ist demnach das charakteristische und vorherrschende Element der einheitlichen und komplexen Leistung. Aus diesem Grund kommt der EuGH zum Ergebnis, dass die Lieferung von Elektrizität zum Aufladen von Elektrofahrzeugen eine komplexe einheitliche „Lieferung von Gegenständen“ ist.

Ausblick

Die Entscheidung bringt Rechtssicherheit, als es sich beim Laden von Elektrizität sowie der Bereitstellung von Ladevorrichtungen um eine einheitliche Lieferung handelt. Die durch das polnische Gericht aufgeworfene Frage ist jedoch nur eine Detailfrage, die sich Unternehmer, die Leistungen iZm des Ladens von Elektrizität stellen müssen. Die Gerichte werden sich in den nächsten Jahren vermehrt auch mit anderen umsatzsteuerrechtlichen Fragen zum Laden von Elektrizität beschäftigen müssen.

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