Das Europäische Parlament hat am 1. Juni 2023 sein Verhandlungsmandat zur CSDDD verabschiedet – ein weiterer Meilenstein für die Finalisierung der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD). In der ersten Ausgabe des neuen Webinar-Formats „ESGeht informiert in den Tag“ gaben die geladenen Expert:innen rund um Moderatorin Katharina Schönauer, Senior Managerin und ESG-Teamlead bei KPMG Österreich, einen Überblick im Regulatorik-Dschungel und informierten über die dynamischen Veränderungen, welche die CSDDD und das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) mit sich bringen.

Risiken in der Lieferkette frühzeitig erkennen

Sukzessive sind in den vergangenen Jahren international eine Reihe von Sorgfaltspflichtengesetzen in Kraft getreten, die sich mit Umweltschutz und Menschenrechten beschäftigen. Vorreiter in Europa sind Frankreich, Norwegen und natürlich Deutschland mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Was hierzulande noch auf Freiwilligkeit beruht, wird jedoch spätestens mit Inkrafttreten der gesamteuropäisch geltenden CSDDD zur Pflicht für die betroffenen Unternehmen. Was das für österreichische Unternehmen bedeutet, darauf gab Sonja Irresberger, Senior Managerin bei KPMG Österreich, einen Ausblick.

In erster Linie gilt es, sich als Unternehmen der Risiken bewusst zu sein. Während es beim klassischen Risikomanagement um Risiken, die ein Unternehmen von außen treffen können, geht, findet mit der CSDDD ein Perspektivenwechsel statt. Unternehmen müssen sich damit auseinandersetzen, was sie selbst für Auswirkungen auf die Umwelt, die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter:innen, die Anrainer etc. haben. Dazu müssen sie auch ihre Lieferanten und damit die Lieferkette unter die Lupe nehmen. Diese Risiken gilt es im ersten Schritt zu erkennen und ausgehend von deren Bewertung einen konkreten Maßnahmenplan zu entwickeln, wie mit Lieferanten, die ein mittleres oder hohes Risiko aufweisen, umzugehen ist. Essenziell dabei ist die Dokumentation und Nachverfolgbarkeit genau wie die regelmäßige Aktualisierung der Risikoanalyse und Überwachung der Einhaltung.

Crossfunktionales Denken als Schlüsselfaktor zur Umsetzung

Wie haben sich deutsche Unternehmen auf das LkSG vorbereitet, das mit 1.1.2023 in Kraft getreten ist, und was können wir daraus im Hinblick auf die kommende CSDDD lernen? Diesen Fragestellungen widmete sich Alexander Weissmann, Senior Manager bei KPMG Deutschland. Wesentlich ist, sich als Unternehmen möglichst frühzeitig mit den Anforderungen auseinanderzusetzen, das Gesetz tatsächlich zu verstehen und entsprechend auslegen zu können. Dabei gilt: Je größer das Unternehmen, desto wichtiger ist es, sich rechtzeitig damit zu beschäftigen. Auch die Frage der Unternehmensreife und davon ausgehend das Festsetzen des Ambitionsniveaus sowie der Kundenanforderungen sollten am Beginn der Auseinandersetzung mit dem Thema stehen.

Dreh- und Angelpunkt dabei ist ein interdisziplinärer Zugang: Nur mit crossfunktionalen Teams und dem Know-how aus den verschiedensten Bereichen – von Recht und Compliance bis hin zum Einkauf, EHS sowie auch der IT – können derartige Gesetze und Richtlinien zum jeweiligen Unternehmen passend wirksam umgesetzt werden. Und nicht zuletzt ist es einmal mehr der Faktor Mensch, der im Zentrum steht: Denn ESG findet nicht in einer Nachhaltigkeitsabteilung statt, sondern es geht um ein gesamtheitliches Umdenken, um Transformation – dafür braucht es Menschen, die diese ESG-Reise vorantreiben und die Mitarbeiter:innen und Kolleg:innen bzw. letztlich auf die Lieferanten dabei mitnehmen. Nur durch Kollaboration kann die Implementierung der neuen Strukturen tatsächlich gelingen.

Mit strategischer Neuausrichtung zu einem klaren Wettbewerbsvorteil

Aktuell befinden wir uns an einem Wendepunkt, sowohl ökologisch als auch gesellschaftlich. Damit ändert sich auch die Wettbewerbssituation drastisch. Mit Blick in die Zukunft sieht Werner Girth, Partner bei KPMG Österreich, vor allem die strategische Komponente als essenziell für Unternehmen. Denn sich an den neuen Richtlinien bzw. den kommenden Gesetzen zu orientieren, ist nicht nur eine Compliance-Übung, sondern fordert ein generelles Umdenken und eine Neuausrichtung der Wertschöpfung an sich.

Zentral ist dabei die Frage, wie man als Unternehmen mit den vielen Faktoren, die sich systemisch verändern werden – beispielsweise die CO2-Bepreisung und damit immer teurer werdende Zulieferstoffe, die wiederum die eigenen Produkte teurer machen – umgehen will. Die eigene Lieferkette sorgfältig zu betrachten, sie transparenter zu gestalten – all das können Unternehmen schon jetzt dazu nutzen, um sich in Vorbereitung auf zukünftige Anforderungen einen Wettbewerbsvorteil zu sichern. Nicht nur die Judikative, sondern auch Marktkräfte sind es, die Unternehmen stark dazu anhalten, die ESG-Reise zu begehen und sich durch Innovationen und Umdenken vom Rest abzuheben.

Rechtliche Herausforderungen im Fokus

Der rechtliche Aspekt wurde schließlich von Hannah Kercz beleuchtet, Rechtsanwältin bei KPMG Law Österreich. So kann das Deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz auch auf österreichische Unternehmen Auswirkungen haben: Unmittelbare Wirkung besteht beispielsweise, wenn das deutsche Mutterunternehmen einen bestimmenden Einfluss auf das in Österreich ansässige Unternehmen ausübt. Das LkSG kann in diesen Fällen unter anderem über ihre Mutter auch auf die österreichische Tochter anwendbar sein. Das LkSG kann sich ebenfalls mittelbar auf österreichische Unternehmen auswirken. Dies kann dann der Fall sein, wenn dieses als Zulieferer für ein deutsches Unternehmen fungiert und gegenüber diesem entsprechende Angaben zur Lieferkette machen muss, um den nunmehr geforderten Informationspflichten nachzukommen. Werden diese Informationen nicht oder nur unzureichend zur Verfügung gestellt, können zwar auf Basis des LkSG keine Bußgelder an das österreichische Unternehmen verhängt werden, die Konsequenzen können jedoch beispielsweise der Verlust des Auftrags bzw. die Auflösung der Zusammenarbeit sein.

Im aktuellen Richtlinienentwurf zur CSDDD sind die angeführten Sanktionen, die Unternehmen im Anwendungsbereich treffen können, derzeit noch nicht als final zu betrachten. Laut der Expertin sollen Verstöße nach dem derzeitigen Wortlaut jedoch streng bestraft werden: Derzeit werden über 5 Prozent des weltweiten Umsatzes sowie das Verbot, zukünftig an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen zu dürfen, diskutiert. Ein weiterer zentraler Punkt des Richtlinienentwurfs ist die Geschäftsführungshaftung, welche sich insbesondere um das Erreichen von Klimazielen dreht. Um die Sanktionsrisiken bereits jetzt zu minimieren und sich auf die Umsetzung der Bestimmungen der CSDDD in nationales Recht vorzubereiten, ist es essenziell, sich als Unternehmen umgehend mit der eigenen Wertschöpfungs- sowie Lieferkette auseinanderzusetzen und einen genauen Blick auf die Vorgänge im eigenen Unternehmen zu werfen.

Fazit

Fest steht, die Umsetzung des kommenden Gesetzes wird nicht von heute auf morgen passieren können – es braucht eine Vorlaufzeit für die betroffenen Unternehmen. Umso wichtiger ist es, frühzeitig mit den Vorbereitungen zu beginnen: Von einer Erhebung, welche Stammdaten benötigt werden, um die Sorgfaltspflichten erfüllen zu können, über die Ausarbeitung von unternehmensinternen Verhaltens- sowie Lieferanten-Kodices im Hinblick auf menschen- und umweltrechtsbezogene Themen bis zur internen Revision zur Prüfung – all das benötigt personelle wie finanzielle Ressourcen. Sich damit schon jetzt schrittweise auseinanderzusetzen, kann einen enormen Wettbewerbsvorteil bringen.