E-Rechnung und ViDA - Chancen in der Digitalisierung?

Tax News 05-06/2023

Umsatzsteuer

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Die EU-Kommission legte am 8. Dezember 2022 einen Vorschlag zur Modernisierung der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie u.a. zwecks Betrugsbekämpfung unter dem Namen „VAT in the Digital Age“ (ViDA) vor. Dieser umfasst die schrittweise Einführung bis 2028 einer digitalen Meldepflicht von E-Rechnungen, eine Einbindung von Plattformbetreibern in die Mehrwertsteuererhebung sowie die Eindämmung von Mehrfachregistrierungen. Die Inhalte des Vorschlags erfordern umfangreiche technische Anpassungen der umsatzsteuerlichen Compliance-Prozesse in Unternehmen, die bereits heute mitbedacht werden sollten. Dieser Beitrag fokussiert sich auf den Themenbereich der E-Rechnungen, der möglichen Implikationen auf Unternehmen und damit einhergehenden Chancen im Hinblick auf die Digitalisierungskomponente. 

1. VAT in the Digital Age (ViDA)

Die Betrugsbekämpfung im Bereich der Umsatzsteuer und das Schließen etwaiger Mehrwertsteuerlücken durch die Möglichkeiten der Digitalisierung sind erklärtes Ziel der EU.

Der ViDA-Vorstoß umfasst drei Maßnahmenblöcke:

  1. Digital Reporting Requirements („DRR“): Einführung einer digitalen Meldepflicht in Quasi-Echtzeit unter Verwendung von E-Rechnungen.
  2. Platform Economy: Bewältigung der Herausforderungen der Plattformwirtschaft u.a. durch stärkere Einbindung von Plattformen bei der Mehrwertsteuererhebung.
  3. Single VAT Registration: Bestmögliche Eindämmung mehrfacher Mehrwertsteuerregistrierungen in der EU durch organisatorische und legistische Maßnahmen.

Die genannten Punkte führen, sofern sie von den EU-Mitgliedstaaten einstimmig angenommen und umgesetzt werden, zu umfangreichen technischen Anpassungsbedarfen der umsatzsteuerlichen Compliance-Prozesse insb. in den Unternehmen. Letztendlich wird die Umsetzung von ViDA durch die jeweiligen EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeiten der Unternehmen und auch das damit einhergehende Digitalisierungspotential insb. betreffend die Vereinfachung von Prozessen vorgeben.

Im Folgenden soll der Fokus auf den digitalen Meldepflichten („DRR“) und E-Rechnungen liegen.

2. Digitale Meldepflichten und E-Rechnung

2.1. Derzeitige Herausforderungen

Die Eckpfeiler des EU-Mehrwertsteuerrechts stammen aus Zeiten vor der Digitalisierung und Globalisierung der Wirtschaft. Ungeachtet der materiellen Vorschriften, deren Zweckmäßigkeit in einer digitalisierten Wirtschaft gesondert zu beurteilen ist, bleiben auch die Verfahrensvorschriften weit hinter den bereits heute verfügbaren Möglichkeiten zurück.

Angesichts dieser Ausgangslage stellt die Betrugsbekämpfung für die Finanzverwaltungen eine Herausforderung dar. Einige EU-Mitgliedstaaten (z.B. Italien, Ungarn, Polen, Frankreich, Deutschland) haben i.d.Z. bereits strengere nationale Meldepflichten – mit durchaus positiven Erfolgen – eingeführt bzw. erwägen die Einführung solcher.

Diese national strengeren Meldepflichten unterscheiden sich zwar im Detail, jedoch weisen sie durchaus Gemeinsamkeiten auf. Gemein ist ihnen oftmals ua der digitale Datenaustausch mit der lokalen Finanzverwaltung auf Basis strukturierter Datenformate, die zeitliche Nähe der Meldung zum Leistungserbringungszeitpunkt und – fallweise – das Erfordernis einer behördlichen Autorisierung- oder Verifikation (Clearing).  Nationale Alleingänge mögen im Interesse der jeweiligen Finanzverwaltung sein, allerdings führen sie zwangsläufig zu einer Fragmentierung der umsatzsteuerlichen Compliance mitsamt entsprechend negativer Folgen für Unternehmer, die grenzüberschreitend tätig sind. Sie hemmen die Chance auf Effizienzgewinne durch Digitalisierung in den Prozessketten und Meldeerfordernissen für Unternehmen.

2.2. Zukunftsvision der EU-Kommission

Um den Herausforderungen zu begegnen, schlägt der ViDA-Vorstoß die Einführung einer digitalen, EU-weit vereinheitlichten, umsatzbezogenen und nahezu in Echtzeit zu erfüllenden Meldepflicht vor.

Eine solche Pflicht ist dabei eng mit der Frage des zugrundeliegenden Rechnungsformats verknüpft. Für die Übertragung der E-Rechnungsdaten können Intermediäre eine wesentliche Rolle für die Unternehmen, wie auch für die Übersetzung der Rechnungsdaten an die Finanzverwaltung spielen. Ganz allgemein kann der ViDA-Vorstoß als Signal zur Etablierung der E-Rechnung als zentrales Rechnungsformat verstanden werden. Anders als bei Papier- oder PDF-Rechnungen handelt es sich bei E-Rechnungen um ein unmittelbar maschinenlesbares, strukturiertes Datenformat. Konkret soll dabei konzeptionell auf das bereits für B2G-Rechnungen etablierte Format der E-Rechnung i.S.d. RL 2014/55/EU zurückgegriffen werden.

Plangemäß soll den EU-Mitgliedstaaten bereits ab 01.01.2024 die wahlweise Einführung einer E-Rechnungspflicht ermöglicht werden (z.B. im B2B- und B2C-Bereich). Diesfalls können auch andere Datenformate vorgesehen werden, wobei E-Rechnungen i.S.d. RL 2014/55/EU in jedem Fall (alternativ) zu akzeptieren sind. Zukünftig soll für neu eingeführte E-Rechnungssysteme ein Clearing-Verfahren unzulässig sein. Dies bedeutet für jene Mitgliedstaaten, die bereits in dem Bereich voraus gegangen sind und eine Clearing-Stelle etabliert haben, ein mögliches Erfordernis zur Änderung, der bereits gelebten Systeme ab 2028.

Ab 01.01.2028 soll die E-Rechnung im B2B-Bereich für innergemeinschaftliche Umsätze den Standard darstellen. Allerdings sind für Rechnungen i.Z.m. Umsätzen, die der neuen Meldepflicht nicht unterliegen, weiterhin die bisherigen Rechnungsformate (Papier, PDF etc.) möglich. Hier stellt sich die Frage inwieweit die Unternehmen diese Diversität zulassen werden.

Die Eckpunkte der plangemäß ab 01.01.2028 verpflichtend einzuführenden Meldepflichten sind:

  • Meldepflicht (nahezu ausschließlich) für ig B2B-Umsätze an die lokale Finanzverwaltung (somit z.B. i.d.R. nicht nationale B2B- oder B2C-Transaktionen, Umsätze mit Drittstaaten)
  • sowohl durch den Rechnungsersteller als auch -empfänger
  • jedenfalls Möglichkeit zur Meldung im Datenformat i.S.d. RL 2014/55/EU
  • Rechnungsausstellung spätestens zwei Werktage nach Leistungserbringung, Meldung spätestens zwei Werktage nach Rechnungsausstellung oder dem Zeitpunkt, zu welchem die Rechnung auszustellen war.
  • Abschaffung der Möglichkeit von Sammelrechnungen

Ungeachtet der Umsetzungsverpflichtung können die EU-Mitgliedstaaten zusätzliche Meldepflichten vorsehen (z.B. für nationale B2B- oder B2C-Transaktionen und Ausfuhrlieferungen). Bei der Konzeptionierung sind jedoch die Rahmenvorgaben der MwStSystRL zu beachten.

3. Kritischer Ausblick

Die Einführung einer digitalen Meldepflicht von ig Umsätzen im B2B-Bereich auf Basis von E-Rechnungen führt zu herausfordernden technischen Anpassungsbedarfen sowohl aufseiten der Rechnungsersteller als auch -empfänger. Fraglich bleibt angesichts dessen auch, inwiefern die EU-Mitgliedstaaten von ihren sonstigen Möglichkeiten zur verpflichtenden Einführung von E-Rechnungen und/oder der nationalen Ausweitung der Meldepflichten Gebrauch machen werden.

Ein derart zeitnahes und umfangreiches Reporting von umsatzsteuerlichen Massendaten erfordert ein hohes Maß an Automatisierung und Digitalisierung. Die Rolle von Service-Providern, die als Plattform und Übersetzer der zu meldenden Daten von Unternehmensseite an die Finanzverwaltung dienen können, gilt es in jedem Mitgliedsstaat noch zu definieren. Dies wird auch abhängig davon sein, wie zukunftsfit und ressourcenstark die Finanzverwaltung im Bereich der Digitalisierung aufgestellt sein wird.

Gerne halten wir Sie weiterhin auf dem Laufenden und begleiten Sie bei Bedarf bei der technischen Anpassung Ihrer Compliance-Prozesse.

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