Die 12. „Klauselentscheidung“ des OGH ist da – Wertsicherungsklauseln auf dem Prüfstand
Tax News 05-06/2023
Immobilien
In der aktuellen (12.) Klauselentscheidung zu 2 Ob 36/23t vom 21.03.2023 hatte der OGH u.a. die Zulässigkeit von Wertsicherungsklauseln zu prüfen. Eine mögliche Nichtigkeit von Wertsicherungsklauseln könnte – insbesondere auch aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Situation und der damit einhergehenden Bedeutung solcher Klauseln – erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen. Bei der Formulierung solcher Klauseln in Verbraucher-Mietverträgen ist daher Vorsicht geboten.
Anforderungen an Wertsicherungsklauseln
Bereits in einer Entscheidung1 aus 2019 hat der OGH ausgeführt, dass seitens des Vermieters das legitime und gerechtfertigte Interesse besteht, den Mietzins mittels Wertsicherungsklausel im Mietvertrag – insbesondere bei längeren Vertragslaufzeiten – an die tatsächliche Geldentwertung anzupassen und damit das ursprünglich vertraglich vereinbarte Äquivalenzverhältnis zu wahren. Nichtsdestoweniger unterliegen Wertsicherungsklauseln der Überprüfung nach § 879 Abs. 3 ABGB sowie § 6 Abs. 1 Z 5 KSchG.
Zweck der Bestimmung nach § 6 Abs. 1 Z 5 KSchG ist es, den Verbraucher vor überraschenden Preiserhöhungen zu schützen, weswegen Wertsicherungsklauseln neben der sachlichen Rechtfertigung folgende Voraussetzungen erfüllen müssen: Zweiseitigkeit, Festlegung im Vertrag sowie Unabhängigkeit vom Willen des Unternehmers. Diese Voraussetzungen erfüllt die im Rahmen der 12. Klauselentscheidung geprüfte nachstehend zitierte Wertsicherungsklausel laut OGH nicht:
„Der Netto-Mietzins von EUR [___] wird auf den vom österreichischen Statistischen Zentralamt verlautbarten Index der Verbraucherpreise 1976 wertbezogen. Sollte dieser Index nicht verlautbart werden, gilt jener als Grundlage für die Wertsicherung, der diesem Index am meisten entspricht.“
Der OGH erachtet die Wertsicherungsklausel als nicht verbindlich, da der Formulierung nicht zu entnehmen sei, nach welchen Kriterien zu beurteilen ist, welcher Index dem Verbraucherpreisindex „am meisten entspricht“ und wer zu dieser Beurteilung berufen sei. Bei ungünstiger (i.e. kundenfeindlichster) Auslegung könnte das Recht zur Entscheidung hierüber auch dem Vermieter alleine zukommen. Mangels Offenlegung der für diese Beurteilung maßgeblichen Kriterien ist für den Mieter somit unklar, welcher Index bei Wegfall des vertraglich vereinbarten Index maßgeblich sein soll.
Freilich: In der Praxis wird hinsichtlich des Nachfolgeindex häufig die Formulierung des „an seine Stelle tretenden Index“ verwendet. Da bei einer solchen Formulierungen bereits ex ante und unabhängig vom Willen des Vermieters ein „Ersatzindex“ normiert wird, sind in diesem Fall die vom OGH aufgezeigten Anforderungen erfüllt.2
Problematisch ist aber auch der zweite Kritikpunkt, der vom OGH zu der von ihm geprüften Wertsicherungsklausel aufgeworfen wird: Die Klausel würde auch gegen § 6 Abs. 2 Z 4 KSchG verstoßen, weil bei kundenfeindlichster Auslegung schon in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss eine Entgeltänderung eintreten könnte.
Für die Praxis stellt sich nunmehr die Frage, inwieweit diese Rechtsprechung des OGH auch solche Wertsicherungsklauseln erfasst, die entweder (i) einen fixen Zeitpunkt vorsehen, zu welchem die Indexierung erfolgen soll (z.B. der Mietzins wird jeweils am 01.01. eines jeden Jahres wertgesichert) oder (ii) einen Index-Schwellenwert normieren, der praktisch (aufgrund aller Erfahrungen mit Index-Erhöhungen innerhalb gewisser Zeitspannen in der Vergangenheit) innerhalb der ersten beiden Monate nach Vertragsabschluss nicht überschritten werden kann.
Die Bestimmung des § 6 Abs. 2 Z 4 KSchG soll Verbraucher davor schützen, dass sie Kostenentwicklungen für den Zeitraum unmittelbar nach Vertragsabschluss nicht hinreichend abschätzen können. Kann der Vermieter nunmehr eine Wertsicherung vertragsgemäß nur zu einem bestimmten Zeitpunkt vornehmen, so wäre – da im Vollanwendungsbereich des MRG eine rückwirkende Geltendmachung der Wertsicherung ausgeschlossen ist3 – durchaus argumentierbar, dass sich die Gefahr, vor welcher das KSchG den Mieter schützen will, gar nicht realisieren kann. Ein ähnliches Argument könnte auch im Falle der Vereinbarung von (nicht unerheblichen) Schwellenwerten vorgebracht werden.4
Erfordernis der Entgeltsenkung
Der OGH hat darüber hinaus ein weiteres Mal ausdrücklich auf das Erfordernis der Zweiseitigkeit von Wertsicherungsklauseln hingewiesen. Bei der Formulierung ist daher zu beachten, dass nicht nur eine Erhöhung, sondern auch eine Senkung des Mietzinses vorgesehen wird. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 6 Abs. 1 Z 5 KSchG und ist die Wertsicherungsklausel folglich ohne einer solchen „Anpassungssymmetrie“ nichtig. Während die Formulierung einer entsprechenden Erhöhung in der Regel einfach möglich ist, kann sich die richtige Ausgestaltung der Entgeltsenkung durchaus komplexer gestalten. Unseres Erachtens sollte ausdrücklich eine automatische Senkung – und nicht nur die Möglichkeit des Vermieters, den Mietzins herabzusetzen – vorgesehen werden.
Nichtigkeit infolge der Unzulässigkeit der geltungserhaltenden Reduktion
In Folge dieser 12. Klauselentscheidung könnten nunmehr einige in B2C-Mietverträgen enthaltene Wertsicherungsklauseln auf dem Prüfstand stehen und von Nichtigkeit bedroht sein. Da das in § 6 Abs. 3 KSchG normierte Transparenzgebot der geltungserhaltenden Reduktion bei Verbraucherverträgen entgegensteht, wäre es unzulässig, an die Stelle der nunmehr (teil)nichtigen Wertsicherungsklausel eine solche Bestimmung treten zu lassen, die gerade noch zulässig ist und der nichtigen Regelung am nächsten kommt. Folglich fiele die als KSchG-widrig erachtete Klausel ersatzlos weg.
Erfahrungsgemäß ist in gängigen Wertsicherungsklauseln kaum explizit vereinbart, dass eine Mietzinserhöhung innerhalb der ersten beiden Monate ab Vertragsabschluss ausgeschlossen ist. Die 12. Klauselentscheidung hat daher Potential, in der Praxis höhere Wellen zu schlagen. Geht man davon aus, dass die laut OGH für nichtige Betriebskostenklauseln geltenden Grundsätze5 auch für nichtige Wertsicherungsklauseln gelten, so könnte der Mieter zur Rückforderung der indexierten Mietzinsbeträge berechtigt sein. Für die Rückforderung von zu Unrecht eingehobenen Mietzinsen für Objekte, die dem MRG unterliegen, gilt dann die dreijährige Verjährungsfrist.6
Konsequenzen für die Praxis
In vielen Fällen werden Wertsicherungsklauseln den vom OGH aufgestellten Anforderungen genügen bzw. werden sich hierfür Argumente finden lassen. Man darf dennoch gespannt sein, ob Mieter in größerer Zahl Rückforderungsansprüche geltend machen und wie die Gerichte mit den vom OGH in der Entscheidung 2 Ob 36/23t getroffenen Aussagen umgehen werden.
Aufgrund dieser Rechtsprechung des OGH sind Vermieter aber jedenfalls gut beraten, bei der Gestaltung von Mietverträgen besondere Sorgfalt walten zu lassen und künftige Wertsicherungsklauseln an die Vorgaben des OGH anzupassen.
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1 OGH 25.04.2019, 6 Ob 226/18f. Gegenstand des Verfahrens waren Klauseln in einem Vertragsformblatt für Wohnungsmietverträge, die dem Vollanwendungsbereich des MRG unterliegen und in welchen ein angemessener Mietzins nach § 16 Abs. 1 MRG vereinbart werden durfte.
2 Vgl. OGH 25.04.2019, 6 Ob 226/18f.
3 OGH 16.10.2007, 5 Ob 210/07d.
4 Aus der Entwicklung des VPI in der Vergangenheit (etwa seit dem Jahr 2000) ist erkennbar, dass selbst über einen Zeitraum von drei Monaten betrachtet, nie ein Anstieg von mehr als 1,2 % erfolgt ist.
5 Vgl. OGH 14.09.2021, 6 Ob 105/21s.
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