VwGH zur Übertragung stiller Reserven bei Privatstiftungen
Tax News 03-04/2023
Bilanz- und Konzernsteuerrecht
In seinem Erk vom 17.11.2022 hat der VwGH die Auslegung des § 13 Abs 4 KStG – im Vergleich zum bisherigen Meinungsstand – deutlich eingeschränkt. So soll eine Übertragung auf die durch eine Kapitalerhöhung geschaffenen neuen Anteile und ein geleistetes Agio einer bereits zuvor im 100 %-Eigentum gestandenen Tochtergesellschaft nicht zulässig sein. Der vorliegende Beitrag analysiert die Entscheidung und zeigt auf, welche Möglichkeiten in Zukunft hinsichtlich der Übertragung stiller Reserven noch bestehen.
1. Einführung
Seit der Schaffung der österreichischen Privatstiftung– und den damit verbundenen, damals durchaus steuerlich attraktiven Regelungen – im Jahr 1993, verblieben nach mehr als 25 Gesetzesänderungen in steuerlicher Sicht (wobei die meisten nur steuerliche Verschlechterungen gebracht haben) nicht mehr viele steuerliche Vorteile für die österreichische Privatstiftung. Ein wesentliches Instrument, das Privatstiftungen aber immer noch als attraktiv erscheinen lässt, besteht in der Möglichkeit der Übertragung stiller Reserven gem § 13 Abs 4 KStG. Nach dieser Regelung können stille Reserven aus der Veräußerung eines nicht in einem Betriebsvermögen gehaltenen Anteils an einer Körperschaft im Ausmaß von zumindest 1% (Beteiligung der Privatstiftung oder ihrem Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf Jahre zumindest zu 1 % erforderlich) auf eine geeignete Ersatzanschaffung (vgl Voraussetzungen des § 13 Abs 4 Z 1 KStG) (steuerfrei) übertragen werden. Einschränkend davon ausgenommen sind seit dem AbgSiG 2007 Anschaffungen von bestehenden Anteilen von einer Körperschaft, an der die Privatstiftung, der Stifter oder ein Begünstigter allein oder gemeinsam unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 20 % beteiligt sind. „Technisch“ ist mit der steuerfreien Übertragung eine entsprechende Kürzung der Anschaffungskosten des erworbenen Anteils verbunden, sodass die „aufgeschobenen“ stillen Reserven bei einer späteren Veräußerung des Anteils zu versteuern sind. Sollte im Kalenderjahr der Aufdeckung der stillen Reserven keine Übertragung der stillen Reserven erfolgen, kann dafür ein steuerfreier Betrag gebildet werden, der innerhalb von 12 Monaten ab der Veräußerung der Beteiligung auf eine geeignete Ersatzanschaffung übertragen werden kann.
2. Erkenntnis des VwGH vom 17.11.2022
Insofern überraschend, da das Vorerkenntnis des BFG aus dem Jahr 2020 nicht veröffentlicht ist (vgl BFG 10.12.2020, RV/4100845/2015), erfolgte das Erk des VwGH vom 17.11.2022, Ra 2021/15/0053 (veröffentlicht am 15.12.2022), das einige der bestehenden Zweifelsfragen iZm § 13 Abs 4 KStG dezidiert anspricht. Anzumerken ist zunächst, dass der zugrunde liegende Sachverhalt sicherlich als zumindest untypisch oder ungewöhnlich anzusehen ist und keineswegs die übliche Situation eines Übertragungsvorgangs stiller Reserven gem § 13 Abs 4 KStG widerspiegelt: gegenständlich war nämlich die Veräußerung einer Beteiligung an einer österreichischen AG unter Aufdeckung stiller Reserven an eine BVI-Gesellschaft. Eine Thematisierung des Sitzes des Erwerbers auf den BVI bzw allfällige daraus ableitbare steuerliche Folgen erfolgte im Erkenntnis nicht. Die veräußernde Privatstiftung erwarb in der Folge 100% der Anteile an einer österreichischen (F-) GmbH. Am selben Tag erfolge eine Kapitalerhöhung und die Zusage eines Agios. Auf beide (dh Kapitalerhöhung und Agio) wurden die Übertragung der aufgedeckten stillen Reserven fristgerecht beantragt.
Allerdings vergab die F-GmbH zeitnahe nach Erhalt des Agios Darlehen an die Privatstiftung, sowie weitere Gesellschaften (die annahmegemäß auch im Umfeld der Privatstiftung angesiedelt waren). Diese Gesellschaften benützten die Darlehen zur Rückzahlung von Verbindlichkeiten, die sie bereits zuvor von der Privatstiftung aufgenommen hatten. Nahezu der gesamte geleistete Betrag aus der Übertragung der stillen Reserven floss binnen weniger Tage somit an die Privatstiftung zurück. Da die Gesellschaften die Darlehensrückzahlungen nicht leisten konnten, musste die F-GmbH überdies (steuerwirksame) wesentliche Wertberechtigungen vornehmen. Wenig überraschend versagten sowohl das Finanzamt in Folge einer Außenprüfung als auch das BFG die Übertragung der stillen Reserven. Das BFG begründete seine Entscheidung mit Missbrauch nach § 22 BAO, der sich insbesondere ergebe durch die rasche Rückführung der Mittel, das „Im-Kreis-Schicken durch Darlehen“ und dass kein „innerer Wert“ der Beteiligung dem geleisteten Agio gegenübergestanden habe. Interessanterweise sah das BFG – abweichend vom VwGH, wie in der Folge dargestellt wird – die Übertragung auf ein geleistetes Agio zulässig für Zwecke des § 13 Abs 4 KStG an.
Der VwGH wies die Revision als unbegründet ab, folgte aber nicht dem Weg des BFG hinsichtlich des Vorliegens von Missbrauch. Vielmehr legte er umfassend sein Verständnis zur Auslegung des § 13 Abs 4 KStG dar.
Zunächst führt er durch die Historie der Bestimmung und zitiert aus den EBRV zum BBG 2001. Hierbei hält er fest, dass die Bestimmung der Regelung der Übertragung stiller Reserven gem § 12 EStG nachgebildet ist. Daraufhin führt er wie folgt durch die Hintergründe der Einschränkung des AbgSiG 2007, welche bestimmte Anschaffungen von Nahestehenden von der Übertragung stiller Reserven ausschloss: „Insbesondere soll ausgeschlossen werden, dass eine Privatstiftung zum Zwecke der stillen Reserven von einer Tochterkapitalgesellschaft die Anteile erwirbt und die Tochtergesellschaft sodann den erhaltenen Kaufpreis wieder an die Privatstiftung steuerfrei ausschüttet. […] Der Ausschluss soll nicht die Gründung einer neuen Kapitalgesellschaft durch die Privatstiftung oder eine Kapitalerhöhung an einer bestehenden Tochter-Kapitalgesellschaft betreffen, weil sowohl bei Neugründungen als auch bei Kapitalerhöhung nicht bestehende Anteile erworben werden.“
In der Folge stellt der VwGH den Telos der Regelung klar, der eben in einer Investitionsbegünstigung, um Ersatzanschaffungen zu ermöglichen, besteht. Auch die Neugründung durch die übertragende Privatstiftung wäre davon erfasst, sowie auch eine (ordentliche) Kapitalerhöhung, bei der die Privatstiftung einen (zusätzlichen) Anteilen im Ausmaß von zumindest 10 % erwirbt. Wenn an einer solchen Kapitalerhöhung nur teilnehmen könne, wer zusätzlich für die neuen Anteilen auch ein Agio leiste, so stehe auch dieser Betrag für die Übertragung der stillen Reserven zur Verfügung.
Bei Gesellschafterzuschüssen ist das Höchstgericht stringent: eine Übertragung auf diese soll nicht möglich sein, da diese nicht als Anschaffung einer Beteiligung (obwohl Anschaffungskosten vorliegen, die auf die Beteiligung zu aktivieren sind) zu werten wären. Dies ergebe sich schon aus dem Zweck der Bestimmung als Investitionsbegünstigung, die eine Ersatzanschaffung ermöglichen, nicht aber die Ausstattung von bestehenden Tochtergesellschaften mit zusätzlichen Mitteln fördern soll.
Wenn allerdings – wie im konkreten zugrunde liegenden Sachverhalt – bereits eine 100 %ige Tochtergesellschaft vorliege und die Kapitalerhöhung durch diese Alleingesellschafterin gezeichnet werden soll, dann liegt nach Ansicht des Höchstgerichts weder eine Änderung des Beteiligungsausmaßes noch ein Erwerb einer zusätzlichen 10%igen Beteiligung vor.
3. Was lässt sich aus dem Erk ableiten…
Durch das vorliegende Erkenntnis legt der VwGH die für § 13 Abs 4 KStG nötige Ersatzanschaffung inhaltlich aus: das Höchstgericht erkennt zwei grundlegende Voraussetzungen, nämlich eine „Anschaffung einer Beteiligung“ und diese im Ausmaß von mindestens (zusätzlichen) 10 % am Grund- oder Stammkapital, wobei letztere Voraussetzung im Sinne einer „wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ (und nicht etwa gesellschaftsrechtlich) auszulegen ist. Zukünftig ist daher bei Übertragungen von stillen Reserven iZm Kapitalerhöhungen und Agio insbesondere darauf Augenmerk zu legen, ob diese die Voraussetzung des zusätzlichen Beteiligungserwerbs erfüllt wird. Ein Ausweg wird in vielen Fällen eine Neugründung (allenfalls mit entsprechend hohem Stammkapital) darstellen.
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